Die Finanzaufsicht macht im neuen Bericht zur Credit Suisse die Vergütungssysteme für den Untergang der Grossbank mit verantwortlich. Die Banker-Boni vermochten dort weder Verluste zu verhindern, noch Wohlverhalten zu fördern.
Die Bank, die ihrem früheren CEO Brady Dougan einst einen Rekordbonus von 70,9 Millionen Franken zahlte, musste erst untergehen, bevor mit diesen Exzessen abgerechnet wird.
So stellte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) am Donnerstag in ihrem ausführlichen Bericht zur Krise der Credit Suisse (CS) ein für allemal klar, dass das Ende der Grossbank zu wesentlichen Teilen Governance-Problemen geschuldet war.
Sämtliche Mittel ausgeschöpft?
Im Report setzt sich die Behörde auf den Standpunkt, dass sie selber bei der Aufsicht über die CS sämtliche Mittel ausgeschöpft habe; dass die die Grossbank dann doch unterging, sei allenfalls der Tatsache geschuldet, dass es der Finma an weitergehenden Kompetenzen fehlte – so etwa ein «Management Regime» für Durchgriffe auf die Geschäftsleitung.
Diese Eigensicht kontrastiert mit Berichten wie jenen der Agentur «Reuters», denen zufolge Finma, Bund und Nationalbank im Umgang mit der CS uneins waren und zögerlich auf die sich stetig verschlechternde Lage reagierten. Die Finma ist überdies mit ihrer Weisung, gegen 16 Milliarden Franken an Pflichtwandelanleihen (AT-1) bei der Grossbank abzuschreiben, weltweit ins Visier der Kritik geraten.
Viel Lärm und wenig Wirkung
Dessen ungeachtet ist es verdienstvoll, dass die Behörde weitgehend Transparenz über ihr Wirken bei der CS geschaffen und die hartnäckigen Mängel im Risikomanagement und der Führung des zweitgrössten Schweizer Geldhauses klar als solche benannt hat. Den (immer wieder ausgewechselten) Organen, hält die Finma fest, sei es seit der Finanzkrise 2008 nicht gelungen, festgestellte Missstände gesamtheitlich und nachhaltig zu beheben.
Folgt man dem Bericht, hatte an diesen Missständen auch das Vergütungssystem einen wesentlichen Anteil. Auch in Jahren mit grossen Verlusten blieben die variablen Vergütungen, sprich die Banker-Boni, hoch. Die gewichtigen Aktionärinnen und Aktionäre hätten ihre Einflussmöglichkeiten bei Vergütungen kaum wahrgenommen, so die Behörde weiter. Dies trotz jeweils lauter Kritik im Umfeld der Generalversammlungen, liesse sich anfügen.
Boni wie ein Fixum
Die Berechnungen, welche die Finma zu diesen fehlgeleiteten Strukturen macht, sind eindrücklich: Kumuliert erwirtschaftete die CS demnach in den vergangenen zehn Geschäftsjahren einen Reinverlust von 2,1 Milliarden Franken. Dies, während das Total der variablen Vergütungen gemäss Vergütungsberichten im gleichen Zeitraum mehr als 33 Milliarden Franken betrug. In den Verlustjahren 2015 bis 2017 wurde stets Boni von jeweils über 3 Milliarden Franken gesprochen.
Selbst im Jahr 2021 mit den erheblichen Verlusten infolge der Pleite der US-Finanzfirma Archegos betrug die variable Vergütung bei der CS immer noch über 2 Milliarden Franken.
«Die CS setzte über all die Jahre mit den hohen variablen Vergütungen, die über die Zeit quasi einem Fixum nahekamen, Fehlanreize, die im Wesentlichen den kurzfristigen monetären Erfolg auf Kosten der Entwicklung einer gesunden Risikokultur förderten», so das Fazit der Finma. Oder, anders gesagt: Die Kader und Manager des Geldhauses konnten sich unabhängig vom Geschäftsgang ihrer Sondervergütung sicher sein, während die Aktionärinnen und Aktionäre die Verluste trugen.
Hunderte Millionen verhindert
Die Aufsicht konnte offenbar nur begrenzt Einfluss auf den Vergütungspool nehmen; sie tat dies aber ab 2021, als sich die Ertragslage der CS strukturell zu verschlechtern begann. So beschnitt die Bank auf Druck der Finma den für jenes Geschäftsjahr vorgesehenen Bonus-Pool von 2,5 auf 2 Milliarden Franken. Für das Jahr 2022 senkte das Institut dann die Boni von geplanten 1,75 Milliarden auf 1 Milliarden Franken.
Dies habe die Bank «zum Schutz der Business Franchise als absoluten Minimalbetrag erachtet», so der Bericht.
Um sich der Treue des höheren Kaders zu versichern, wurde im vergangenen Jahr bei der CS mit dem «Strategic Delivery Program» ein neues Bonus-Porgramm lanciert, das eine Knebelkomponente enthält und unter dem total 500 Millionen Franken ausbezahlt würden, wenn in Zukunft gewisse strategische Ziele erreicht würden. Wie auch finews.ch berichtete, kehrten CS-Kader der Bank seither dennoch in Scharen den Rücken. Die Käuferin UBS unternimmt es Medienberichten zufolge, bereits ausbezahlte Boni von jenen Kadern zurückzuholen. Ein juristisches Hickhack ist vorprogrammiert.
Flop auf der ganzen Linie
Die Bonusprogramme der CS müssen damit als Flop auf der gesamten Linie gelten. Sie vermochten weder die Produktivität der so Begünstigten zu steigern, noch förderte sie deren Integrität und Wohlverhalten. Seit 2012 hat die Finma nach eigenen Angaben gegen die Grossbank 43 Vorabklärungen für mögliche Enforcement-Verfahren durchgeführt, neun Rügen ausgesprochen sowie 16 Strafanzeigen erstattet. Hinzu kamen elf Enforcement-Verfahren gegen das Institut und drei Verfahren gegen natürliche Personen.
Berufsverbote wurde laut Aussagen an der Konferenz vom Donnerstag in dieser Zeit keine ausgesprochen. Allerdings zielte die Aufsicht mit insgeamt acht Enforcement-Verfahren auf Spitzenpersonen bei der CS; drei der so ins Visier genommenen Kräfte haben sich seither auf Lebenszeit vom regulierten Finanzplatz zurückgezogen.
Auch die UBS huldigt den Banker-Boni
Was Wunder, will die Aufsicht nun die Anforderungen an Vergütungssysteme künftig auf Gesetzesstufe verankert sehen. Die Aufsicht möchte auch grünes Licht, um konkrete Massnahmen im Vergütungsbereich gegenüber Instituten anzuordnen. Lässt sich der Gesetzgeber dazu überreden, würde die neue UBS-CS unmittelbar in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Denn auch bei der UBS ist stets den Banker-Boni gehuldigt worden; dies mit dem Argument, dass eine internationale tätige Bank global kompetitive Löhne zahlen müsse, um die besten Talente anzuziehen.
Sergio Ermotti, der neue alte CEO der Schweizer Megabank, war in seiner ersten Amtszeit bei der UBS über Jahre der bestbezahlte Bankchef Europas.