Viele Banken meinen, es reiche, wenn man seine Botschaften über Twitter und Facebook verteile. Doch das genügt bei weitem nicht. Der Schritt in die neue digitale Welt bedarf einer umfassenden Vorbereitung.
Dirk Elsner war mehrere Jahre Banker, er ist heute Unternehmensberater und betreibt den «Blick Log», einen Weblog über Wirtschaft, Finanzen, Management und mehr. Er schreibt ab heute auch für finews.ch.
Während sich die Debatte der letzten Monate vorwiegend um die Konsequenzen aus der Finanzkrise und das enge Korsett einer neuen Finanzordnung dreht, hat unter den Stichworten «Web 2.0-Banking» und «New Business Solutions» eine vielversprechende Entwicklung Fahrt aufgenommen.
Besondere Merkmale dieser Entwicklung sind die Nutzung so genannter Social-Web-Technologien in der Kommunikation und vor allem eine erweiterte Philosophie im Umgang mit Kunden. Diese zeichnet sich durch offene und gleichberechtigte Kommunikation, hohe Transparenz über Leistungen und Gegenleistungen sowie Einbeziehung der Kunden in den Leistungsprozess aus.
Angeschlagenes Vertrauensverhältnis
Immer mehr Dienstleister versuchen derzeit, mit diesen Ansätzen in das angeschlagene Vertrauensverhältnis zwischen Banken und Kunden einzudringen. Diese Entwicklungen werden oft unterschätzt, weil die meisten Finanzentscheider der Generation 40+ angehören und den neuen Instrumenten skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen.
Finanzhäuser sollten aber nicht übersehen, dass die stark wachsende Gruppe der «Digital Natives» zunehmend in Entscheiderpositionen Platz nehmen wird. Durch das Aufwachsen mit dem «Netz» erwartet diese Generation eine ganz andere Form der Information und Kommunikation. Verschlossenheit, Intransparenz und mangelnde Einbeziehung werden zu einem Ausschlusskriterium und als Schwäche gewertet. Dabei bietet eine sorgsam geplante und dosierte Annäherung an die neuen Möglichkeiten erhebliche Chancen.
Kreative Module
Inhaltlich geht es aber nicht darum, wie häufig zu lesen ist, die bisherige Kommunikation um neue Kanäle zu erweitern. Viele Häuser meinen, es reiche, wenn man seine Botschaften über Twitter und Facebook zusätzlich verteile. Dies ist nicht ausreichend, weil so für traditionelles Kommunikationsverhalten nur neue Kanäle eingesetzt werden.
Der Schritt in die neue digitale Welt bedarf vielmehr einer sorgfältigen Vorbereitung. Der Grad an Offenheit, die «kreativen» Module und Kanäle sowie die Beteiligung der Mitarbeiter müssen der Kultur und dem tatsächlichen Bedarf des Unternehmens und seiner sich wandelnden Zielgruppen entsprechen.
Kreditvergabe und Finanzierungen ohne Banken
Neben einer schon fast zur Pflicht gehörenden angepassten Kommunikationsstrategie, könnten einzelne Leistungen «2.0-fähig» gemacht werden. Dazu sind bisherige Produkte darauf zu überprüfen, ob und welche Funktionen modifiziert oder gar durch 2.0-Komponenten ersetzt respektive ergänzt werden können.
Bereits jetzt existieren Lösungsansätze, die klassische Intermediationsfunktionen von Finanzhäusern ausschalten. Genannt seien hier das Peer-to-Peer-Prinzip bei der Kreditvergabe und die Eigenkapitalfinanzierung 2.0 (wie das Crowd Funding für Startups) oder Vorhersagemärkte, die oft mit besseren Prognosen glänzen als «Experten».
Investoren wollen mehr wissen
Konkrete Ansatzpunkte bietet gerade die Vermögensverwaltung. Immer weniger Anleger sind hier bereit, ihr Geld einer «Black Box» anzuvertrauen. Investoren wollen verstärkt wissen, wie und wo konkret ihre Gelder zu welchen Preisen und Kosten investiert werden.
Technisch ist die erhöhte Transparenz etwa durch einen Drill Down auf Einzelpositionen und -transaktionen möglich und wird im institutionellen Umfeld schon lange praktiziert. Im privaten Vermögensmanagement wird sie immer noch unzureichend umgesetzt.
Revolutionäre Ansätze
Fast schon revolutionär für die Finanzbranche muten Ansätze an, einen offenen Dialog etwa über Internetforen zwischen (potentiellen) Anlegern und Fondsmanagement zu implementieren.
Aktuell besteht zwar (noch) keine Notwendigkeit, in hektischen Aktionismus zu verfallen und jedem Hype zu folgen. Wir wissen aber aus der Praxis, dass Häuser, die sich einen Wettbewerbsvorteil versprechen, mit dem Umdenken in Richtung «Banking 2.0» längst begonnen haben.
Verschlossenheit als heiligen Gral
Gleichwohl mangelt es am Nachweis vorzeigbarer Erfolgsbeiträge. Doch wer warten will, bis die ersten auf den neuen Trend setzenden Institute ihren Wertbeitrag-2.0 schwarz auf weiss nachweisen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spät starten.
«Banking 2.0» steht erst am Anfang einer Entwicklung und ist ein «Work in Progress». Diese Entwicklung mag einigen Finanzhäusern, die Intransparenz und Verschlossenheit als heiligen Gral pflegen, nicht gefallen; ignoriert werden kann die Entwicklung aber nicht mehr. Gerade für die vertriebs- und nicht dialogorientierte Finanzbranche überwiegen aber bei sorgfältiger Vorbereitung die Chancen.
Dirk Elsner war mehrere Jahre als Bereichsleiter einer Bank und Geschäftsführer einer mittelständischen Unternehmensgruppe beschäftigt. Heute berät er für die Innovecs GmbH Banken und mittelständische Unternehmen. Daneben betreibt er den «Blick Log», einen Weblog über Wirtschaft, Finanzen, Management und mehr.