Die Privatbank J. Safra Sarasin hat sich unter der Kontrolle der brasilianischen Safra-Familie zu einem sehr fitten Haus entwickelt. Und zur derzeit übernahmehungrigsten Schweizer Bank.
«Wir sind hungrig nach Deals»: Die Privatbank J. Safra Sarasin wiederholt dieses Statement aus dem Geschäftsbericht von 2014 in verschiedenen Variationen immer wieder.
Die brasilianische Safra-Familie, welche die Basler Traditionsbank im Jahr 2012 für über 1,1 Milliarden Dollar gekauft hatte, verfolgt das ambitionierte Ziel, ein ernstzunehmender Player im globalen Private Banking zu sein.
Die Jagd wird fortgesetzt
Die diese Woche bekannt gegebene Übernahme der asiatischen Private-Banking-Aktivitäten der Bank of Montreal unterstreicht diese Ambition – und auch diese Gelegenheit nahm J. Safra Sarasin wahr, um der Welt mitzuteilen, dass die Jagd auf Konkurrenten weitergeht.
Während andere Banken also nur davon sprechen, M&A-Opportunitäten im Markt wahrnehmen zu wollen, handelt J. Safra Sarasin. Die Bank ist nach Julius Bär die zweitaktivste Konsolidiererin unter der Schweizer Konkurrenz, wie aus finews.ch vorliegenden Daten der Beratungsgesellschaft KPMG hervorgeht.
105 Milliarden eingekauft
Seit dem Jahr 2010 hat das in Basel ansässige Haus über 105 Milliarden Franken an Kundengeldern eingekauft. Nicht mitgezählt sind Transaktionen, die nicht öffentlich gemacht worden sind.
J. Safra Sarasin übernahm unter anderen die Schweizer Private-Banking-Aktivitäten von Morgan Stanley und der Bank Hapoalim, sie kaufte das Luxemburger Geschäft der Bank Leumi, die Aktivitäten der Credit Suisse auf Gibraltar und in Monaco jene von Lombard Odier auf Gibraltar.
Finanzielle Kraft
Die Genfer Union Bancaire Privée stemmte gemäss KPMG in den letzten zehn Jahren zwar mehr Deals, aber deutlich weniger Volumen. Julius Bär tätigte derweil 13 Übernahmen mit mindestens 115 Milliarden Franken verwalteten Vermögen.
Dass sich J. Safra Sarasin auf seiner anhaltenden M&A-Jagd finanziell übernimmt, ist kaum die Gefahr. Kontrolliert wird die Bank von einer der reichsten Familien der Welt. Der im letzten Dezember im Alter von 82 Jahren verstorbene Joseph Safra galt mit einem Vermögen von über 23 Milliarden Dollar als einer der reichsten und auch mächtigsten Banker der Welt.
Die Familie kontrolliert auch Teile des Bananen-Konzerns Chiquita, besitzt das berühmte «Gherkin»-Hochhaus in London und führt in den USA mit der Safra National Bank einen weiteren Wealth Manager.
Gewinnanstieg und Rückstellung
Auch die Bank J. Safra Sarasin verdient ordentlich viel Geld: Zum ersten Halbjahr 2020 verfügbare Geschäftszahlen zeigen einen Gewinnanstieg von 5 Prozent auf 191,5 Millionen Franken. Den finews.ch vorliegenden Zahlen ist auch eine Rückstellung von 109 Millionen Franken zu entnehmen.
J. Safra Sarasin gab keine detaillierten Gründe für diese «für allgemeine Risiken» getätigte Rückstellung an. Doch ist die Bank in mehrere Geldwäschereifälle verwickelt. Gleichzeitig verbuchte die Bank einen ausserordentlichen Gewinn von 103 Millionen Franken aus Immobilienverkäufen in Genf.
Schlank, dank Kosten-Regime
Eine Kennzahl, welche andere Schweizer Konkurrenten vor Neid erblassen lassen müsste, ist die Cost-Income-Ratio von J. Safra Sarasin: Mit 55 Prozent bewegt sie sich auf rekordverdächtigem Terrain, in welchem sich sonst eher die Retailbanken bewegen. Handkehrum gelangen aus dem Inneren der Bank immer wieder Gerüchte über ein überaus hartes Kosten-Regime nach aussen.
Das Institut selber begnügt sich in der Kommunikation auf das absolut Nötigste: Als der frühere UBS-Topshot Jürg Haller vor 15 Monaten Verwaltungsratspräsident wurde, war dies immerhin eine Pressemitteilung wert. Wenige Wochen später ersetzte Daniel Belfer als CEO Edmond Michaan, der innerhalb der Familien-Holding eine neue strategische Aufgabe übernahm.
Schmerzhafter Stachel: Deutschland
Ansonsten folgt die Privatbank dem Branchen-Credo der Diskretion: Es gelangt so gut wie nichts an die Öffentlichkeit. Insofern gelang es J. Safra Sarasin grosse Schlagzeilen zu vermeiden, als die Bank im Jahr 2017 ihren Rückzug aus den Onshore-Aktivitäten in Deutschland beschloss.
finews.ch meldete diesen schmerzhaften Schritt seinerseit exklusiv – die Bank liess ihn damals unkommentiert. Der Stachel sass tief, steckte das Institut damals noch tief in den juristischen Auseinandersetzungen mit deutschen Kunden im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal.