Das Schweizer Private Banking besticht nicht nur mit rekordverdächtiger Gewinnkraft. Endlich ist auch ein vitaler Treiber zurück, der seit dem Steuerstreit versiegt schien.
Der Rekordlauf war angekündigt. In seinem Ausmass überrascht er dennoch: Eine Schweizer Vermögensverwaltungs-Bank nach der anderen liefert dieser Tage gute bis sehr gute Halbjahreszahlen ab. Dabei können sich nicht nur die Gewinne sehen lassen, sondern auch die Volumen; auffällig ist insbesondere das Neugeschäft, welches das «echte» Wachstum der Branche markiert.
Hier sind dem Swiss Private Banking zuletzt erkleckliche Summen von Kunden anvertraut worden. Im zweiten Quartal waren es bei der Marktführerin UBS im Kerngeschäft mit der Globalen Vermögensverwaltung (GWM) 25 Milliarden Dollar an gebührengenerierendem Neugeld. Hinzu kamen weitere 9 Milliarden Dollar im Fondsgeschäft.
Frische Milliarden
Beim Zürcher Traditionshaus Julius Bär verdoppelte sich das Neugeld zum Vorjahr auf 10 Milliarden Franken, während die Konkurrentin EFG im vergangenen Halbjahr rund 4,2 Milliarden Franken einsammelte und damit übers eigene Ziel hinausschoss. Selbst die Genfer UBP, die mit der Zinsmarge zu kämpfen hatte, erhielt von der Kundschaft zwei frische Milliarden Franken zugesprochen.
Wohlgemerkt, das Neugeldwachstum bewegt sich weiterhin im einstelligen Bereich, und die neuen Volumen vermögen nicht zu kaschieren, das selbst Grössen wie die UBS im Private Banking mit schmelzenden Margen konfrontiert sind. Aber: In diesem Sommer ist das «Net New Money» plötzlich zurück als Faktor in der Rechnung der Privatbanken – und das nach langer Abwesenheit. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass das Schauspiel nur von kurzer Dauer sein könnte.
Krux der Weissgeld-Ära
Denn das ist die Krux der Weissgeld-Ära: Der Zustrom von Geldern in die Branche ist seit dem faktischen Ende des Bankgeheimnisses versiegt. Dass die verwalteten Vermögen trotzdem wuchsen, hatte die Branche vorab dem seit der Finanzkrise von 2008 andauernden Bullenmarkt an den Börsen zu verdanken. Dieser liess die investierten Kundengelder immer weiter anschwellen. Wird jedoch die Marktperformance herausgerechnet, zeigt sich ein ernüchterndes Bild.
Wie die Beratungsfirma McKinsey vergangenes Jahr aufzeigte, lag das Neugeldwachstum 2019 bei 1 Prozent, gegenüber 7 Prozent im Jahr 2007. Die Ertragsmarge sank in der Frist von 97 auf 80 Basispunkte. Die Kostenmarge ging von 59 zu 58 Basispunkten aber nur unwesentlich zurück. Insgesamt, rechneten die McKinseyaner vor, lag der Profit-Pool des Swiss Private Banking satte 50 Prozent unterhalb des Niveaus von 2007.
Neugeld zählt nicht mehr
Das blieb für die Branche natürlich nicht folgenlos. Das fehlende organische Wachstum befeuerte einerseits Akquisitionen: Auf personeller Ebene mittels Abwerbung ganzer Teams von der Konkurrenz, auf Institut-Ebene mit einer steten Konsolidierung. Seit dem Jahr 2010 hat sich die Anzahl Privatbanken so um fast 40 Prozent verringert. Vor einem Jahr zählte der Schweizer Finanzplatz noch genau 100 solche Institute.
Anderseits führte die Wachstums-Dürre zu teils absonderlichen Verdrängungsakten. So die Praxis, Neugelder über Divisionen hinweg mehrfach zu buchen – was hierzulande bei entsprechender Deklarierung erlaubt ist, aber im Ausland auf Missfallen stiess. Führende Private Banker erklärten derweil, dass Neugeld als Kennzahl trügerisch sei und wollten mit ihren Instituten nicht mehr darauf behaftet werden.
Jetzt, wo die Kundengelder wieder üppiger fliessen, sind diese Voten auf wundersame Weise verstummt.
Handel als Indikator
Derweil stellt sich die Frage, ob der Zustrom für die Branche nachhaltig ist. Aus den Quartalsberichten der Banken ist herauszulesen, dass die Kundenaktivität viel mit der Börsenlage und der positiven Anlegerstimmung zu tun hat – dieselbe Kraft, die den für die Institute ebenfalls lukrativen Wertschriftenhandel antreibt. Hierzu haben die Vermögensverwaltungs-Banken schon gewarnt, dass die Handelsvolumen über den Sommer zurückgehen werden. Geschieht mit dem Neugeld dasselbe?
Angesichts solcher Unsicherheiten wird es für die Branche noch wichtiger, mehr aus den schon eingesammelten Vermögen herauszuholen. Aus Kundensicht sollte dies zuerst bei der Rendite geschehen. Doch den Banken ist auch an mehr und vor allem steten Einkünften gelegen.
Noch keine Strategie
Wie die UBS am (gestrigen) Dienstag meldete, ist es der Grossbank gelungen, ihren Kunden mehr höhermargige Finanzprodukte sowie Mandate zu verkaufen, die regelmässige Gebühren abwerfen. Die grösste Privatbank der Welt hat dort noch einigen Nachholbedarf.
Von den 3’230 Milliarden Dollar an verwalteten Vermögen in der Sparte GWM werfen nur 1’461 Milliarden Dollar Gebühren ab – etwas mehr als ein Drittel. Etwas besser unterwegs ist in dieser Disziplin Julius Bär, wo mehr als 56 Prozent der Kundenvermögen schon in solchen Lösungen parkiert sind.
Doch auch Mandate sind am Ende nur eine Massnahme, um die bestehende Ertragskraft zu stabilisieren. Eine Strategie für die Zukunft sind sie nicht. Umso mehr sollten Bankchefs die Verschnaufpause, die ihnen die Märkte gerade liefern, zum Nachdenken nutzen.
Fokus statt Wachstum
Eine Frage wäre auch diejenige nach dem Fokus: Wofür steht «man» eigentlich? Ist das Institut ein Voll-Service-Anbieter wie eine UBS oder Credit Suisse, eine Vertriebsbank, die alles auslagert ausser dem Kerngeschäft – oder ein Spezialanbieter mit exklusiver Expertise? Ist die Antwort gefunden, gilt es, die Prozesse danach auszurichten, und, vor allem, auf die Kunden zu fokussieren. Das Neugeld könnte sich dann ganz von selbst einstellen.
Ansonsten beginnt wieder der Verdrängungswettbewerb, sobald der Geldstrom versiegt. Das kann aber für die Branche letzlich nicht von Vorteil sein.