In unerwartet harschen Worten wehrt sich die in einen Geldwäscherei-Skandal in Malaysia und Singapur verwickelt Schweizer BSI Bank gegen ein drakonisches Urteil der Finma. Was treibt sie dazu an?

In einer schweizerisch-singapurisch orchestrierten Aktion setzten die Finanzaufsichts-Behörden beider Länder im vergangenen Monat die Tessiner Banca della Svizzera Italiana (BSI) ausser Betrieb, wie auch finews.ch berichtete. Dies geschah, nachdem immer mehr zur Gewissheit geworden war, dass das Institut eine zentrale Rolle in dem 1MDB-Skandal spielte – bei dem es wiederum darum ging, dass via Singapur und der BSI Geldwäschrei und Steuerbetrug begangen wurden.

Während die Monetary Authority of Singapore (MAS) dem Institut die Lizenz entzog, musste die Bank in der Schweiz rund 95 Millionen Franken an zuvor erzielten Gewinnen abliefern, zudem leitete die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) eine strafrechtliche Untersuchung gegen die BSI respektive gegen zwei BSI-Kaderleute ein.

Berichtigung vom 1. Juli 2016: Während die Monetary Authority of Singapore (MAS) dem Institut die Lizenz entzog, musste die Tessiner BSI den zuvor erzielten Gewinn von 95 Millionen Franken der Finma abliefern. Die Bundesanwaltschaft (BA) eröffnete gegen die BSI auch eine strafrechtliche Untersuchung. Hingegen sind gegen die BSI-Kaderleute keine Untersuchungen eröffnet worden

BSI schlägt zurück

Nun, fast exakt einen Monat danach, hat die BIS vergangene Woche zurückgeschlagen, wie auch finews.ch berichtete. In ungewohnt harschen Worten warf die Bank der Finma ein «fehlerhaftes» Vorgehen sowie «ungesetzliche» Massnahmen vor, die zu einer «unverhältnismässigen» und «unorrekten» Entscheidung geführt hätten.

Es ist zwar nicht das erste Mal, dass sich eine Bank gegen Beschlüsse der Finma wehrt. Doch meist sind solche Vorstösse wenig erfolgreich. Allein im vergangenen Jahr kam es zu 49 Rekursen, wovon gerade einmal zwei Erfolg hatten, wie weitere Recherchen ergaben.

Was waren die wahren Motive?

Im jüngsten Fall räumt die BSI durchaus «gewisse interne Mängel» in ihrer Vergangenheit ein; zudem befindet sich die Bank in Auflösung, da sie – was schon vor der 1MDB-Affäre beschlossen worden war – an den Konkurrenten EFG International verkauft wird. Ausserdem ermittelt die Schweizer Bundesanwaltschaft in Sachen 1MDB-Fonds bereits gegen das Institut.

Was also hat die Tessiner Bank letztlich geritten, sich gegen die Beschlüsse der Finma zu erheben, zumal Bank und Marke über kurz oder lang verschwinden werden?

Wie ein «Todesurteil»

Tatsächlich gibt es verschiedene potenzielle Motive: Eines davon könnten die beiden BSI-Banker sein, gegen welche die Finma ermittelt. In der Schweiz, wo sich die Bankbranche bis heute klein und überschaubar präsentiert, käme ein Urteil für diese beiden Berufsleute einem «Todesurteil» in ihrer Karriere gleich. Doch fechtet ein Institut die Beschlüsse einer Behörde an, wenn sich die Untersuchungen explizit und individuell gegen zwei Kaderleute und nicht gegen die Bank richten? Wohl kaum.

Weiter stellt sich die Frage, warum die BSI nicht auch gegen die MAS Rekurs einlegte? Zumal Anfechtungsmöglichkeiten auch in Singapur existieren, wenn auch nicht so dezidierte wie in der Schweiz, und am Ende ist es der oberste Aufsichtsvorsitzende der Behörde, seines Zeichens auch gleich der Vize-Premierminister Singapurs, der das letzte Wort spricht.

Ging es um Geld?

Doch wie Recherchen von finews.ch nahelegen, hatte die BSI offenbar keinerlei Absichten, in dieser Hinsicht aktiv zu werden. Dem Vernehmen nach fühlte sie sich in Singapur frühzeitig informiert und korrekt behandelt, wie es intern heisst.

Eine andere Option für das Vorgehen der BSI könnte auch der Umstand sein, dass die frühere Besitzerin der Bank, die brasilianische Finanzgruppe BTG Pactual, einen höheren Verkaufspreis von EFG International aushandeln könnte, sofern die Finma-Sanktionen gegen das Tessiner Institut reduziert würden.

Viel profanere Gründe

Tatsächlich soll EFG International über die Anfechtungsklage der BSI nicht sonderlich erfreut gewesen sein, zumal man die Übernahme der BSI bis Ende dieses Jahres unter Dach und Fach haben will. Doch offenbar hatte EFG International keine Möglichkeit, die BSI an ihrem Vorgehen zu hindern.

Die wahren Gründe hinter dem Rekurs der BSI sind letztlich profaner: Der Bank geht es darum, ihre Reputation zu wahren, wie zwei voneinander unabhängige Quellen gegenüber finews.ch bestätigten. Und um das zu retten, was noch zu retten ist.

Bedrohtes Lugano

Denn auf Grund des 1MDB-Skandals in Singapur verlor das Institut bereits hohe Summen an verwalteten Vermögen respektive eine nicht unerhebliche Zahl an Kunden kehrte dem Institut den Rücken zu. Vor diesem Hintergrund sah sich die Bank geradezu genötigt, etwas zu unternehmen, um diese Teufelsspirale zu stoppen.

Lugano, wo die BSI domiziliert ist, mag ein weiterer Grund gewesen sein, dass die Bank aktiv wurde, wie weitere Recherchen von finews.ch ergaben. Denn für den Tessiner Finanzplatz hat das altehrwürdige Institut eine besondere Bedeutung; für die rund 1'900 Beschäftigten und deren Kunden sei es offenbar schockierend gewesen wie die Bank an den Pranger gestellt worden sei, heisst es in der Südschweiz. Auch das soll die Verantwortlichen motiviert haben, das Urteil der Finma anzufechten.

Von der Finma überrumpelt

Die BSI fühlte sich nach eigenem Bekunden durch die Finma überrumpelt und ging mit ihrer Anfechtungsklage erst nach langen Abwägungen und Abklärungen mit Juristen vergangene Woche an die Öffentlichkeit. Dabei stellten sich die BSI-Verantwortlichen auf den Standpunkt, dass die Finma die Anstrengungen der Bank nicht ausreichend erkannt und honoriert habe, welche der frühere UBS-Banker Joseph Rickenbacher einleitete, nachdem er im vergangenen Herbst das Präsidium des Unternehmens von Alfredo Gysi übernommen hatte.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Rickenbacher selber einst im Verwaltungsrat der Finma sass. Unter seiner Ägide unternahm die BSI seit vergangenem Herbst zahlreiche Anstrengungen, um die Bank zu reorganisieren und die geschäftlichen Risiken in den Griff zu kriegen, unter anderem auch durch das Engagement von Reto Kunz, einem ausgewiesenen Risiko-Experten von der UBS, wie auch finews.ch berichtete.

Das letzte Kapital nach 143 Jahren

Unter all diesen Prämissen wird das letzte Kapital der 143-jährigen Geschichte der Tessiner Traditionsbank BSI in den Schweizer Gerichtsstuben enden, dies, nachdem das Institut von einem italienischen Konzern (Generali) an eine brasilianische Finanzgruppe (BTG Pactual) veräussert wurde und deren Inhaber wegen Korruptionsverdacht in Untersuchungshaft kam, bis dann ein griechischer Milliardär (Spiro Latsis und dessen Familie) das Institut übernahm, um dessen Reststruktur in die eigene Bank (EFG International) zu integrieren.