Die von der Schweizerischen Nationalbank verhängten Negativzinsen setzen dem Bankenplatz schwer zu. Nun stieg der einflussreiche Financier Martin Ebner auf die Barrikaden. Und bringt damit den in der Branche aufgestauten Unmut an den Rand des Überlaufens, wie Recherchen von finews.ch zeigen.
Gut möglich, dass der heute schon legendäre Schweizer Financier Martin Ebner noch einmal Geschichte schreibt, weil er möglicherweise in ein Wespennest gestochen hat. Wie am Mittwoch bekannt wurde, will er mit seiner BZ Bank die Strafzinsen auf den bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gelagerten Barbeständen nur noch «unter Vorbehalt» bezahlen.
Laut Ebners BZ Bank operiert nämlich die SNB mit den im vergangenen Dezember erstmals verhängten Strafzinsen im rechtsfreien Raum. «Es steht in keinem Gesetz, dass die Nationalbank überhaupt Negativzinsen erheben darf», so das Institut gegenüber der Ausserschwyzer Lokalzeitung «March Anzeiger».
Milliardenverluste für die Schweiz?
Noch mehr: Mit den Negativzinsen entgingen der schweizerischen Volkswirtschaft etwa 1,2 Milliarden Franken, die nun allein der SNB zugute kämen, argumentieren die BZ-Bankiers aus Wilen SZ. Deshalb behält sich das von Ebner kontrollierte Institut vor, die Strafzinsen zurückzufordern – nämlich, wenn sich das SNB-Instrument als ungerechtfertigt erweisen sollte.
Ebners Vorstoss könnte just der Tropfen sein, der das Fass für die Bankbranche zum Überlaufen bringt. Denn schon nach der (nochmaligen) Erhöhung der Strafzinsen und der Abkehr der Nationalbank von der Euro-Mindestgrenze im vergangenen Januar gingen die Wogen hoch.
Spuren durch den ganzen Sektor
So warnte damals Julius-Bär-Chef Boris Collardi, der gleichzeitig als Präsident der Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken (VAV) amtet, vor massiven Verlusten im Swiss Banking. Rund 20'000 Arbeitsplätze bei 40 Schweizer Vermögensverwaltern und Privatbanken seien betroffen, sagte Collardi damals.
Tatsächlich zieht sich seither die «blutige» Spur der Negativzinsen durch die Gewinnausweise praktisch aller Schweizer Banken. Gross- wie Retailbanken spüren die drakonische Massnahme. Am härtesten trifft es jedoch die Vermögensverwalter. Dies, weil deren Kunden massig Cash halten und sie damit die von der SNB festgelegte «Freigrenze» (das 20-fache der Mindestreserven einer Bank) schnell überschreiten.
«Gravierende Folgen»
Die Auswirkungen zeigten sich nicht zuletzt bei Collardis Julius Bär: Die Zürcher Privatbank hat im Zuge von Frankenschock und Negativzinsen den Abbau von 200 Stellen beschlossen und sehr rasch umgesetzt. Und auch anlässlich des Halbjahresberichts der «Bären» machte Collardi nochmals die «gravierenden Folgen» der SNB-Massnahmen geltend.
Zu Ebners Vorstoss will das Traditionshaus auf Anfrage von finews.ch offiziell keine Stellung nehmen. Christof Reichmuth, Teilhaber der gleichnamigen Luzerner Privatbank, hingegen schon. «Wir sehen das Instrument der Negativzinsen sehr kritisch», unterstrich er gegenüber finews.ch. «Die Auswirkungen werden wohl noch unterschätzt, und sie dürften uns noch lange beschäftigen.»
Schädliche Nebenwirkungen
Auch den einschlägigen Branchenvertretern brennt das Thema Negativzinsen zunehmend unter den Nägeln. «Die Negativzinsen belasten alle Bankengruppen in der Schweiz», bestätigt Thomas Sutter, stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsleitung der Bankiervereinigung (SBVg). «Wir planen zwar keine Klage, haben aber von der SNB gefordert, dass sie die Wirksamkeit dieser Massnahme periodisch kritisch überprüft und die Ergebnisse transparent macht.»
Der Dachverband der Schweizer Banken geht mit Reichmuth einig: «Wir denken, dass längerfristig die schädlichen Nebenwirkungen grösser sein werden als die Wirkung», sagt Sutter.
Halbierte Gewinne
Die Vereinigung Schweizerischer Privatbanken (ABPS) kritisiert derweil, dass die SNB-Strafzinsen ihre Mitglieder weit stärker treffen würden als andere Branchenteilnehmer. «Fast die gesamten Zinskosten werden von einer kleinen Minderheit an Instituten entrichtet», klagt eine Sprecherin. Schon letzten Juni hatte der Verband moniert, dass durch die Massnahme die Gewinne ihrer Mitglieder halbiert würde.
Der ABPS ziehe zwar den SNB-Entscheid nicht in Zweifel, heisst es heute. Hingegen treffe es zu, dass die Massnahme nicht explizit im Gesetz vorgesehen sei – so, wie man das auch bei Martin Ebners BZ Bank deutet.
Druck soll noch steigen
Die SNB selber sieht sich derweil im Recht – auch wenn sie dabei höchst gewunden argumentieren muss. Sowohl bei den zur Verteidigung des Mindestkurses notwendig gewordenen Fremdwährungsgeschäften wie auch den klassischen geldpolitischen Instrumenten und dem Führen von Girokonten für Banken handle es sich um «rechtsgeschäftliche» Instrumente. Diese Instrumente stützten sich auf das Nationalbankgesetz, heisst es bei der SNB. Und: «Der Gesetzgeber hat der SNB bei der konkreten Ausgestaltung dieser Instrumente bewusst einen breiten Spielraum gegeben», betonte ein SNB-Sprecher gegenüber finews.ch.
Ebners BZ Bank sieht vorerst von einer Klage gegen die mächtige SNB ab. Sie hoffe noch auf Druck aus Politik, Wirtschaft und Medien, liess das Institut verlauten. Dieser Druck wird zweifellos noch steigen.