Als Schulterschluss zwischen «Bauernbank» und Privatbank wurde die Kooperation zwischen Vontobel und Raiffeisen einst eingeläutet. Die Einigkeit ist verschwunden.
Für den jüngsten Eklat sorgte das am vergangenen Freitag publizierte Jahresergebnis 2011 der Raiffeisen-Gruppe. Darin ist von einer «marktbedingten Abwertung der strategischen Beteiligungen – insbesondere an Vontobel – von 56,5 Millionen Franken» die Rede.
Dadurch falle, so schreibt die Genossenschaftsbank, der Gruppengewinn im Vergleich zum Vorjahr (um 5,1 Prozent) geringer aus. Ohne diesen «Effekt» hätte beim Gruppengewinn ein Plus (+3,9 Prozent) resultiert, heisst es weiter.
Ärger und Verwunderung
Mit anderen Worten: Die Bank Vontobel (im Bild der Sitz an der Zürcher Gotthardstrasse) soll schuld sein am negativen Ergebnis der Raiffeisen-Gruppe? Klar, dass diese Feststellung beim Zürcher Finanzinstitut für heisse Köpfe sorgt. Offiziell will man dies natürlich so nicht kommentieren. Doch braucht es wenig Fantasie, um sich den Ärger über die «marktbedingte Abwertung» bildlich vorzustellen.
Die Notiz überrascht insofern, da Raiffeisen seinerzeit bei einem Kurs von 27 Franken je Vontobel-Aktie einstieg und die Titel derzeit bei 24 Franken notieren. Dass die Aktien weniger wert sind, schleckt keine Geiss weg, doch liegt die Differenz nach wie vor im Bereich üblicher Marktschwankungen. Wenn es die Raiffeisen-Gruppe mit ihren Bewertungen tatsächlich so genau nimmt, hätte sie dies auch schon in früheren Jahren tun und kommentieren können. Etwa als der Kurs der Vontobel-Aktien bei 75 Franken notierte, wie das Mitte 2007 der Fall war. Geschehen ist dies aber damals nicht.
Böser Seitenhieb
So besehen entpuppt sich die jüngste «marktbedinge Abwertung» als ein Seitenhieb, der dem eh schon lädierten Kooperationsverhältnis bestimmt nicht förderlich ist.
Darauf weist auch das ganze Hin und Her rund um Pierin Vincenz' Verwaltungsratssitz bei Vontobel hin. Bereits im letzten Herbst, als sich der Raiffeisen-Chef medial für eine Übernahme der Basler Bank Sarasin in Szene setzte, reagierte man bei Vontobel offensichtlich pikiert, weil sich ein Mitglied des eigenen Aufsichtsgremiums ohne Rücksprache dermassen in Richtung Konkurrenz gelehnt hatte. Schon damals stellte sich zwangsläufig die Frage, wie ein solcher «Ménage à trois» überhaupt funktionieren könne.
Allerhand Irritation
Schliesslich übernahm Ende 2011 die brasilianische Safra-Gruppe die Basler Sarasin. Doch das Problem war damit nicht gelöst, denn nur wenige Wochen später schnappte sich die Raiffeisen-Gruppe das gesamte nicht-amerikanische Geschäft der Bank Wegelin und integrierte es als Notenstein Privatbank ins eigene Imperium. Der «Ménage à trois» ist nun doch zur Realität geworden und sorgt für allerhand Irritation, wie sich immer deutlicher zeigt.
Dass der aufmüpfige Vincenz, der sich nach dem schmählichen Abgang von Konrad Hummler mehr und mehr als die letzte unabhängige Instanz auf dem Schweizer Finanzplatz versteht, im Vontobel-Verwaltungsrat zusehends weniger tragbar war, schien schon seit Wochen klar. Eine solche Einsicht äusserte Vincenz sogar selber in einem Interview mit der «Bilanz»; er liess dann aber keine Taten folgen.
Raiffeisen-Finanzchef wird Vontobel-Verwaltungsrat
Letzte Woche dann drängte Vontobel zu einer Rochade, worauf man sich inoffiziell darauf einigte, dass Vincenz durch den derzeitigen Raiffeisen-Finanzchef Marcel Zoller (links) ersetzt werde. Allerdings blieb die definitive Zusage aus dem Raiffeisen-Headquarter in St. Gallen an Vontobel bis Freitagabend ausstehend, so dass Vontobel den Schritt nicht nach Börsenschluss kommunizieren konnte. Offenbar wollte Vincenz sein allerseits gelobtes Jahresgergebnis 2011 ungetrübt bis zur letzten Minute auskosten.
Erst der «Sonntagszeitung» von diesem Wochenende konnten die Vontobel-Verantwortlichen entnehmen, dass die Personalrochade nun offenbar Tatsache ist und jetzt auch nach aussen kommuniziert werden kann. Auch dieses Vorgehen passt schlecht zum Umgang zwischen zwei Kooperationspartnern.
Kontraprodukt und fahrlässig
Für zusätzliche Verärgerung bei Vontobel sorgten dieser Tage schliesslich auch Vincenz' Voten zum automatischen Informationstausch mit der EU. Für eine Bank wie Vontobel, die nach wie vor stark in der Vermögensverwaltung engagiert ist, sind derlei Äusserungen zu einem Zeitpunkt, da die Schweiz mit diversen Ländern über eine Abgeltungssteuer verhandelt, geradezu kontraproduktiv, wenn nicht fahrlässig.
Vincenz' Vorpreschen steht diametral zu Aussagen von Vontobel-CEO Zeno Staub, der vor drei Wochen in der «Finanz und Wirtschaft» erklärt hatte: «Man sollte nicht alle drei Wochen mit einem neuen Wundermittel kommen. Die Gesamtkonzeption der Abgeltungssteuer ist nach wie vor sehr sinnvoll, und wir würden uns besser darauf konzentrieren, als mit immer neuen Formen zu experimentieren, die alle Vor- und Nachteile haben.»