Selbst in der grössten Krise gelingt es der Schweizer Grossbank Credit Suisse nicht, sich von ihren überholten Anreizstrukturen zu verabschieden, findet finews.ch. Dabei wäre dies dringend nötig für einen Neustart.

Der zuletzt mit grösster Spannung erwartete Geschäftsbericht 2022 der Credit Suisse (CS) offenbart auf Anhieb eine gewisse Mässigung in Sachen Vergütung, insbesondere auf der Chefetage, wo die Top-Manager für das vergangene Krisenjahr keinen Bonus erhalten sollen. Und auch die Mitarbeitenden in unteren Chargen müssen sich in vielen Fällen mit weniger zufrieden geben, wie auch finews.ch am Dienstag bereits berichtete.

Gleichwohl umweht den am Dienstag veröffentlichte Report eine Geisteshaltung, die wenig Einsicht zeigt. Letztlich geht es darin doch nur wieder um vielfältigste Anreize, wie sie in praktisch allen anderen Branchen nicht oder zumindest nicht in dem riesigen Ausmass existieren.

Viele Belohnungen

Da ist von Transformations-Belohnungen die Rede, von Antrittszahlungen und weiteren Spezial-Vergütungen, die unter dem Strich dazu führen, dass sich die Gesamtvergütung gemäss Geschäftsbericht nur um 2 Prozent reduziert. Mit anderen Worten: Noch bevor die obersten CS-Verantwortlichen in Rahmen einer unumgänglichen Reorganisation auch nur irgendetwas auf die Reihe gebracht haben, werden ihnen bereits wieder happige Vergütungen in Aussicht gestellt.

Nun liesse sich argumentieren, dass die Bankbranche schon immer mit derlei Anreizsystem funktioniert hat – sofern sie funktionierte. Doch im Fall der CS präsentiert sich die Sache mittlerweile doch etwas anders. Das Unternehmen befindet sich nicht nur in der grössten Krise seiner Geschichte, sondern könnte in den nächsten Wochen und Monaten eigentliche Existenzprobleme kriegen. Noch immer fliessen Kundengelder ab, der Kurs der CS-Aktie findet keinen Boden, und eine akut ausgebrochene Regionalbanken-Krise in den USA löst Schockwellen rund um den Globus aus, die sich aufgrund der Situationen sehr stark auf die CS auswirken.

Bankbetrieb stabilisieren

Vor diesem Hintergrund wirkt der Mindset laufend neuer Anreize absurd. Sie erwecken den Eindruck, dass es im Fall der CS ausreicht, noch ein Weilchen weiter zu reorganisieren, bis dann im Courant normal der grosse Reibach winkt. Dabei ginge es nun primär darum, die Lage für einen funktionierenden Bankbetrieb zu stabilisieren.

Doch mit ihrer Anspruchsmentalität verkennen die Entscheidungsträger der CS den Ernst der Situation – sie legen ein Lohn- und Gewinnstreben an den Tag, das in der aktuellen Situation überholt respektive absolut nicht angebracht ist. Vor allem deutet diese Haltung kaum auf einen Kulturwandel hin, den das Top-Management seit Monaten propagiert.

Fahne der Nachhaltigkeit

Gleichzeitig hält die CS nach aussen die Fahne der Nachhaltigkeit hoch und überschwemmt ihre Klientel mit entsprechenden Finanzdienstleistungen. Doch diese Strategie verfängt bis jetzt nicht, zumal so viele Kundengelder noch immer abfliessen – mittlerweile ist sogar das Kerngeschäft dieser einstmals so bedeutenden Institution bedroht. Das Predigen der Nachhaltigkeit erweist sich als nutzlos, solange ihr an der CS-Spitze nicht nachgelebt wird.