Die Genfer Privatbank Lombard Odier hat im Corona-Halbjahr einen rekordverdächtigen Gewinn erzielt. Die Nähe zu den Kunden habe sich bezahlt gemacht, sagt Teilhaber Patrick Odier zu finews.ch.
Nach dem besten Halbjahresergebnis seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2014 ist die Genfer Privatbank Lombard Odier im laufenden Jahr 2020 auf Rekordkurs.
Der Reingewinn von 119 Millionen Franken bedeutet eine Steigerung gegenüber der Vorjahresperiode um 65 Prozent. 2018 war der Erstsemester-Gewinn zwar noch höher gewesen. Allerdings hatte Lombard Odier damals die Verkaufserlöse von Liegenschaften mit eingerechnet.
Im von den Corona-Turbulenzen gekennzeichneten ersten Halbjahr 2020 war Lombard Odier operativ stark. Der Betriebsertrag stieg wegen der starken Kundenaktivitäten um 16 Prozent auf 674 Millionen Franken. Da die Bank ihre Kosten fest im Griff hielt, resultierte der Gewinnsprung.
Hohes Kundenvertrauen
Im Gespräch mit finews.ch zeigte sich Senior Managing Partner Patrick Odier aber bescheiden – von Gewinner- und Rekordlaune keine Spur. «Das erste Halbjahr 2020 war gekennzeichnet durch eine hohe Komplexität, hohe Volatilität und hohe Risiken», sagte er rückblickend.
Es seien die spezifischen Eigenschaften und Leistungen der Bank, welche sich in der Krise ausbezahlt hätten.
«Die Solidität der Bank und die Investitionen in unsere Anlageexpertise haben sich besonders bezahlt gemacht: Die Kunden haben uns in der Covid-19-Krise vertraut. Anstatt auf die Marktturbulenzen bloss zu reagieren, liessen sie sich von uns leiten.»
Börsencrash kostete Kundengelder
Odier hob insbesondere die auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Kundenportfolios sowie den Fokus der internen Strategie auf alternative Anlagen als wichtige Faktoren für den Erfolg in dem von hoher Marktvolatilität gekennzeichneten Semester hervor. Und den Einsatz von Technologie.
So macht Lombard Odier das in den letzten Jahren aufgebaute Daten Management den Kunden zugänglich, indem die Bank ihnen jeweils ein Cockpit mit den verschiedensten makroökonomischen Daten anbietet – laut Odier waren es zuletzt auch Gesundheitsdaten gewesen.
Ganz ohne Schrammen kam Lombard Odier in der ärgsten Corona-Krise nicht davon. Die verwalteten Vermögen sanken um 3 Prozent auf 290 Milliarden Franken, was auf die negative Marktperformance zurückzuführen ist.
Zürich als Neugeld-Treiber
Neugelder holte die 1796 gegründete Bank dennoch, und zwar im respektablen Umfang von 6 Milliarden Franken. Davon stammen 4 Milliarden Franken von reichen Privatkunden, 2 Milliarden von Institutionellen.
«Der Standort Zürich war für einen guten Teil des Neugeld-Wachstums verantwortlich«, sagte Odier. «Dies bekräftigt uns darin, weiterhin in den strategischen Ausbau zu investieren.» Seit Dezember 2019 ist der frühere Credit-Suisse-Banker Andreas Arni Verantwortlicher für Lombard Odier in Zürich.
Für strategische Anpassungen sieht Odier keinen Bedarf. Die Bank hat sich als Investment-Spezialistin mit Fokus auf Nachhaltigkeit positioniert und unterhält als drittes Standbein auch ein Technologie-Geschäft, in das laufend weiter investiert werde.
Vorsichtiger Optimismus
Gut möglich aber, dass die Traditionsbank ihre Angebotspalette im Stillen am Erweitern ist – und zwar im Krypto- oder Digital-Assets-Bereich. Denn seit vergangenem April ist Lombard Odier am Genfer Spezialisten für Custody-Lösungen für Digital Assets beteiligt, der Taurus Gruppe. Depotdienstleistungen im Bereich Kryptowährungen anzubieten, ist für viele Privatbanken der erste Schritt im Aufbau einer entsprechenden Angebotspalette.
Odier hält sich dazu bedeckt. «Blockchain und Digital Assets spielen eine zunehmend wichtige Rolle bei der Revolutionierung zahlreicher Aspekte der Bankdienstleistungen für unsere Kunden. Deshalb haben wir uns zur Investition in Taurus Group entschieden, deren Gründer sich durch ihre fachliche Expertise auszeichnen. Das Investment in Taurus erlaubt es uns, zukünftig an vorderster Front der technologischen Entwicklung in den Bereichen Blockchain und Digital Assets zu stehen.»
Ob Lombard Odier auch im zweiten Halbjahr den Rekordkurs beibehalten kann, bleibt offen. Vorsichtig optimistisch sei man, so der Senior Managing Partner. Klar ist, dass die Kundenaktivitäten im vergangenen Juli und im August nicht mehr so hoch waren, wie im März und im April.