Die Selbstbestimmungs-Initiative hat auf den ersten Blick keinen Bezug zum Finanzplatz. Doch der Schein trügt, warnt Sven Bisang von der Bankiervereinigung.
Sven Bisang ist Leiter Kampagnen & Projekte bei der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg).
Die SVP will mit der Selbstbestimmungs-Initiative (SBI) das Verhältnis von Schweizer Recht und Völkerrecht neu ordnen. Landesrecht soll dabei grundsätzlich vorgehen. Wohl eine staatspolitische Frage, mag man sich beim Betrachten der Plakate der Initianten denken. Eine direkte Verbindung zur Volkswirtschaft ist prima vista nicht ersichtlich. Bundesrat und Wirtschaft warnen aber eindringlich vor den negativen Konsequenzen einer Annahme. Welche Folgen hätte also ein Ja für den Schweizer Finanzplatz?
Initiative gefährdet bestehende Abkommen
Wirtschaftsabkommen – die Economiesuisse zählt rund 600 – enthalten Bestimmungen, die für Schweizer Banken und ihre Kunden von zentraler Bedeutung sind (zum Beispiel regeln sie Fragen über den gegenseitigen Marktzugang, zur Zusammenarbeit im steuerlichen Bereich oder dem Investitionsschutz).
Diese internationale Einbettung stärkt eindeutig die Attraktivität des Wirtschafts- und Finanzstandorts Schweiz und ermöglicht Schweizer Banken unter anderem die Pflege von Kundenbeziehungen in viele Länder. Das vorteilhafte Netz internationaler Verträge erlaubt es unseren Finanzinstituten auch, mit exportorientierten Dienstleistungen Wertschöpfung in der Schweiz zu erzielen (etwa mit der Verwaltung grenzüberschreitender Vermögenswerte).
Was tun bei Widersprüchen?
Was hat dies mit der SBI zu tun? Nun, die Volksinitiative der SVP will, dass künftig bei Widersprüchen zwischen Schweizer Recht und völkerrechtlichen Verträgen letztere zwingend neu verhandelt werden müssen.
Falls keine Einigung mit den ausländischen Partnern im Sinne des Schweizer Rechts erzielt werden kann, müssen die völkerrechtlichen Verträge gemäss Initiativtext «nötigenfalls» gekündigt werden.
Schwammig formuliert
Der Initiativtext ist teilweise schwammig formuliert, so dass die Auswirkungen nicht präzise abzuschätzen sind. Punkto Umsetzung schweigt die SBI vornehmlich und lässt wichtige Fragen offen: Wie soll ein Widerspruch definiert sein? Wer kann/soll einen Widerspruch feststellen – der Bundesrat, das Parlament, ein Gericht? Oder ab wann muss eine Kündigung eines internationalen Abkommens «nötigenfalls» umgesetzt werden – bei einem Volksentscheid, einem einzigen Gerichtsurteil?
Klar ist nur, dass die SBI ein gefährliches Klima der Unsicherheit bezüglich der Gültigkeit abgeschlossener Verträge schafft und die Rechtssicherheit für Unternehmen und deren Kunden schwächt. Betroffen davon wären auch Abkommen, die für den Finanzplatz von Bedeutung sind (zum Beispiel Abkommen über den Automatischen Informationsaustausch, Freihandelsabkommen oder Doppelbesteuerungsabkommen). Statt Klarheit schafft die SBI also vor allem eines: Unsicherheit. Das ist Gift für die Planung der Unternehmen.
Schweiz aussenpolitisch kalt gestellt
Klar negativ wäre eine Annahme für die künftige Verhandlungsposition der Schweiz. Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit sind heute Stärken der Schweizer Aussenpolitik. Sie schaffen das notwendige Vertrauen, um vorteilhafte Abkommen abschliessen zu können. Die SBI erschüttert dieses über Jahrzehnte aufgebaute Vertrauen, indem sie unser Land zur unberechenbaren Vertragspartnerin macht.
Dies hätte negative Auswirkungen auf unsere exportorientierten Unternehmen, zu denen auch die Finanzdienstleiter zählen. Denn die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss neuer Marktzugangsabkommen etwa in Asien und Südamerika und damit der Zugang zu lukrativen aufstrebenden Märkten wären bei einer Annahme in Frage gestellt.
Nein zu Rechtsunsicherheit
Die SBI bringt der Schweizer Wirtschaft und auch dem Finanzplatz anstelle von Chancen Rechtsunsicherheit in Bezug auf den Fortbestand wichtiger Wirtschaftsabkommen. Die Weiterentwicklung bestehender sowie der Abschluss neuer völkerrechtlicher Verträge (inklusive Wirtschaftsabkommen) würde bei einer Annahme der SBI erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht.
Ich meine, dass dies nicht im Interesse des Wirtschafts- und Finanzstandorts Schweiz sein kann. Die SBI sollte daher klar abgelehnt werden.