Es würde nicht schaden, wenn sich der designierte Julius-Bär-CEO Stefan Bollinger vor seinem Amtsantritt im kommenden Februar die Memoiren des Schweizer Banken-Doyens Hans J. Bär zu Gemüte führen würde, findet der frühere Julius-Bär-Private-Banker Fabian Käslin in seinem Gastbeitrag auf finews.ch.
Von Fabian Käslin, Private Banker im «Garden leave»
Am (gestrigen) Dienstag hat die Zürcher Traditionsbank Julius Bär ihren neuen CEO ernannt. Herzliche Gratulation Stefan Bollinger! Ich wünsche Ihnen langanhaltenden Erfolg, die notwendige Umsichtigkeit, Fingerspitzengefühl und Durchsetzungsvermögen. Julius Bär ist sehr viel mehr als der grösste Pure Player in der Vermögensverwaltung weltweit. Für mich zumindest – und für wohl viele andere (Ex-)Bären.
Seit 1890 ist sich die Bank treu geblieben – urschweizerisch – immer im Wandel und immer verlässlich zugleich. Modern, aber nicht anbiedernd – weltoffen, aber ihren Wurzeln treu. Weltspitze und doch familiär. Mögen die negativen Fussnoten genau das bleiben – Fussnoten.
Viel Zeit im «Garden leave»
Fabian Käslin, Autor und Private Banker im «Garden leave» (Bild: zvg)
Der grosse Doyen des Hauses, Hans J. Bär, schreibt zu fähigen Führungsleuten bei Schweizer Banken in seinen 2004 veröffentlichten und heute leider vergriffenen Memoiren: «Letztlich zählen nicht der Name, sondern Bildung und Ausbildung, Leistung und Wille. Ohne den Willen, für den Ehrgeiz eine natürliche Triebfeder ist, geht es nicht. Ohne Leistung und solide Ausbildung ohnehin nicht. Sprachen sind in der Schweiz eine Selbstverständlichkeit. […] Schaden kann es sicherlich nicht, in der Öffentlichkeit bekannt zu sein.»
Bär wurde 1927 in Zürich geboren, 1960 wurde er Partner bei Julius Bär und gab 1997 das Präsidium des Verwaltungsrates ab – «seine» Bank, den Finanzplatz und die Schweiz hat er stark geprägt.
Da ich dank meinem in diesem Frühjahr gestarteten «Garden Leave» etwas mehr Zeit habe als auch schon, habe ich mir die Memoiren aus aktuellem Anlass nochmals zu Gemüte geführt. Geblieben sind mir die Parallelen zu den heutigen Herausforderungen sowie die Erkenntnis: Die Geschichte wiederholt sich halt doch; nur hat in unserer schnelllebigen Zeit, kaum einer Zeit, sich mit den alten Zeiten wirklich auseinanderzusetzen. Oder wie Hans Bär es nennt: «Das bedauerlich kurze Gedächtnis unserer Industrie» ist verheerend.»
Bank auf der «grünen Wiese»
Als digitale Vorreiter bezeichnet Hans Bär in seinem Buch die Genfer Privatbanken – ab den 1970er-Jahren sei der «EDV und Digitalisierungsdruck» massiv gewesen. Die Bank Julius Bär so weit im Hintertreffen, gewesen dass man intern einen möglichen Befreiungsschlag besprochen habe, namentlich eine Bank auf der «grünen Wiese» aufzubauen, die danach die «alte Bär» übernommen hätte.
Diese «Greenfield Bank» wäre «stark digital» gewesen und hätte eine frische, moderne Kultur gehabt – «post festum betrachtet sicher die gescheiteste Idee». Doch es kam nie dazu. Aber die Idee, dass eine alt-eingesessene Bank sich eine «Greenfield Bank» als Befreiungsschlag leistet, wird auch heute immer mal wieder diskutiert.
Viel Lob aus New York
Was die Kommunikation anging, lernte Hans Bär einiges vom damaligen Julius-Bär-Partner Ernst Bieri. Dieser befand bei der Medienarbeit, «offensiv zu berichten, und nie solange zuwarten, bis sich der Druck so steigert, dass man mit der Wahrheit scheibchenweise herausrückt.» Das ist durchaus ein Ratschlag, den sich der designierte CEO ab nächstem Februar zu Herzen nehmen kann.
Zu Hans Bärs Zeit erhöhte sich die Mitarbeiterzahl der Julius Bär von knapp 45 (!) auf mehrere hundert, und die Kundengelder stiegen von ein paar Millionen Franken auf sage und schreibe 45 Milliarden Franken. Ob solcher Leistungen schrieb die «New York Times» 1997 über ihn: «He possessed an ability to bring in good people, and to go very aggressively into new businesses. The Julius Baer Group is one of the best managed banks in Switzerland.»
Gutaussehender Ausländer an Bord
Es scheint in der Tat so, dass Hans Bär ein sehr gutes Gespür für Talente hatte. Im Jahr 1980 holte er beispielsweise den amerikanischen Teilhaber Morris Offit an Bord, zuvor Salomon Brothers. Für die damalige Zeit war dies für eine Schweizer Bank doch eher ungewöhnlich.
Doch Bär liess sich davon nicht beeindrucken. «Offit, schlank, mittelgross, gutaussehend, ein Arbeitstier und alles in allem so, wie man sich seinen Schwiegersohn wünscht, legte ein Tempo vor, das selbst mir auf Dauer zu viel war. Aber dieser High-Pressure-Man schoss uns mit seiner unbändigen Energie in die Oberliga der Bankenwelt», heisst es den Memoiren.
Bärs Charakter und die stete Bereitschaft, die Bank wichtiger zu nehmen als sich selbst, zeigt sich auch in folgender Passage: «Mir war zunächst nicht wohl bei dem Gedanken, ein internationales Kaliber ins Haus zu holen. Zu realisieren, der kann es besser, war psychologisch nicht ohne weiteres zu verkraften. Zumindest nicht für mich. Aber die Bank brauchte jemanden wie ihn.»
Kreatives Klima
Er selbst bezeichnete seinen eigenen Führungsstil als durchaus modern: «Letztlich lebe ich davon, ein kreatives Klima schaffen zu können. Ich glaube nicht, dass Angst und Verunsicherung erfolgversprechende Führungsmittel sind.»
Die Resultate sprechen für ihn, und es ist auch wichtig, daran zu erinnern, dass sich Julius Bär lange Zeit vor allem als Merchant-Bank betrachtete und das klassische Vermögensverwaltungsgeschäft im Hause eher nebenbei entstanden ist. Komplexe Kreditgeschäfte gehörten lange zum «Daily Business» – auch wenn diese sicherlich noch etwas weniger komplex waren als heutzutage.
Später Kritiker
Leider habe ich Hans J. Bär nie kennengelernt – jedoch spürt man in seinen Memoiren, dass «man einfach gerne leben muss», und dass es eindeutig zu kurz greift, ihn auf die Rolle des späten Kritikers des Bankgeheimnis zu reduzieren.
Vielmehr hat er als Ideen-Geber der Volcker-Kommission einen wichtigen Beitrag zum Ausweg aus der Krise der nachrichtenlosen Vermögen geleistet. Als Kunst-Mäzen Vieles zur Strahlkraft von seinem auch oft kritisierten Zürich («Parken in Zürich ist praktisch unmöglich») beigetragen und als Banquier privé Julius Bär mehr als 50 Jahre lang mitgestaltet und zu einem globalen Powerhaus gemacht.
Wie man eine Party organisiert
Gerne erwähnt Hans Bär auch seinen Freund Fritz Leutwiler, einmal wie folgt: «If you can’t organize a party, you can’t run a bank.» Insofern hoffe ich, dass Sie, Herr Bollinger, wissen, wie man eine gute Party organisiert!
Falls Sie noch etwas Zeit finden vor Ihrem Wechsel an die Bahnhofstrasse 36, lege ich Ihnen diese Biographie ans Herz. Denn ich hoffe schon sehr, dass «Ihre künftige» Bank wieder auf die Erfolgsspur zurückkehrt – oder, um Hans Bär als passionierten Cabrio-Fahrer zu zitieren: «...mit klarem Blick durch die Windschutzscheibe, aber es kann nicht schaden, ab und an auch mal in den Rückspiegel zu schauen».
Hans Julius Bär – 26. September 1927 – 21. März 2011
Hans J. Bär – seid umschlungen, Millionen: ein Leben zwischen Pearl Harbour und Ground Zero – Orell Füssli Verlag, 2004 – (leider) vergriffen.