Kantonalbanken im Kreuzfeuer

Den Staatsinstituten geht es blendend. Doch gerade jetzt könnten die Kantonalbanken und ihre Privilegien von mehreren Seiten unter Druck geraten, wie finews.ch-Recherchen nahelegen.

Am Rande einer Medienkonferenz brach es aus dem Grossbanker heraus. Es sei schlicht unfassbar, dass die Kantonalbanken so wenig Dividenden zahlten, wo sie doch von Steuern befreit seien. Dass Staat und Aktionäre dem zuschauten, sei kaum zu glauben, enervierte er sich, und garnierte seine Tirade mit einigen englischen Ausdrücken, die in jener Sprache als «four-letter words» gelten.

Der Ausbruch liess die Zuhörer verdutzt zurück. Die Privilegien der 24 Schweizer Kantonalbanken – 21 von ihnen verfügen über eine Staatsgarantie – sind bekannt und in den letzten Jahren von Politik und Aufsicht bestätigt worden. Nie ganz verklungen sind allerdings die kritischen Stimmen, welche die Staatsgarantien als Anachronismus und Wettbewerbs-Verzerrung rügen.

Auf den ersten Blick ist also nicht ersichtlich, warum sich gerade jetzt eine Front gegen die Staatsbanken bilden sollte. Dennoch gib es weitere Anzeichen dafür.

Tabus antasten

So meldete sich unlängst Lombard-Odier-Banker Patrick Odier in der «NZZ» zu Wort. Er nutzte die Plattform, um für das umstrittene Rahmenabkommen mit der EU zu werben. Seine Botschaft: Fürs Banking ist das Abkommen essentiell – auch wenn dabei die Staatsgarantien der Kantonalbanken eventuell infrage gestellt würden. Darüber sollte man jetzt sprechen, anstatt nur «Tabu» zu rufen, empfahl der Private Banker. «Wenn wir alles schützen, aber am Ende keine Jobs mehr haben, ist nichts gewonnen.»

Odier ist ein Exponent der internationalen Vermögensverwaltung – dem «Exportsektor» der Branche also, der am meisten von einer stabilen Beziehung mit der EU profitieren würde. Die inlandorientierten Kantonal- und Regionalbanken stehen grenzüberschreitenden Regeln hingegen weitaus kritischer gegenüber. Das hat in der Vergangenheit bereits Gräben ins Swiss Banking getrieben.

Politisch bestätigt

Formieren sich Gross- und Privatbanker gegen die Staatsinstitute? Bei der Vereinigung Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB), dem Sprachrohr der Bankengruppe, gibt man sich auf Anfrage gelassen. «Die Vorbehalte gegen den Status der Kantonalbanken sind nicht neu», sagt dort ein Sprecher. Politisch erfahre dieser Status aber immer wieder Bestätigung. Das könne als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Staatsgarantien und die Gegenleistungen sowie Leistungsaufträge gut austariert sind und in der Folge nicht als Wettbewerbs-Verzerrungen wahrgenommen werden.

Jener Gelassenheit zum Trotz könnten gleich mehrere Entwicklungen bewirken, dass die Rolle der Kantonalbanken künftig hitziger debattiert wird.

EU verbietet staatliche Beihilfen

Recht unmittelbar droht dies vonseiten des EU-Rahmenabkommens, das dieser Tage verhandelt wird. Das Vertragswerk hat in der Schweiz einen schweren Stand, zumal auf föderaler Ebene bei den Kantonen. Letztere befürchten, dass die EU ihnen künftig bei der Steuerpolitik oder bei ihren Unternehmens-Beteiligungen dreinredet. Das könnte bei den Kantonalbanken der Fall sein: Ein EU-Beschluss verbietet staatliche Beihilfen im Finanzsektor.


Allerdings sind hierzu noch viele Fragen offen, wie es auch im Umfeld der Kantonalbanken heisst. «Der VSKB ist derzeit erst daran, mögliche Auswirkungen zu prüfen», berichtet der Branchenverband.

Aufmerken liess dieser Tage ein Entscheid im EWR-Mitgliedsland Liechtenstein. Dort hat das Parlament die definitive Aufhebung der beschränkten Staatsgarantie der Liechtensteinischen Landesbank (LLB) beschlossen. Dies sozusagen in vorauseilendem Gehorsam: Die Staatsgarantie der Bank läuft 2020 aus. Eine Verlängerung wäre weder von den Vertretern des Europäischen Wirtschaftsraums noch von der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) gutgeheissen worden, wie man im Fürstentum wusste.

Postfinance liefert Zündstoff

Derweil rückt ein innenpolitischer Vorgang das Thema Staatsgarantie für Banken hierzulande noch mehr ins Rampenlicht. Vergangenen September kam der Bundesrat zum Schluss, dass er der Postfinance erlauben will, Kredite zu vergeben. Dazu muss das Postorganisations-Gesetz revidiert werden. Die Planspiele gehen aber viel weiter: Die Postbank könnte zu Teilen an der Börse verkauft und auf diese Weise privatisiert werden.

Während sich die Kantonalbanken-Lobby «irritiert» ob der Idee eines neuen staatlichen Konkurrenten zeigte, schossen sich andere Banker auf die Staatsgarantie ein. Für Credit-Suisse-Schweiz-Chef Thomas Gottstein etwa stellt die Postfinance kein Problem dar. Vorausgesetzt, sie wird privatisiert. «Ich habe weniger Mühe mit einem solchen Modell als mit einer Kantonalbank mit einer Staatsgarantie», sagte der Grossbanker letzten Herbst gegenüber der «Aargauer Zeitung». An Zündstoff für weitere Debatten dürfte es damit nicht mangeln.

Zu erfolgreich?

Ein unerwarteter, aber wohl nicht minder wichtiger Faktor ist schliesslich der: Die Kantonalbanken sind derzeit schlicht zu erfolgreich. So haben die Staatsinstitute im Jahr 2018 fast durchs Band ausgezeichnet geschäftet. Dabei konnten sie nicht nur im angestammten Zinsengeschäft mehr verdienen und wachsen, sondern auch im Kommissionengeschäft, wo sie zuweilen viel Neugeld anzogen. Damit bleibt den Instituten viel «Pulver», um in Zukunfstthemen wie die Digitalisierung zu investieren.

Demgegenüber stehen die Gross- und Privatbanken, die in der Vermögensverwaltung oftmals auf ein schwieriges Jahr zurückblicken. Nicht ganz zu Unrecht kann jenes Lager nun geltend machen, dass die Kantonalbanken eigentlich ganz gut ohne Garantien zurechtkommen.