Kweku Adoboli hat die UBS um Milliarden gebracht und sass dafür eine Gefängnisstrafe ab. Ein «kleines Erdbeben», wie UBS-CEO Sergio Ermotti kürzlich sagte. In London beissen die UBS-Mitarbeiter noch immer an dem Fall herum.

Der frühere UBS-Händler Kweku Adoboli (Bild) brockte 2011 der Schweizer Grossbank einen Handelsverlust von 2,3 Milliarden Dollar ein. Und nach einem neun Wochen dauernden Prozess hatte der gebürtige Ghanese dann einen Teil seiner Haftstrafe abgesessen.

Nun droht ihm die Ausschaffung in seine Heimat. Gegen diesen Entscheid hat Berufung eingelegt. Gegenüber der «Financial Times» (Artikel bezahlpflichtig) sagte der 35-Jährige Ex-Banker diese Woche: «Ich wollte niemandem wehtun. Eigentlich ist das die ganze Tragödie. Der ganze Schmerz ist eine Folge davon, dass ich den Schmerz vermeiden wollte.»

Erst der Anfang der Schmerzen

Adobolis Worte werden ihre Adressaten finden. Denn Schmerzen hat er verursacht und diese wirken innerhalb der UBS auch vier Jahre nach dem Auffliegen des Betrugsfalles nach, wie aus dem Artikel weiter hervorgeht, in dem Adoboli ausführlich zu Wort kommt.

Im Zuge der Aufarbeitung seiner unerlaubten Handelsaktivitäten an seinem Handelsdesk in London entdeckte die UBS mindestens drei weitere ähnliche Vorfälle. Aus dem Handelsteam entliess die Bank daraufhin zehn Mitarbeiter, auch Adobolis Chef John Hughes.

Das war aber erst der Anfang der Schmerzen, die Adoboli verursachte: Die UBS baute in der Folge in London rund 500 Stellen ab, und sie kürzte den Bonus-Pool um 60 Prozent.

Tom Naratils Rechnung

Zudem verstärkte sie ihre Kontrollen über ihre Banker drastisch, nahm sie an die kurze Leine. Das waren direkte und schmerzhafte Einschnitte. Tom Naratil, der Finanzchef der UBS, hatte zwar zunächst erklärt, es sei schwierig genau festzustellen, wie viele Arbeitsplätze als direkte Folge des Handelsverlusts abgebaut würde. Er sagte aber auch: «Wenn Sie 2,3 Milliarden Dollar verlieren, müssen Sie mehr Personal abbauen.»

Von Adoboli «besessen»

Für die meisten Betroffenen in der UBS war Adoboli der Verursacher und Sündenbock. Das UBS-Management in London sowie seine früheren Kollegen seien mehrheitlich noch immer sehr schlecht auf ihn zu sprechen, berichtet die «Financial Times». Ein Compliance-Manager sagt, die UBS sei «besessen» von Adoboli und der Verwüstung, die er angerichtet habe.

Sergio Ermotti, der wegen Adoboli den Job als UBS-Chef von Oswald Grübel «erbte», nannte den Skandal kürzlich in einem Interview mit Tyler Brulé «ein kleines Erdbeben». Er habe möglichst rasch ein neues Kapitel aufschlagen müssen. Aber das alte scheint bei der UBS in London noch nicht abgeschlossen zu sein.

Im Jahr 2011 war die Schweizer Grossbank in einer ganz anderen Verfassung als heute: Sie hatte sich gerade von ihrer existenzbedrohenden Krise von 2008 erholt und 2009 ihren Steuerstreit mit den USA beigelegt.

Beichte war ein Schock

Nach den enormen Handelsverlusten im amerikanischen Subprime-Markt hatten die Regulatoren und Investoren eigentlich angenommen, dass die UBS ihre Handels- und Risikokontrollen so eingerichtet habe, dass Verluste und Fehlverhalten von Händlern frühzeitig aufgedeckt würden.

Doch dann beichtete ein junger Händler in London zunächst seinen ungläubigen Chefs, dann den britischen Ermittlern und dem Gericht, dass er allein und mit relativ einfachen Mitteln über zwei Jahre lang die Bank betrogen hatte, indem er Geheimkonten unterhielt, auf denen er seine Verluste versteckte.

Der Schock in der UBS war riesig, gleichzeitig  stiessen Investoren die Aktie verunsichert ab, so dass die Bank über 4,5 Milliarden Franken an Börsenwert verlor. Der damalige UBS-CEO Grübel nahm die Verantwortung auf seine Kappe und trat zurück. Die Bank zahlte eine Busse von 30 Millionen Pfund.

Sündenfall von London

Die in England weit verbreitete Abneigung gegen Banker erhielt so neue Nahrung. Der Richter nannte Adoboli einen «Sündenfall», was die Stimmung, die zu der Zeit in London herrschte, sehr präzise wiedergab.

Adoboli ist in den Reihen der UBS bis heute eine Reizfigur. Das Gericht hat ihn als geldgierigen Lügner gebrandmarkt. Adobolis Version ist auch heute eine ganz andere: Seine Motivation für die betrügerischen Handelsaktionen sei gewesen, für die UBS mehr Geld zu verdienen. Schief ging dies nur, weil er Verluste durch doppelten Einsatz wieder wettmachen wollte.

Es wird wieder passieren

Dass Leute wie er oder auch der frühere UBS-Händler Tom Hayes, der wegen seiner Manipulation des Libor-Zinssatzes diesen August zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, als faule Äpfel in einer angeblich sauberen Finanzindustrie gelten, hält Adoboli für fragwürdig.

Zwischen dem Profitstreben der Banken und den Compliance-Vorschriften liege eine Kluft, die noch weitere Erdbeben und Schmerzen provozieren dürfte.