Gleich zwei Zürcher Traditionsbanken taumeln derzeit. In beiden Fällen haben Management-Entscheide zu den Problemen geführt.
Das Debakel rund um die Credit Suisse (CS) hat in den vergangenen Monaten teilweise darüber hinweggetäuscht, dass andere Schweizer Banken auch nicht unbedingt in bester Verfassung sind. Zwei Traditionshäuser fallen in dieser Hinsicht auf: zum einen Vontobel, zum anderen Julius Bär – beides Finanzinstitute, die grundsätzlich als solid und stabil gelten, in jüngster Zeit aber an der Börse kaum zu überzeugen wussten. In den vergangenen sechs Monaten verloren die Aktien der zwei Häuser je rund 16 Prozent an Wert.
Während die Bank Julius Bär vor allem in den vergangenen Wochen aufgrund ihrer problematischen Kundenbeziehung mit dem österreichischen Unternehmer und Investor René Benko unter Druck geraten ist, leidet Vontobel bereits seit längerem. Im September 2021 kostete die Vontobel-Aktie noch 88 Franken, jetzt ist sie für 47 Franken zu haben.
«Investieren ist das neue Sparen»
Die Gründe für die Talfahrt der Vontobel-Titel reichen indessen bald vier Jahre zurück. Damals kam es noch unter der Führung von Verwaltungsratspräsident Herbert Scheidt und CEO Zeno Staub zu einer Reorganisation, die darauf hinauslief, dass sich das Unternehmen nicht länger als Bank, sondern als Investmenthaus definierte. Damit lag der Fokus fortan auf der Anlageexpertise; «Investieren ist das neue Sparen», liess sich Staub damals vernehmen, während Vontobel zum aktiven Investmentmanager mit dezidierten Anlagemeinungen (High-Conviction) mutierte.
Allerdings führte die bald darauf einsetzende Volatilität an den Finanzmärkten dazu, dass sich die Anlegerinnen und Anleger zurückhaltender engagierten oder verstärkt auf passive Strategien (mit Indexprodukten) setzten. Dadurch verzeichnete Vontobel nicht die erhofften Geldzuflüsse respektive Erträge, was sich bis heute in den Zahlen widerspiegelt, wie auch dem Quartalsbericht Ende Oktober 2023 zu entnehmen war.
Risikoscheue Investorinnen und Investoren
Eine Trendwende ist vorläufig auch nicht in Sicht. Denn die Risikoaversion der Investorinnen und Investoren wird noch so lange anhalten, bis sich eine Entspannung an der Zinsfront abzeichnet, sprich: der Zinserhöhungs-Zyklus seinen Höhepunkt erreicht hat. So lange wird das Geld weiterhin vor allem in passiv verwaltete Finanzprodukte fliessen.
In diesem Sinne erweist sich Vontobels Strategie als problematisch, vor allem auch deswegen, weil eine Änderung kaum zu erwarten ist. Zeno Staubs Nachfolger an der Firmenspitze, Christel Rendu de Lint und Georg Schubiger, haben bereits signalisiert, dass sie an der bestehenden Strategie nicht viel ändern werden. Vor diesem Hintergrund erweist sich der vor bald vier Jahren an sich mit guter Absicht eingeschlagene Weg mittlerweile als strategischer Fehlgriff, wie es die Vontobel-Aktie deutlich zeigt.
Tieferer Gewinn wegen Millionenrückstellungen
Auch bei Julius Bär hat sich gerade in jüngster Zeit eine strategische Fehlleistung bemerkbar gemacht: So brüstete sich die Zürcher Bank in der Vergangenheit gerne damit, ein «Pure Player» zu sein; gemeint ist damit ein Finanzinstitut, das seinen Fokus auf das Bilanz-schonende Vermögensverwaltungsgeschäft mit Privatkundinnen und -kunden richtet – und analog dazu (Lombard-)Kredite nur sehr haushälterisch und gegen hohe Garantien vergibt.
Wie sich nun aber gezeigt hat, hielt sich Julius Bär offensichtlich nicht immer ganz streng an diese Praxis. So gewährte die Bank René Benko sehr hohe Kredite, die er nun nicht mehr bedienen kann. Unter diesen Prämissen musste Julius Bär vor einer Woche hohe Wertberichtigungen vornehmen. Wegen dieser Millionenrückstellungen wird der Jahresgewinn 2023 unter dem Vorjahreswert zu liegen kommen, wie das Institut zudem einräumen musste. Entsprechend ungnädig reagierten die Märkte, wo die Julius-Bär-Aktie zeitweilig um mehr als 10 Prozent einbrach.
Gefahr von Interessenskonflikten
Ähnlich wie bei der Credit Suisse im Fall des Hedgefonds Archegos des US-Investors Bill Hwang gewährte man hohe Geschäftskredite, um einen Privatkunden bei der Stange zu halten. Und umgekehrt. Dadurch wächst die Gefahr eines Interessenskonflikt, der sich nun bei Julius Bär und René Benko offenbarte – und damit auch eine Abkehr von der viel gepriesenen «Pure-Player-Strategie» darstellt.
Die Problematik sollte aber auch anderen Finanzinstituten zu denken geben. Denn gerade in jüngster Zeit sind verschiedene Banken dazu übergegangen, kleineren und mittelgrossen Unternehmen Firmendienstleistungen (Corporate Finance) anzubieten, namentlich auch Kredite. Dies erweitert zwar die Service-Palette der Banken, ist aber immer auch mit höheren Risiken verbunden, besonders wenn es den Firmenkunden nicht mehr so gut läuft, was angesichts der momentan steigenden Zinsen, der anhaltenden Inflation und Konsumschwäche häufiger der Fall sein kann.