Die Konstellation ist einzigartig: Mit der Credit Suisse, der Deutschen Bank und Standard Chartered müssen gleich drei Firmenchefs «ihre» Bank für die Zukunft fit machen. Nutzniesserin könnte die CS sein.
Das gab es in der jüngeren Bankengeschichte noch nie: Drei global tätige Finanzinstitute Europas haben neue Chefs, die grosse Strategiepläne wälzen und in den nächsten Wochen ankündigen werden, was geschehen soll: Tidjane Thiam bei der Credit Suisse (CS), John Cryan bei der Deutschen Bank sowie Bill Winters beim britisch-asiatischen Konzern Standard Chartered.
Die Gemeinsamkeiten: Alle drei Chefs sind seit mehr oder weniger 100 Tagen im Amt. Das heisst, die Schonzeit ist vorüber, und die Aktionäre sowie die Beschäftigten erwarten klare Ansagen zur neuen Strategie. So überrascht es nicht, dass alle drei Chefs von ihrem ersten Arbeitstag an unter Hochdruck standen.
Zu gross, zu ineffizient, zu viele Risiken
Thiam, Cryan und Winters müssen die Komplexität in ihren jeweiligen Banken reduzieren und das Kapital effizienter einsetzen. Standard Chartered etwa hatte zu lange nur das Wachstum im Fokus. Dabei ging das Institut (zu) hohe Risiken ein und korrigierte seine Fehlallokationen nicht.
Bei der Deutschen Bank ist die Investmentbank unter den heutigen Verhältnissen zu gross geworden. Sie betreibt Geschäfte, die unter den neuen Kapitalanforderungen nicht mehr profitabel sind oder nicht einmal die Kapitalkosten erwirtschaften. Im Heimmarkt hat die Deutsche Bank zudem mit der Postbank ein Anhängsel, das nie richtig zum Konzern passte. Und last but not least kommt die Vermögensverwaltung (Wealth Management) kaum vom Fleck.
Auf der Suche nach Aktionärswert
Bei der CS wiederum hinterliess die strategische Ausrichtung in den vergangenen Jahren viele offene Fragen. Ausserdem ist die Bank bezüglich Eigenkapital schwach auf der Brust.
Die Investmentbank bindet zu viel Kapital, betreibt zu viele Geschäfte, die wenig oder keinen Aktionärswert schaffen, und das Wealth Management ist in den vergangenen sechs Jahren viel zu langsam respektive viel zu geringfügig gewachsen.
Allerdings wären sowohl Thiam wie auch Winters und Cryan schlechte Strategen, wenn sie in der jetzigen Situation nicht auch Opportunitäten sähen – für einen Befreiungsschlag, für einen Neustart.
Die CS-Aktie braucht einen «Boost»
Besonders gilt dies für Thiam. Um den CS-CEO war es nach einer Öffentlichkeits- und PR-Offensive in diesem Sommer anschliessend sehr ruhig geworden. Dabei war allerdings klar, wo für den neuen Chef die Prioritäten lagen: Erstens, die Strategie und Ausrichtung der Investmentbank zu überprüfen, zweitens, die Effizienz auf dem eingesetzten Kapital zu erhöhen, und drittens, den Wachstumsfokus auf Asien zu richten, wo die CS als Unternehmerbank ein Geschäftsmodell (erfolgreich) betreibt, bei dem die Mitarbeiter aus dem Private Banking und dem Investmentbanking Hand in Hand arbeiten.
Und noch etwas gilt es, zu berücksichtigen: Der ehrgeizige Thiam weist gerne darauf hin, dass er als früherer CEO des britischen Versicherers Prudential dessen Aktienkurs verdreifachen konnte. Mit Blick auf die CS präsentiert sich die Situation vorläufig ernüchternd. Die Aktie hat seit Thiams Amtsantritt Anfang Juli 2015 mehr als 15 Prozent an Wert verloren; mit anderen Worten: Nun ist ein «Boost» notwendig.
Um «seiner» Bank neue Perspektiven zu eröffnen – und selbstredend den Aktionären die Aussicht auf einen Mehrwert und eine Dividende zu liefern – hat Thiam mindestens zwei Möglichkeiten.
Erstens: Die Credit Suisse übernimmt das Private Banking von Standard Chartered in Asien
So könnte die CS ihre Basis an Kundengeldern in Asien um gut 45 Milliarden auf mehr als 200 Milliarden Franken erhöhen, und sie würde ein Geschäft übernehmen, in welchem die Banker ähnlich ticken wie bei der CS. Denn: Unter seinem Chef Michael Benz arbeitet auch der Private-Banking-Arm der «StanChart» ganz eng mit dem Firmenkunden-Geschäft zusammen – und hat sich dabei auf die Klientel der vermögenden Unternehmer fokussiert. Da liegt sehr viel Potenzial.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass diese Option schon seit einiger Zeit Gesprächsstoff in der Branche liefert, wie auch finews.ch schon verschiedentlich berichtet hat. Vorläufig hat sich indessen noch keine der beiden Banken zu diesem Thema vernehmen lassen.
Unrealistisch ist dieser Plan deswegen nicht. Die CS hält in Asien tatsächlich nach Übernahmezielen Ausschau. Dabei strebt sie auch keine so genannten Arrondierungskäufe an, sondern sie will den grossen Wurf – einen Quantensprung, wie der asiatische Private-Banking-Chef der CS, Francesco de Ferrari, schon verschiedentlich zu Protokoll gegeben hat.
Dass Standard Chartered verkauft, ist auch nicht ganz unrealistisch. Konzernchef Bill Winters muss das Eigenkapital der Bank erhöhen, während das asiatische Private Banking nur mit sehr viel Ausdauer eine «kritische Grösse» erlangen dürfte.
Zweitens: Die Credit Suisse übernimmt die Deutsche Bank in der Schweiz
Das ist nicht so unrealistisch, wie es auf Anhieb anmutet. «Hinter der Deutschen Bank (Schweiz) steht ein grosses Fragezeichen», sagt ein Übernahmespezialist zu finews.ch. Im Zuge der Konsolidierungswelle im Schweizer Privatbankenmarkt und der Abgänge diverser Auslandsbanken vermutet er den Schweizer Ableger der Deutschen Bank ebenfalls auf dem Prüfstand. Ein Sprecher der Deutschen Bank wies dies vehement zurück.
Rein zahlenmässig wäre ein solcher Kauf für die CS aber eine interessante Sache: Knapp 90 Milliarden Franken Kundengelder verwaltet die Deutsche Bank aus der Schweiz heraus, namentlich aus Osteuropa, Russland, Lateinamerika, der Golfregion und auch aus Asien. Damit könnte die CS ihr internationales Private Banking stärken und zusätzlichen Boden in Asien gewinnen.
Natürlich, einen Teil der Deutschen Bank zu integrieren, würde in erster Linie bedeuten, Doppelspurigkeiten abzubauen. Es käme zu einer Entlassungswelle. Doch das Ergebnis wäre ein klarer Effizienzgewinn. Die CS könnte ihre Plattform besser auslasten, die Cost-Income-Ratio senken und den Ergebnisbeitrag aus dem Wealth Management im Verhältnis zur Investmentbank erheblich steigern. Genau dies strebt das Unternehmen auch tatsächlich an.
Die «deutsche» Strategie gibt Rätsel auf
Die Strategie der Deutschen Bank in der Schweiz ist diffus. Vor dem Hintergrund des hiesigen Paradigmenwechsels in der Branche hat das Institut in den vergangenen Jahren rigoros Kunden mit unversteuerten Geldern verabschiedet und gleichzeitig auch substanzielle Personalabgänge an der Kundenfront erlitten, wie auch finews.ch meldete.
Kaufgelegenheiten in der Schweiz hat die Deutsche Bank selber stoisch an sich vorbeiziehen lassen. Laut Daten des Verbands Schweizerischer Auslandsbanken in der Schweiz ist es um die Profitabilität des Instituts auch nicht so gut bestellt. Nach einem Verlust im Jahr 2012 schrieb die Deutsche Bank (Schweiz) 2013 zwar einen Gewinn von 159 Millionen Franken. Doch brach dieser 2014 auf 7,5 Millionen Franken ein.
Gemeinsame Grossaktionärin
Wenn der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan die Geschäftsfelder rigoros nach Profitabilität und Aussichten überprüfen will, wie er dies tatsächlich auch angekündigt hat, dürfte es mit Blick auf den Schweizer Teil vermutlich rot aufleuchten. Das wäre durchaus ein Grund, dieses Geschäft abzustossen.
Eine Annäherung der beiden Grossbanken ist insofern auch nicht ganz abwegig, zumal beide Institute eine gemeinsame Grossaktionärin haben. Es ist die katarische Herrscherfamilie, die an beiden Instituten substanziellen Instituten beteiligt ist, wie auch finews.ch schon früher gemeldet hat. Zudem sitzt mit Jassim Bin Hamad J.J. Al Thani sogar ein Vertreter dieser Dynastie im Verwaltungsrat der CS.
Programmierter Quantensprung
Tidjane Thiam will, zusammen mit Verwaltungsratspräsident Urs Rohner, die Öffentlichkeit am 21. Oktober 2015 über seine Pläne und die neue Strategie ins Bild setzen, wie finews.ch berichtet hat. Ob er dann bereits eine Übernahmen ankündigt, ist offen. Doch der Quantensprung ist programmiert.