Der mutmassliche Vergewaltigungsfall um eine ehemalige Mitarbeiterin in Grossbritannien holt die UBS erneut ein. Ein Gerichtsurteil zeigt erneut auf, dass die Bank eine transparente Aufarbeitung nicht wollte.

Die Klage eines mutmasslichen Vergewaltigungsopfers in Grossbritannien konnte die UBS im vergangenen Jahr mit einer aussergerichtlichen Einigung beilegen. Doch der Fall aus dem Jarh 2017 holt die UBS nun wieder ein.

In einem zunächst in der «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) öffentlich gemachten Urteil wirft der Richter der Schweizer Grossbank Intransparenz und Rosinenpickerei vor. Dem Opfer muss die UBS nun Einsicht in einen Untersuchungsbericht geben, welchen die Anwaltskanzlei Freshfields durchgeführt hatte. Das Opfer hatte vor einem Arbeitsgericht um Einsicht in den Bericht geklagt.

Opfer befragt

Die UBS hatte 2018 eine Anwältin von Freshfields eingesetzt, um zu untersuchen, ob die Bank bei der Behandlung ihrer Mitarbeiterin und der Aufarbeitung des Falles Fehler gemacht hatte. Die junge Frau hatte einem Vorgesetzten bei der UBS beschuldigt, sie nach einem Barbesuch vergewaltigt zu haben.

Sie meldete dies sowohl der Polizei als auch der UBS. Weil sie enttäuscht und verletzt war, wie die UBS ihren Fall intern behandelt hatte, ging die junge Frau im Sommer 2018 damit an die Öffentlichkeit.

Nicht alle Ergebnisse gezeigt

Die von der UBS eingesetzte Anwältin befragte das mutmassliche Opfer. Dieses hatte dazu eingewilligt, nachdem ihr hochrangige UBS-Mitarbeiter aus der Personalabteilung versichert hatten, die betreffende Kanzlei sei nicht als Rechtsbeistand der Bank angeheuert worden.

Im Anschluss erhielt die junge Frau zwar eine abschliessende Zusammenfassung des Berichtes. Die UBS weigerte sich aber, ihr den gesamten Bericht zu übergeben. Dagegen ging sie gerichtlich vor.

UBS könne sich Privilegien nicht aussuchen

In dem finews.ch vorliegenden Urteil von 2019 hielt das Gericht fest, dass die UBS unfair gehandelt habe. Die Rüge ist erheblich. Darin heisst es: Die Bank könne sich ihre Privilegien nicht aussuchen und Rosinenpickerei betreiben, welche Details sie zum Fall mit dem Opfer teilen wolle und welche nicht.

Sowohl die Bank als auch die Anwaltskanzlei gaben keinen Kommentar ab.

Fehler der UBS

Das Urteil wirft einmal mehr kein gutes Licht auf die UBS und ihre Rolle bei der Behandlung dieser mutmasslichen Vergewaltigung. So hatte die Grossbank von Beginn weg versucht, diese als internen Vorfall darzustellen, der nicht an die Öffentlichkeit gehöre.

Anstatt proaktiv vorzugehen, liess die UBS eine entschlossene Aufarbeitung vermissen. Im Gegenteil: Weil das Opfer sich allein gelassen fühlte, kamen Details über die Medien an die Öffentlichkeit. Die UBS hinterliess dabei den Eindruck einer mit der Situation völlig überforderten Institution.

So geht aus dem Urteil hervor, dass der damalige Chef der Investmentbank, Andrea Orcel, nicht wusste, das die Anwältin für Freshfields gearbeitet habe. Das Opfer hatte nach den Gesprächen der Anwältin und der UBS vorgeworfen, die Untersuchung diene nur dem Zweck, die UBS von allen Vorwürfen reinzuwaschen.

Schlichtungsbehörde untersucht weiter

Sie verklagte die Grossbank im März 2019 auf Schadenersatz wegen mangelndem Schutz vor sexueller Belästigung, Diskriminierung, Schikanierung sowie Missbrauch persönlicher Daten. Diese Klage konnte die UBS im Juni 2020 mit einer aussergerichtlichen Lösung beilegen.

Doch der Fall und die Rolle der Freshfields-Anwältin werden weiterhin von einer Schlichtungsbehörde untersucht.