Urs Baumann lenkt bald die viertgrösste Bank im Land und hat keine langjährige Grossbanken-Erfahrung. Warum er sich den Chefposten bei der Zürcher Kantonalbank trotzdem zutraut.
Die Nomination von Urs Baumann (Bild unten) zum Vorsitzenden der Generaldirektion der Zürcher Kantonalbank (ZKB) vom (gestrigen) Donnerstag ist eine Überraschung – nicht nur, weil die Wahl erstmals in der Geschichte des Staatsinstituts auf einen Externen fällt.
Sondern auch deshalb, weil Baumann, der in seiner Karriere nie mehr als 2’000 Angestellte aufs Mal geführt hat, nun die Verantwortung über mehr als 5’970 Mitarbeitende übernimmt. Diese Mannschaft verteilt sich übers Retail-, Firmen- und Fondsgeschäft, übers Private Banking, den Handel sowie die rückwärtigen Dienste und mit einer Tochtergesellschaft in Österreich auch über die Landesgrenzen hinaus.
Kurz: Der 54-Jährige wird eine für die Schweiz systemrelevante Universalbank leiten, welche seit ihrer Gründung im Jahr 1870 längst die Grenzen des Kantons Zürich gesprengt hat.
Von McKinsey zur CS-Tochter
Doch das traut der ZKB-Bankrat Baumann zu, und er sich selber auch. Denn mag der Finanzprofi auch keine ausgedehnte Universalbank-Erfahrung mitbringen, so blickt er doch auf eine universelle Karriere im Banking zurück – was zumindest aus Sicht des Bankrats mindestens so wertvoll ist.
Tatsächlich hat der designierte CEO in drei Kahrzehnten Karriere im Finanzwesen die unterschiedlichsten Funktionen ausgeübt: Er hatte als Berater der Firma McKinsey die Strategie für Swisscard entworfen und wurde zum ersten CEO der Kreditkarten-Tochter der Credit Suisse (CS). Bei der britischen Bank Barclays weilte er im Ausland, als Chef der kleinen Zürcher Bank am Bellevue sammelte er Erfahrung im Private Banking und dem Asset Management.
Vom Bankchef zum Unternehmer
Im Jahr 2015 verliess erabrupt das Institut; die Bank am Bellevue ist inzwischen in der Schweizer Niederlassung der Luxemburger Bankengruppe Quintet aufgegangen.
Mit den eigenen Firmen 3Horizons und Blue Earth Capital ist Baumann auch als Unternehmer unterwegs. Mit letzterer Gründung stiess er auch in den boomenden Bereich der nachhaltigen Finanzen vor – was bei der ebenfalls um Nachhaltigkeit bemühten ZKB sicher ein Pluspunkt gewesen sein dürfte. Hinzu kommen diverse Verwaltungsrats-Mandate, unter anderem bei der Zürcher Privatbank Ihag oder der Konsumkredit-Spezialistin Cembra Money Bank.
Landesweiter Anspruch
Was hat der Finanzprofi mit universeller Karriere nun für Pläne mit der Universalbank? «Zu meinen Zielen als CEO wird zählen, dass die ZKB in der Schweiz als die meist geschätzte und meist respektierte Bank wahrgenommen wird», sagte Baumann zu finews.ch. Dieser Anspruch gelte dabei sowohl in der physischen wie auch in der digitalen Welt.
Ist das die öffentliche Ansage, jetzt mit der ZKB auch schweizweit tätig zu werden? Baumann wiegelt ab. Schon heute sei die Bank im Firmenkunden-Geschäft, im Private Banking und dem Asset Management in der ganzen Schweiz erfolgreich unterwegs, gibt der designierte Bankchef zu bedenken. Was er sich aber vorstellen kann, ist die Sichtbarkeit dieser Aktivitäten zu erhöhen. Schliesslich operiert ja etwa die Basler Kantonalbank mit der Tochterbank Cler längst in der ganzen Schweiz.
Generationenwechsel an der Spitze
Ebenfalls freut sich Baumann, «zusammen mit einem starken Team zur weiteren Entwicklung der Bank beizutragen.» Was man als blosse Floskel abtun könnte, hat in seinem Fall besondere Bedeutung. Die Wahl des Banker-Unternehmers zum CEO steht nämlich auch für den Generationenwechsel in der Generaldirektion der ZKB.
Vorgänger Martin Scholl übergibt nächsten September nach mehr als 15 Jahren das Chefamt; von den acht Mitgliedern der ZKB-Generaldirektion sind sechs mindestens 59 Jahre alt oder älter; das ordentliche Pensionierungsalter bei der Bank beträgt 64 Jahre, die generelle Alterslimite liegt bei 70 Jahren.
Die Ex-CS-Bankerin Florence Schnydrig Moser, die im vergangenen Mai die Leitung über das Private Banking übernommen hat, ist die einzige Frau im Gremium. Dies, während in Schwyz und in Obwalden die Kantonalbanken schon von Chefinnen geführt werden.
Ab Juni im Stahlbad
In den nächsten Jahren wird es demnach darum gehen, das Management markant zu verjüngen. Bei der Staatsbank geschieht dies nach einem Generalstabs-mässig geplanten Prozess, bei dem kein Detail dem Zufall überlassen wird. Am Schluss entscheidet der politisch zusammengesetzte Bankrat, wer zur Generaldirektion zugelassen wird. Auf dieser Basis hat Bauman eine neue, schlagkräftige Bankenspitze zu formen.
Bekannt ist, dass es auch interne Kandidaten für die Nachfolge von Scholl gab. Doch am Ende machte ein Externer das Rennen um den Spitzenjob, der auch finanziell einschenkt: ZKB-Chef Scholl hatte letztes Jahr inklusive Vorsorge-Leistungen mehr als 2,3 Millionen Franken verdient.
Baumann sprach anlässlich seiner Wahl am Donnerstag von einem Wechselbad der Gefühle: Wehmut, aber auch Stolz auf die neue Aufgabe. Am 1. Juni 2022 beginnt für ihn das «Stahlbad» der Einführung in die neue Funktion, die wohl noch so einiges an Emotionen für ihn bereithält.