Wegen einer Anfrage der amerikanischen Börsenaufsicht SEC kann die Credit Suisse den Geschäftsbericht nicht wie geplant veröffentlichen. finews.ch fragt sich: Geht es bei der bösen Überraschung bloss um eine Kleinigkeit, oder ist das Kontrollsystem weiterhin löchrig?
Dass die Credit Suisse (CS) ihren Geschäftsbericht 2022 nicht wie angekündigt veröffentlichen kann, wirft ein weiteres Schlaglicht auf die krisengeplagte Bank. Die tieferen Gründe – falls es diese gibt – weshalb die mächtige amerikanische Börsenaufsicht SEC die CS ausbremst, sind unklar. Aufgrund der jüngsten Erfahrungen kann ein neuerlicher Unruheherd nicht ausgeschlossen werden.
Die Credit Suisse beteuert am Donnerstag allerdings, dass die kurzfristig gestoppte Veröffentlichung von Geschäfts- und Jahresbericht keine Anpassung der Geschäftszahlen nach sich ziehen werde.
Ein «late call»
Tatsächlich stehen Fragen im Raum zu einem Ereignis, das auf die Jahre 2019 und 2020 zurückgeht. Im Detail geht es um eine technische Reklassifizierung von Positionen aus der konsolidierten Kapitalflussrechnung der Gruppe. Die CS soll dazu in kontinuierlichem Austausch mit der amerikanischen Börsenaufsicht SEC gestanden haben und stets alle angeforderten Informationen geliefert haben.
Um auf die am Vorabend der geplanten Publikation zusätzlich eingegangenen Nachfragen der SEC zu reagieren, hat offenbar die Zeit gefehlt. Deshalb hat sich die Bankleitung entschieden, die Publikation kurzfristig auszusetzen.
Ein Nebenschauplatz
Aufgrund dieses Hergangs ist plausibel, dass das umstrittene Ereignis eine Randnotiz bleibt und tatsächlich keinen Einfluss auf die gegenwärtige finanzielle Situation der Bank hat.
Ausserdem hat in Analystenkreisen die Kapitalflussrechnung zur Einschätzung einer Bank keinen grossen Stellenwert. Viel wichtiger als die Cash-Flows sind bei der Bewertung die Mittel einer Bank, die sich in Bilanz und Erfolgsrechnung widerspiegeln.
Allerdings mutet seltsam an, dass die SEC mit einem Jahr Verspätung die Lupe nochmals auf einen Nebenschauplatz richtet. Es könnte ein weiterer Hinweis darauf sein, dass das Kontrollsystem der Grossbank nicht funktioniert, wie es sollte. Unlängst hatte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) bei der CS schwere Versäumnisse im Zusammenhang mit dem Fall Greensill festgestellt.
Festgefahrene Diskussionen
Selbst wenn keine weitere Bombe geplatzt ist: Ärgerlich ist gleichwohl, dass die krisengeplagte Credit Suisse es offenkundig nicht fertiggebracht hat, die Diskussionen mit der SEC zu einer technischen Unklarheit aus vergangenen Jahren nicht zeitgerecht abzuschliessen.
Dabei ist es unerheblich, ob sich eine nachbohrende SEC in einem Detail verrannt hat oder ob die CS die nötigen Klarstellungen nicht rechtzeitig nachliefern konnte.
Fehlinterpretierte Risikokultur
Letztlich bleibt der Zweifel in diesem Fall nicht an der amerikanischen Börsenaufsichtt hängen. Vielmehr muss die CS nun die Scharte selbst auswetzen. Dabei macht die Bank notgedrungen keine gute Figur und muss sich einmal mehr vorwerfen lassen, das schlingernde Unternehmen in dieser heiklen Phase nicht mit sicherer Hand zu steuern. Vertrauen zu schaffen, sieht anders aus.
Es mag zwar ein gutgemeinter Ausdruck der neuen Risikokultur der CS sein, sämtliche Ungereimtheiten auszuräumen, selbst wenn dabei der Geschäftsbericht erst mit Verzögerung publiziert werden kann. Diese Vorsicht dürfte diesmal indessen fehl am Platze sein, denn die Vorwürfe zu einer schlechten Compliance kreisten bisher vor allem um das Geschäftsgebaren an der Front und weniger um die finanzielle Führung.