Mit der Übernahme der Vermögensverwaltungs-Boutique Entrepreneur Partners durch eine in der Schweiz bisher nicht aktive Holding kommt ein Stein ins Rollen. Wie es zu dieser neuartigen Partnerschaft kam, und wer die Gewinner sind, verraten die treibenden Kräfte beider Seiten im Interview mit finews.ch.
Herr Ganz, Sie haben mit Ihren Partnern in den letzten Jahren ein florierendes Unternehmen aufgebaut. Ist die Reise mit dem Verkauf von Entrepreneur Partners für die Gründer zu Ende?
Oliver Ganz: Keineswegs. Wir hatten immer den Anspruch vorauszudenken und Entwicklungen im Markt zu antizipieren. Jetzt wollten wir auch wieder frühzeitig ein nächstes Kapitel für Entrepreneur Partners aufschlagen.
Ein Anlass dafür war, dass sich das Aktionariat in den letzten 15 Jahren verbreitert hat. Durch den mit dem Wachstum steigenden Unternehmenswert wurde es zunehmend schwieriger für Jüngere, sich an der Firma zu beteiligen.
So kamen Sie ins Gespräch mit Cinerius.
Daniel T. Müller: Genau. Als sich Cinerius zum ersten Mal bei uns meldete, haben wir ihnen gesagt, dass wir an einem neuen Aktionär nicht interessiert seien. Das Gespräch löste bei uns aber einen Denkprozess aus, und wir kamen zum Schluss, dass wir mit Cinerius Financial Partners unsere Aktionärsstruktur vereinfachen und dabei unsere Eigenständigkeit langfristig erhalten können. Der Schritt wäre zwar noch nicht notwendig gewesen. In den nächsten gut zehn Jahren wäre aber eine Nachfolgeregelung auf die Agenda gekommen.
«Es fühlt sich nicht so an, als würden wir die Firma verkaufen»
Jetzt stehen wir zwar vor einem Wechsel im Aktionariat. Es fühlt sich aber nicht so an, als würden wir die Firma verkaufen. Denn wir als Gründer bleiben dem Unternehmen auch für die nächsten Jahre mit Herzblut eng verbunden, und die Kundenbeziehungen werden nicht tangiert.
Warum kam es gerade mit Cinerius zum Handschlag?
Ganz: Neben der Vereinfachung der Aktionärsstruktur überzeugte uns Cinerius mit der Strategie, zwar verschiedene unabhängige Vermögensverwalter zusammenzuführen, sie aber nach wie vor eigenständig am Markt auftreten und ihnen ihre unternehmerischen Freiheiten zu lassen. Dass solche Konstruktionen funktionieren, sieht man in den USA. Dort gibt es ähnliche Verbunde, in denen die angeschlossenen Firmen alle noch eigenständig agieren.
Müller: Ausserdem steht die Branche der unabhängigen Vermögensverwalter vor grossen Aufgaben etwa bei der IT und der Digitalisierung. Wenn diese Investitionen gemeinsam geschultert werden, kann man aus einer Position der Stärke agieren.
Herr Lieber, die Konsolidierung bei den unabhängigen Vermögensverwaltern wird in der Schweiz zwar viel beschworen. Tatsächlich bewegt sich aber relativ wenig.
Christoph Lieber: Die Konsolidierung ist wohl bisher ausgeblieben, weil jedes Unternehmen seine eigene Herkunft, Kultur und ein oft nicht einfach zu kombinierendes Geschäftsmodell hat. Zudem ist ein Management Buyout für die jüngeren Mitarbeitende eines unabhängigen Vermögensverwalters häufig finanziell nicht zu stemmen.
«Wir wollen die nächsten Transaktionen zum Grossteil in der Schweiz tätigen»
Auf der Käuferseite wiederum scheiden Banken als treibende Kräfte meistens aus. Zum einen haben sich die unabhängigen Vermögensverwalter meist nach einer Bankkarriere selbständig gemacht und streben keine Rückkehr in den Schoss einer Bank mit eher unflexiblen Kontrollstrukturen an. Zum andern suchen auch die Kunden, die sich für einen unabhängigen Vermögensverwalter entschieden haben, nicht die Nähe zu einer Bank.
Hier setzt das Modell von Cinerius an?
Lieber: Richtig, Cinerius ist eine Holding mit Mehrheitsbeteiligungen von mindestens 75 Prozent an den Partnergesellschaften. Diese bleiben aber unabhängig hinsichtlich Lizenz, Name, Geschäftsmodell, Anlagestrategie und handelnde Personen.
Der Mehrwert im Verbund stammt vor allem daraus, unseren Partnergesellschaften perspektivisch eine ganzheitliche, komfortable IT-Plattform zu bieten, um komplexe und ressourcenbindende Geschäftsprozesse zu digitalisieren. Ausserdem bieten wir bei Bedarf Unterstützung bei Rekrutierung und Administration von Personal, bei Vertrieb, Marketing und Kommunikation sowie bei Regulierungsthemen.
Cinerius hat bis jetzt ausschliesslich in Deutschland akquiriert. Wieweit können die dort benötigten Serviceleistungen auch auf die Schweiz übertragen werden?
Lieber: Es gibt zwar gewisse länderspezifische Unterschiede. Sie sind aber nicht so gross, dass sich zentrale Dienste nicht lohnen würden. Überdies wollen wir die nächsten Transaktionen zum Grossteil in der Schweiz tätigen.
«Viele werden in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter erreichen»
Ganz: Für Entrepreneur Partners mit seinen eigenen Anlageprodukten ist der Vertriebskanal nach Deutschland fast spannender als Synergien aus der Zugehörigkeit zu einem Netzwerk. Es ist aber beruhigend zu wissen, dass wir stets auf einen Pool an Fachkompetenzen zurückgreifen können.
Setzt dieser Deal nun eine Konsolidierungswelle in der Schweiz in Bewegung?
Müller: Dass Cinerius mit Entrepreneur Partners einen der grösseren unabhängigen Vermögensverwalter kauft, dürfte in der Schweiz eine neue Dynamik auslösen.
Jedenfalls ist klar, dass mit dem Übergang von der Selbstregulierung in die Finma-Welt viele unabhängige Vermögensverwalter vor neuen operativen Herausforderungen stehen. Zudem werden viele in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter erreichen und darum ihre Nachfolge regeln wollen.
Warum hat sich Entrepreneurs Partner dagegen entschieden, selber als Konsolidierer am Markt aufzutreten?
Müller: Nach der Gründung im 2008 haben wir bereits 2013 aus eigenem Antrieb eine Finma-Regulierung erhalten. Damit hätte sich Entrepreneur Partners durchaus als Konsolidierer in der Branche betätigen können. Wir waren aber häufig entweder ein zu ungleicher Partner oder Interessenten wollten mit einer Transaktion ihre Unabhängigkeit nicht verlieren.
«Die unabhängigen Vermögensverwalter haben enorm an Vertrauen gewonnen»
Ganz: Cinerius ist kein Konkurrent und kann als Holding für Unternehmen mit einer gewissen Grösse und Struktur viel flexiblere Dienstleistungen anbieten und aufgrund der Finanzkraft auch eher grössere Deals umsetzen.
Unter dem Dach von Cinerius sind jetzt sechs deutsche und ein Schweizer Vermögensverwalter vereint. Ergeben sich aus dieser starken Ausrichtung auf den deutschen Markt neue Chancen für Entrepreneur Partners?
Müller: Für Entrepreneur Partners ist der deutsche Markt quasi eine grüne Wiese, denn wir haben für den Fondsvertrieb in Deutschland weder eine lokale Vertretung vor Ort noch eine Vertriebsbewilligung. Wir werden darum mit den bestehenden Cinerius-Partnern prüfen, ob wir sie als lokale Vertriebspartner gewinnen können.
Ganz: Der deutsche Markt wird aber so oder so eher eine Ergänzung bleiben, denn wir sehen in der Schweiz über Jahre weiterhin gute Wachstumschancen.
Welche neuen Elemente bringt umgekehrt Entrepreneur Partners bei Cinerius ein?
Lieber: Entrepreneur Partners ist als starke Partnergesellschaft ein Gewinn für Cinerius und hat Signalwirkung. Dies könnte auch andere unabhängige Vermögensverwalter in der Schweiz, mit denen wir bereits in Kontakt sind, überzeugen.
Sie glauben also auch, dass der Schweizer Markt vor einer Neuordnung steht?
Lieber: Ja, die Zeit ist jetzt reif. Treibende Kräfte können neben der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg auch das Ende einer jahrelangen Börsenhausse sein. Zudem ist bei den Eigentümern hinsichtlich Bewertung auch ein gewisser Realitätssinn eingekehrt.
Die Vermögensverwalter, die jetzt gerade die Finma-Lizenzierung erfolgreich bestehen, unterstreichen damit doch eigentlich erst recht den Willen zu Eigenständigkeit?
Lieber: Das stimmt schon. Aber der Erhalt der Lizenz ist nur das eine, auch der Unterhalt der Lizenz bindet erhebliche Ressourcen. Es würde mich deshalb nicht überraschen, wenn schon bald wieder neue Formen der Kooperation gesucht werden und sich die Zahl der unabhängigen Vermögensverwalter in den nächsten fünf Jahren deutlich reduziert.
Es geht also weniger um eine Marktbereinigung als um eine Neuordnung des Marktes?
Ganz: Genau. Die unabhängigen Vermögensverwalter haben in den vergangenen Jahren enorm an Vertrauen gewonnen. Aufgrund neuer Anforderungen wie etwa der Regulierung und der Compliance müssen diese Unternehmen aber auch Dienste abdecken, die nicht zu ihren Kernkompetenzen gehören. In diesen Bereichen organisieren sich die Unternehmen jetzt neu.
Wie werden ihre Kunden auf die neue Eigentümerstruktur reagieren?
Ganz: Für unsere Kunden ist entscheidend, dass die Unabhängigkeit von der neuen Struktur nicht tangiert ist. Absolut zentral ist dabei, dass die Anlageentscheiden wie bisher eigenständig gefällt werden und die Berater, zu denen die Kunden eine langjährige Beziehung haben, weiterhin an Bord bleiben.
Aber mit dem Verkauf geben Sie unternehmerische Freiheiten auf.
Ganz: Überhaupt nicht. Cinerius ist als Holding aufgesetzt und lebt davon, in Unternehmen zu investieren, die unternehmerisch gut geführt sind und sich selbständig weiterentwickeln können. Deshalb wird sich Cinerius auch aus dem Tagesgeschäft heraushalten.
«Die Zusammenarbeit mit dem Hauptaktionär Summit ist ein Glücksfall»
Lieber: Unser Ehrgeiz besteht darin, dass wir gute Unternehmen finden. Bei diesen Engagements wollen wir aus Leuten mit Unternehmerblut keineswegs Angestellte machen. Im Gegenteil: Wir unterstützen es in Zusammenarbeit mit den Gründern, wenn bisherige Angestellte unternehmerisch noch stärker in das Unternehmen eingebunden werden.
Im Hintergrund von Cinerius steht mit der amerikanischen Summit Partners ein Vertreter aus dem Private-Equity-Bereich. Wie sehen die langfristigen Pläne mit diesem Eigentümer aus?
Lieber: Die Zusammenarbeit mit unserem Hauptaktionär Summit ist für Cinerius ein Glücksfall. Summit trägt und unterstützt unser Modell der unabhängigen Vermögensverwalter unter einem Holding-Dach, und immer mehr Vermögensverwalter erkennen die Vorteile für sich in diesem Modell. Wir wollen dieses Momentum nutzen.
Oliver Ganz hat zusammen mit Daniel T. Müller 2008 das in Zürich ansässige Unternehmen Entrepreneur Partners gegründet. Davor war er mehr als 20 Jahre lang für die Credit Suisse in verschiedenen Funktionen tätig, anfänglich in der Betriebsorganisation, später im kommerziellen Kreditgeschäft und zuletzt als Leiter des Entrepreneur-Desks im Private Banking.
Daniel T. Müller ist seit über 25 Jahren im Bankwesen tätig, vor allem in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung. Während zehn Jahren arbeitete er in verschiedenen Funktionen für die Credit Suisse im Private Banking, zuletzt als Chief Investment Officer des Unternehmer-Desks Zentralschweiz.
Christoph Lieber verfügt über langjährige Erfahrung im internationalen Wealth Management. Er war Gründer und CEO renommierter nationaler und internationaler Vermögensverwalter und Banken und viele Jahre in verschiedenen Ländern in leitender Position für UBS tätig. 2021 hat er zusammen mit Gregor Korte und Summit die Cinerius Financial Partners AG gegründet.