Im Gegensatz zu anderen Banken ist für die Union Bancaire Privée der italienische Markt ein Kerngeschäft. Dem Standort Lugano kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Kaum woanders gebe es so viel Know-how im Offshore-Private Banking, erklärt Franco Tirotta, Niederlassungsleiter der UBP in Lugano und verantwortlich für den italienischen Markt, im Gespräch mit finews.ch.
Herr Tirotta, wie geht es weiter mit dem Finanzplatz Lugano?
Wie in der übrigen Schweiz war die Corona-Pandemie sehr herausfordernd. Das hat die Stimmung beeinflusst. Doch grundsätzlich war die Finanzbranche in Lugano stets sehr agil und konnte sich schon immer rasch erholen.
Warum?
Die einzigartige geografische Nähe verbunden mit der langen Tradition, italienische Kundinnen und Kunden zu bedienen, ermöglicht es uns, von der italienischen Wirtschaft zu profitieren. Lugano verfügt über sehr viel Know-how im Offshore-Private-Banking, und wir gewinnen auch Marktanteile in anderen Ländern. Darum müssen wir zuversichtlich bleiben.
Der Marktzugang nach Italien bleibt Ihnen allerdings verwehrt.
Als Bank haben wir diese Problematik schon vor etwa zehn Jahren vorweggenommen und eine Lizenz (Libera prestazione di servizi, LPS) beantragt, die es uns ermöglicht, mit Kunden und potenziellen Kunden auf italienischem Boden in Verbindung zu treten, allerdings nur in sehr eingeschränkter Weise. In Italien hat die Union Bancaire Privée (UBP) über die Asset-Management-Sparte ausserdem ein starkes institutionelles Geschäft aufgebaut und ist in Mailand und Rom vertreten.
Wie will die UBP vom Standort Lugano aus weiterwachsen?
Wir haben dazu mehrere Felder identifiziert: Wir wollen dank unserer grossen Investment-Expertise und unserem erstklassigen Service den Anteil am italienischen Markt ausbauen. Wir können anspruchsvollen vermögenden Kundinnen und Kunden Anlagelösungen anbieten, die lokal nicht verfügbar sind. Deshalb erweitern wir unsere Teams, indem wir nach zusätzlichen, erfahrenen Kundenberaterinnen und -beratern suchen.
«Wir wollen unser Geschäft mit der lateinamerikanischen Kundschaft ausbauen»
Und schliesslich wollen wir von Lugano aus unser Geschäft mit der lateinamerikanischen Kundschaft ausbauen, weshalb wir im vergangenen Jahr einen neuen Verantwortlichen für dieses Geschäft verpflichtet haben.
Wie hoch ist der Anteil an italienischen Kunden bei der UBP in Lugano?
Er macht fast zwei Drittel aus; insgesamt verwalten wir in Lugano rund 3 Milliarden Franken an Kundengeldern. Am Standort Lugano verfügen wir nicht nur über spezialisierte Kundenberaterinnen und -berater, sondern auch über eine Vielzahl von Anlageexperten, deren Wissen unter anderem auch in unsere diskretionären Mandate einfliesst; diese haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen.
Welche Eigenschaften zeichnen den typischen italienischen Kunden aus?
Das lässt sich nicht verallgemeinern. Grundsätzlich ist es so, dass es häufig Unternehmer in der zweiten oder dritten Generation sind. Sie schätzen unsere Bank, weil sie einer Familie gehört, und weil die Besitzer ebenfalls operativ tätig und die Entscheidungswege kurz sind.
Worum get es den italienischen Kunden, wenn sie ihr Geld in die Schweiz bringen?
Rund 80 Prozent unserer Kundinnen und Kunden haben mindestens noch eine Bankbeziehung in Italien. Viele von ihnen sind Unternehmer und mit ihrem Vermögen in Italien etwas «aggressiver» investiert – entweder am Finanzmarkt oder in der eigenen Firma.
«Die Bank würde eine interessante Akquisitionsmöglichkeit im Tessin oder in Italien prüfen»
Entsprechend suchen sie mit ihrem Geld in der Schweiz den Kapitalerhalt, so dass ihr Risikoprofil eher konservativ ist. Allerdings hält sie das nicht davon ab, auch Interesse an Private Equity und anderen Privatmarkt-Anlagen zu zeigen – gerade, weil diese Investments nicht mit der Börse korrelieren, die in jüngster Zeit sehr hoch bewertet und volatil ist. Insgesamt ist das Risikoprofil der italienischen Klientel in der Schweiz aber nicht sonderlich hoch.
Schaut sich die UBP, die in den vergangenen Jahren zahlreiche Finanzinstitute in der Schweiz und im Ausland übernommen hat, auch im Tessin nach Akquisitionsmöglichkeiten um?
Unser CEO Guy de Picciotto hat verschiedentlich erklärt, dass wir uns permanent nach Opportunitäten umsehen. In diesem Sinne, und weil der Konsolidierungsprozess noch einige Jahre fortdauern wird, würde die Bank eine interessante Möglichkeit im Tessin oder in Italien durchaus prüfen.
«Ohne eine kritische Grösse wird man diese regulatorischen Anforderungen gar nicht erfüllen können»
Nicht zuletzt auch deshalb, weil ein Schlüsselfaktor in diesem Geschäft die kritische Grösse eines Unternehmens ist. Derweil konzentrieren wir uns auf organisches Wachstum und passen unser Angebot fortlaufend den sich wandelnden Kundenbedürfnissen an.
Die Finanzbranche verändert sich dermassen schnell, dass nicht alle Institute damit Schritt halten können.
Richtig. Hinzu kommen die regulatorischen Anforderungen, die grosse Investitionen in Compliance und IT erfordern. Ohne eine kritische Grösse wird man diese regulatorischen Anforderungen gar nicht erfüllen können. Diesbezüglich sind wir gut aufgestellt.
Wo liegt die Schwelle, damit ein Finanzinstitut diesen Erfordernissen gerecht wird? Wie Sie vorhin erklärt haben, verwaltet die UBP im Tessin 3 Milliarden Franken an Kundengeldern. Genügt das?
Ja, da wir die Niederlassung einer grösseren Bank sind. Wir können viele rückwärtige Dienstleistungen vom Hauptsitz in Genf beiziehen und uns hier in Lugano auf die Interaktion mit den Kundinnen und Kunden konzentrieren. Insofern ist es schwierig, eine kritische Grösse zu nennen. Sie hängt stark vom jeweiligen Geschäftsmodell ab.
«Wir suchen zusätzliche, erfahrene Kundenberaterinnen und -berater, die unsere Tradition im Tessin fortsetzen»
Es ist auch ein Unterschied, ob Sie eine Bank oder ein unabhängiger Vermögensverwalter (External Asset Manager, EAM) sind. Ein EAM mit weniger als einer Milliarde Franken an Kundengeldern wird es allein aufgrund der verschärften Regulation in Zukunft schwer haben. Für eine Bank mit mehreren Niederlassungen ist die Situation völlig anders.
Wie gross ist die UBP in Lugano aktuell, und welche personellen Ziele streben Sie in diesem Jahr an?
Wir beschäftigen in Lugano derzeit rund 30 Personen und haben 2021 unser Geschäft mit lateinamerikanischen Kunden sowie unsere Investment- und Advisory-Abteilungen ausgebaut. Nun suchen wir zusätzliche, erfahrene Kundenberaterinnen und -berater, die unsere lange Tradition im Tessin, wo wir seit mehr als 40 Jahren vertreten sind, fortsetzen.
Abbaupläne wie sie bei anderen Banken der Fall sind, ist für die UBP kein Thema?
Wir wollen wachsen. Unser CEO Guy de Picciotto hat jüngst bekräftigt, dass der italienische Markt ein Kerngeschäft für uns sei.
Welche Bedeutung hat die Digitalisierung für eine Privatbank wie die UBP?
Wir investieren viel in unsere IT-Plattform; zudem hat die Corona-Pandemie die Digitalisierung massiv beschleunigt. Wie andere Banken haben wir während der Lockdowns digitale Kommunikationsmethoden umgehend implementiert, was die Kundschaft sehr positiv aufgenommen hat und inzwischen schätzt. Unsere Interaktion mit den Kundinnen und Kunden ist stärker denn je!
Wie meinen Sie das?
Gerade in der lateinischen Kultur trifft man sich gerne persönlich und diskutiert. Das ist auch im Bankgeschäft so. Und das war in den vergangenen zwei Jahren wegen der Pandemie nur sehr begrenzt möglich.
«Das war eine grosse Chance, die wir am Schopf gepackt haben»
Die digitalen Möglichkeiten haben es uns jedoch erlaubt, eine neue Art der Kundeninteraktion zu etablieren und dabei erst noch die Quantität und Qualität dieser Kontakte zu erhöhen. Das wäre früher kaum vorstellbar gewesen. Doch die Klientel hat von Anfang an mitgemacht.
Inwiefern nahm die Qualität der Kundeninteraktion zu?
Plötzlich konnten wir die periodischen Portfolio-Reviews mit unseren Kundinnen und Kunden nicht nur auf monatlicher Basis abhalten, sondern bei diesen Video-Calls auch noch Experten aus Zürich, Genf oder London einbeziehen. Das hat die Klientel zu schätzen begonnen. Das war eine grosse Chance, die wir am Schopf gepackt haben, um unsere Kundeninteraktion weiter zu verbessern. Selbst eher zurückhaltende Kundinnen und Kunden sind darauf eingegangen.
Wie verlief die Kundenakquise während der Pandemie?
Während der Lockdowns war es zugegebenermassen schwierig, neue Kundschaft zu gewinnen. Doch wenn jemand eine Bankbeziehung eröffnen wollte, war auch hier ein Video-Call die erste Annäherung. Selbst Bewerbungsgespräche haben wir digital geführt!
«Nachhaltige Anlagen stellen einen Paradigmenwechsel im Bankwesen dar»
Es war interessant, zu sehen, wie sich eine ganze Branche, die früher eher für ihre Zurückhaltung bekannt war, sich so schnell in Richtung digital gewandelt hat.
Interessieren sich Ihre Kundinnen und Kunden auch für Kryptowährungen?
Manche von ihnen, eher in der jüngeren Generation. Ältere Kundinnen und Kunden weniger.
Können Sie auf diesem Gebiet etwas anbieten?
Wir bieten keine Beratung für Kryptowährungen oder Transaktionsausführung an, das gehört nicht zu unserem Kerngeschäft. Bis jetzt hält sich das Interesse bei unserer Klientel in engen Grenzen – zumindest hier in Lugano. Kunden, die mit Kryptowährungen handeln möchten, stehen Online-Broker zur Verfügung.
Gilt das auch für nachhaltige Anlagen?
Nein. Das ist ein sehr wichtiges Thema in unserer Bank. Nachhaltige Anlagen stellen einen Paradigmenwechsel im Bankwesen dar. Deshalb erweitern wir unser Angebot an nachhaltigen Produkten fortlaufend und integrieren entsprechende Kriterien in unser bestehendes Angebot. So hat die UBP auch ihre globalen Portfolios einem ESG-Rating unterzogen. Damit kann die Kundschaft den «Impact» ihrer Investments messen.
Franco Tirotta verfügt über 20 Jahre an Erfahrung in der Vermögensverwaltung (Wealth Management). Er wurde im Januar 2021 zum Standortleiter der UBP-Niederlassung in Lugano und zum Market Head UBP Italien ernannt, nachdem er seit September 2018 Leiter des Wealth Management Lugano war. Er stiess im Dezember 2010 von der UBS zur UBP, wo er zehn Jahre lang internationale Wealth-Management-Kunden als Relationship Manager betreut hatte.