Die Analysten der Zürcher Kantonalbank betrachten die in der Schweiz gelisteten Unternehmen neu auch durch die Nachhaltigkeits-Brille. Wie der Finanzsektor dabei abschneidet – und weshalb Banker-Boni zu reden geben.
Die Zuständigen für Investor Relations bei Schweizer Firmen sehen bald Sterne: Die Research-Abteilung der Zürcher Kantonalbank (ZKB) unterzieht neuerdings praktisch alle der am breiten Swiss Performance Index (SPI) gelisteten Titel einem Nachhaltigkeit-Ranking.
Wie die grösste Staatsbank am Donnerstag mitteilte, untersuchen die Finanzexperten unter der Leitung von Omar Brem die Nachhaltigkeit und ESG-Konformität (nach den Kriterien Umwelt E, Gesellschaft S und Governance G) von aktuell 142 in der Schweiz kotierten Aktiengesellschaften. Dabei verteilen sie im Rahmen eines Ranking 0 bis 5 Sterne, ergänzt mit qualitativen Erkenntnissen.
Einfluss auf die Bewertung
Im Grundsatz soll das neue Rating, das ergänzend zu den traditionellen Aktienanlaysen veröffentlich wird, die ESG-Konformität des jeweils untersuchten Unternehmens widerspiegeln. Die Finanzprofis geben sich dabei überzeugt, dass Nachhaltigkeit-Aspekte einen Einfluss auf die Unternehmensentwicklung, das Investitionsrisiko und die mittel- bis langfristige Unternehmensbewertung haben.
Entsprechend berücksichtigen sie bei der Berechnung der Kapitalkosten der analysierten Unternehmen sowie des fairen Unternehmenswerts auch das jeweilige ESG-Rating.
Wer von den ZKB-Analysten fünf Sterne erhält, darf sich demnach als «ESG Leader» wähnen. Mit zwei oder weniger Sternen hat eine Firma hingegen Nachholbedarf bei ESG-Themen. Null Sterne bedeuten, dass ein Unternehmen überhaupt nicht ESG-konform ist. Letzteres Rating kommt automatisch zur Anwendung, sobald ein Unternehmen in einer von zwölf untersuchten Kategorien besonders schlecht abschneidet.
Leader sind rar
Wie sich nun in der ersten Ausgabe des «ESG-Kompass» zeigte, sind die Nachhaltigkeit-Leader am SPI noch rar. Nur gerade vier Konzerne holen fünf Sterne, und keiner von ihnen ist ein Finanzdienstleister: Der Duftstoff-Hersteller Givaudan, der Pharma-Multi Roche, das Bauchemie-Unternehmen Sika sowie der Telekomriese Swisscom. 72 der analysierten Firmen bringen es auf immerhin vier Sterne, nur 17 Firmen erhalten zwei oder weniger Sterne.
Dabei stellt die ZKB fest, dass die Finanzbranche zusammen mit dem Gesundheits-Sektor und der Industrie mithin am besten abschneiden (siehe Grafik unten). Im qualitativen Score über die drei Themengebiete E, S und G holt die Versicherungsindustrie gar am meisten Punkte, wobei etwa der Rückversicherer Swiss Re etwa mit klaren Netto-Null-Zielen für Treibhausgas-Emissionen glänzen kann.
Gerechte Vergütungen
Im Financials-Sektor überzeugen laut den Analysten die Vorteile in den Bereichen S und G, wohingegen der Bereich E aufgrund von teilweise kritisch beurteilten Finanzierungstätigkeiten von Banken unterdurchschnittlich abschneidet.
Und wie sich zeigt, interessieren sich die Kantonalbanker im Bereich Governance auch für die Banker-Boni. Im Bereich Corporate Governance spiele die gerechte und leistungsabhängige Vergütung eine wichtige Rolle, halten sie fest. «Deshalb berücksichtigen wir in unserer ESG-Analyse die relativ höchsten Vergütungen der analysierten Unternehmen.» Dabei wird die Kompensation jeweils in ein Verhältnis zur Anlegerrendite gegenüber dem Index respektive den Nettoerträgen der Unternehmen gesetzt.
Schon bald auf Anleihen ausgeweitet
Erwartungsgemäss stechen die Grossbanken UBS und die Credit Suisse hier mit besonders hohen Vergütungen für Management und Verwaltungsrat heraus (siehe Grafik unten).
Wie es am Donnerstag weiter hiess, wollen die ZKB-Analysten ihr ESG-Rating nun noch ausbauen. In einem weiteren Schritt soll die Research-Abdeckung um 29 Immobilienfonds, zwölf Immobilien-Anlagestiftungen sowie rund 100 Anleihen-Emittenten erweitert werden. Die Staatsbank folgt damit einen Trend, der sich schon im Research von ausländischen Grossbanken beobachten lässt. So betrachtete unlängst die britische Barclays die Aktien der UBS, der Credit Suisse und der Privatbank Julius Bär durch die «grüne Brille».