In der italienischen Region Reggio Emilia gibt es eine Bank, die Kredite an die Parmesan-Hersteller vergibt. Spannend daran: Die Sicherheit für die Kredite wird in Käse geleistet.
Grundsätzlich ist die italienische Credito Emiliano (Credem) eine normale italienische Bank, mit Retail-, Firmen- und Privatkundengeschäft, rund 50 Milliarden Franken Kundengeldern und fast 1,1 Milliarde Franken Ertrag im letzten Jahr.
Doch gerade das Firmenkundengeschäft weist eine Besonderheit auf, die wohl weltweit einzigartig sein dürfte: Credem vergibt den italienischen Parmesan-Herstellern Kredite und bewahrt dafür den Käse als Sicherheit auf.
Das muss sie, haben viele dieser Hersteller – meist einfache Bauern mit wenig Bezug zu Banken und einem klaren Fokus auf die Landwirtschaft – doch häufig keine Sicherheiten. Doch Liquidität brauchen sie. Denn ihr Käse – der weltberühmte Parmigiano Reggiano – wird jeweils 18, 24, 30 oder 36 Monate lang gelagert, bis er verkauft wird. Über diese Zeit muss sich das Unternehmen irgendwie finanzieren können. Die Harvard Business School hat vor ein paar Jahren eine Studie über das Betriebsmodell der Bank verfasst, über die das «Forbes»-Magazin damals berichtet hat.
Win-Win-Situation
Die Parmesan-Sicherheit ist für beide Seiten eine Win-Win-Situation: Die Bank verringert das Risiko, ihren Kredit abschreiben zu müssen, und die Unternehmen kommen günstig an Geld.
Und letztere profitieren zusätzlich: Da die Parmesan-Räder in zwei bankeigenen Lagerhäuser gelagert werden, die Lagerkapazität für 440'000 80-Pfund-Käselaibe bieten und über modernste Klimakontrollen und einen Stab geschulter Inspektoren verfügen, sparen die Hersteller Lagerkosten.
Bei Verzug wird verkauft
Das funktioniert folgendermassen: Credem akzeptiert jungen Käse als Sicherheit und bewertet ihn zum aktuellen Marktpreis von reifem Käse. Der typische Belehnungssatz liegt bei 70 bis 80 Prozent, was die Bank gegen Marktpreisschwankungen und Produktverschlechterungen absichert.
Während des Reifeprozesses erleidet ein Prozent des Käses eine Qualitätsminderung (falls der Käse zum Beispiel Blasen bildet oder zerbröckelt), die eine Herabstufung des Wertes erforderlich macht. Da der Käse unter dem eigenen Dach reift, ist sich die Bank ständig bewusst, was das Produkt wert ist. Kommen Produzenten mit ihren Krediten in Verzug, verkauft die Bank ihre Sicherheiten nach der Reifung.
Margin Call mit Käse
Einer der Autoren der Studie, Nikolaos Trichakis, bezeichnete den Fall als Paradebeispiel dafür, wie eine Finanzierungsinfrastruktur auf die betrieblichen Merkmale einer Lieferkette zugeschnitten werden kann: «Die Produzenten haben sehr lange Vorlaufzeiten», so Trichakis. «Sie haben im Grunde genommen Betriebskapital, das für zwei Jahre an Lagerbestände gebunden ist.»
Durch die Bank erhalten die Hersteller Kreditlinien. Und aus deren Sicht sei das Modell fast risikofrei, da sie die Sicherheiten während der ganzen Zeit, in der der Käse altert, in ihrem Besitz habe. In dem Moment, in dem sie Probleme – wie zum Beispiel Blasen – sehe, kann sie den Wert der Sicherheit neu berechnen, und im Falle des Falles die Produzenten anrufen und eine Art Margin Call auslösen.
Shakespear hallt immer noch nach
Daneben wird der Platz im Lager in Montecavolo di Quattro Castella im italienischen Reggio Emilia auch an Produzenten verliehen, die einfach nur Platz und keinen Kredit brauchen.
Auch wenn das ganze Käsegeschäft nur rund ein Prozent von Credem ausmacht, hilft es der Bank enorm in Sachen Marketing. «So wird Credem als Bank wahrgenommen, die sich um die Gemeinschaft, die Region und die Produzenten kümmert», so Trichakis.
Die Kreditvergabe sei etwas, das den Menschen in Italien nicht wirklich gefalle: «Sie denken an Wucher und dann den gierigen Shylock in Shakespeares 'Der Kaufmann von Venedig'.» Viele Menschen nähmen Kreditgeber und Banken immer noch auf diese Weise wahr, darum sei es für eine Bank also von Bedeutung, dass sie ihren Wert für die Gemeinschaft zur Geltung bringen kann.