Nach jahrelangen halbbatzigen Versuchen mit Mobile-Banking entwickelt sich in der Schweiz langsam ein Markt mit originalen Finanz-Apps. Was diese gegen sogenannte Super Apps ausrichten können, ist aber eher dürftig.
Dem abgeblasenen Börsengang der Ant Group in China wird im Westen mehr Beachtung geschenkt, als Ant Group als Firma selber. Ein Fehler: Die Ant Group hat das Potenzial, den traditionellen Bankensektor zu verdrängen.
Ant ist – mit der Integration von Ali Pay – eine Super App. Der Begriff der «Super App» stammt ironischerweise von Mike Lazaridis, dem Gründer des inzwischen untergegangenen Smartphone-Pioniers Blackberry. Er umschreibt, was heute auch auf dem Schweizer Finanzplatz in aller Munde ist: Ein Ökosystem. Nur dass Super Apps ein Ökosystem verschiedenster Apps bilden; so wie Ant (vormals Ali Pay) oder WeChat.
Ant hat eine Bank
Beide gelten als die Vorzeigebeispiele von Super Apps, weil sie in einer Anwendung eine ganze Reihe von Dienstleistungen und Kaufmöglichkeiten bieten, für die ein Schweizer Nutzer ein Dutzend Apps bräuchte: Zahlungen und Banking, Online-Shopping, Taxifahren, Social Media.
Schweizer und westliche Banken mögen Ant nicht besonders ernst nehmen: Schliesslich ist Ant keine Bank. Ant verfügt aber über eine Bank im Hintergrund, die MyBank. Ant ist aber kein Finanzinstitut, es ist kein Vermögensverwalter, keine Sparkasse und kein Versicherer.
Drei Charakteristiken
Aber Ant kann das alles, wie der renommierte Fintech-Analyst Chris Skinner schrieb. Ant bietet Technologien und die App ist ein Ökosystem verschiedenster technologiegetriebener Dienstleistungen.
Das Beratungsunternehmen KPMG hatte in einer vergangenes Jahr geschriebenen Studie zu Super Apps drei Charakteristiken ausgemacht:
Erstens, Super Apps schieben sich zwischen Bank und Kunde. Die Bank ist nur noch Dienstleister – ohne direkten Kontakt zum Kunden. Zweitens sind Datenmanagement und -auswertung bei Super Apps so ausgereift, dass sie effektiv bessere Dienstleistungen für Kunden erbringen.
Schweiz wacht langsam auf
Und drittens haben Super Apps wie Ant und Wechat als Marke die Finanzdienstleister wie Mybank oder Webank verdrängt. Es sind die Banken, welche nun die Marken Ant und Wechat nutzen, um Kunden zu gewinnen und Vertrauen aufzubauen.
Schweizer Finanz-Apps haben dem noch sehr wenig entgegenzusetzen. Es waren Neobanken wie Revolut und N26, welche dem hiesigen Mobile-Banking zu einer Art Weckruf verhalfen. Die frühen Banking-Apps waren noch vielfach ein aufs Smartphone übertragenes Online-Banking. Inzwischen sind einige Apps erhältlich, welche sich konsequent an Nutzergewohnheiten auf dem Smartphone orientieren. Twint, zum Beispiel, Zak oder auch die Vontobel-App Volt.
Angebote zielen am Trend vorbei
Die Credit Suisse startete mit CSX eine Smartphone-App, die als Konkurrenz zum Banking à la Revolute positioniert wird. Swissquote und Postfinance planen eine eine gemeinsame Banking-App auf nächstes Jahr.
Doch solche Angebote zielen gemäss KPMG am grossen Nutzertrend vorbei. Die Berater sehen ein zunehmendes Bedürfnis nach Super Apps auch im Westen. Smartphone-Nutzer seien die Fragmentierung von Services und Dienstleistungen, die sich in Dutzenden von Apps äussert, satt.
Die Autoren streichen den momentanen Vorteil heraus, dass es im hiesigen Markt schlicht noch keine Super App gibt, was Chancen für «First mover» biete.
Strukturen und Mentalität noch nicht soweit
Allerdings brauche es bis zur Super App auch «Super Schritte», sprich: Strukturen und Mentalität sind im westlichen Banking noch nicht soweit, um eine Super App zu entwickeln.
Dies wären laut KPMG nötige Voraussetzungen:
1. Partnerschaften und Ökosysteme
Super Apps sind das Gegenteil der nach wie vor vorherrschenden vertikalen Strukturen in der Finanzindustrie. Denn Super Apps sind von der Nutzererfahrung getrieben. Banken müssen sich horizontal entlang der Kundenbedürfnisse entwickeln. Der Wert eines Ökosystems müsse ähnlich genau gemessen werden wie die Grösse der Bankbilanz.
2. Daten und Schnittstellen
Ohne offene Schnittstellen und das Teilen von Kundendaten gäbe es keine Super Apps. Banken müssen sich sowohl intern als auch extern öffnen, um eine offene Datenarchitektur zu erhalten, die genutzt werden kann.
3. Analysefähigkeiten
Über Daten zu verfügen und diese Daten zu nutzen, sind zwei sehr verschiedene Dinge. Datenmanagement und -analyse stecken bei Banken noch mehrheitlich in den Kinderschuhen. Investitionen sind notwendig.
4. Eine Zukunftsvision
Die grosse und entscheidende Frage lautet: Will eine Bank das Front-Office einer Super App bilden oder sich ein reguliertes Teil der Infrastruktur einer Super App werden. Um dies zu entscheiden, braucht es für die jeweilige Bank eine Zukunftsvision, um die Entwicklung in die entscheidende Richtung voranzutreiben.