Als Romeo Lacher im Frühjahr 2019 bei Julius Bär das Amt der Verwaltungsratspräsidenten übernahm, da konnte man in den Medienkommentaren schon einmal die Worte «Zeitenwende», «Neuanfang» oder «Ende einer Ära» lesen. Jetzt ist es bei seinem angekündigten Abgang nicht anders.

Insgesamt stand Romeo Lacher sechs Jahre lang an der Spitze der Schweizer Vermögensverwaltungsbank. Die Ära, die er damals beendete, war die des Gespanns aus CEO Boris Collardi und Verwaltungsratspräsident Daniel Suter. Damals wie heute geschieht der Wechsel an der Spitze von Julius Bär im Doppelpack, allerdings in geänderter Reihenfolge.

Als Lacher 2019 kam, war Collardi bereits Geschichte. CEO war Bernhard Hodler, der jedoch von vornherein eher als Übergangschef galt. Erst im Herbst des Jahres fand man dann mit Philipp Rickenbacher die passende Ergänzung, die das Gespann für die nächsten Jahre bilden sollte. 

Nun ist es also an der Zeit, dass Julius Bär einen passenden Verwaltungsratspräsidenten zu ihrem neuen CEO suchen muss.

Die Erwartung an Lacher im Jahr 2019 war vor allem, dass die Bank ihre stürmischen Zeiten mit den erratischen Wachstumsschüben unter Collardi hinter sich bringt und er sie in ruhigeres Fahrwasser lenkt. Diesen Anspruch konnte der frühere hochrangige Credit-Suisse-Banker, der zwischenzeitlich auch der Börsenbetreiberin SIX als Präsident vorstand, auch über weite Strecken hinweg erfüllen.

Das verhängnisvolle «europäische Konglomerat»

Dass ein Neuanfang überhaupt nötig ist, liegt vor allem am Fall Signa und der Milliarden-Pleite des österreichischen Unternehmers René Benko. Der Millionenverlust aus dem Kreditengagement bei einem «europäischen Konglomerat», wie dies bei der Bank jeweils bezeichnet wird, war der Grund dafür, dass CEO Rickenbacher im Februar 2024 seinen Hut nehmen musste. Übergangsweise übernahm COO Nic Dreckmann das Ruder.

Der Fall Signa rief einmal mehr in Erinnerung, dass man auf der Suche nach Wachstum im Banking dem Risiko nicht immer aus dem Weg gehen kann oder will. Das rief auch die Finma auf den Plan, die sich für die Risikokontrollfunkionen bei der Bank interessierte.

Der Mann mit dem anderen Stallgeruch

Im vergangenen Sommer konnte der Verwaltungsrat dann nach langer Suche und vielen Spekulationen Stefan Bollinger als neuen CEO präsentieren. Mit seiner Ernennung dürfte bei den «Bären» ein neuer Stil einziehen. Er war rund 20 Jahre lang bei der US-Grossbank Goldman Sachs tätig und davor bei J.P. Morgan. Bollinger wurde aus London geholt und bringt viel internationale Erfahrung mit, auch im für Julius Bär wichtigen asiatischen Markt.

Und für eine Neuerung steht Bollinger auf jeden Fall. Der sonst bei Schweizer Spitzen-Bankern vorherrschende Stallgeruch nach jahrelanger Karriere bei Credit Suisse oder UBS fehlt bei ihm komplett.

Der Rücktritt von Romeo Lacher kommt zwar überraschend, und der zeitliche Abstand zur Generalversammlung ist vergleichsweise gering. In der Regel bevorzugen es die Unternehmen, Präsidenten-Wechsel mit mehr Vorlauf und dann gleich inklusive Nachfolge zu präsentieren.

Nachfolgesuche kurz vor Abschluss

Doch ein spontaner oder überstürzter Schritt scheint es nicht zu sein. Der 65-jährige Lacher hat seine Absicht intern bereits im vergangenen Jahr mitgeteilt, wie es bei Julius Bär heisst. Und die offensichtlich bereits länger laufende Nachfolgesuche soll kurz vor dem Abschluss stehen. Spätestens mit der Einladung zur GV, die im März verschickt werden muss, sollte dann die Kandidatin oder der Kandidat auf die Bühne geschoben werden.

Ob diese Personalie dann genauso überraschen kann wie die Ernennung Bollingers bleibt abzuwarten.

Als ein auf der Hand liegender Kandidat richtet sich dabei der Blick natürlich auch auf den Vize-Präsident. Das ist bei Julius Bär Richard Campbell-Breeden, der seit 2018 im Gremium sitzt. Auch er hat lange Jahre bei Goldman Sachs in London und Hongkong gearbeitet. Der britische Staatsbürger ist aber nur zwei Jahre jünger als Lacher.

Aktienkurs im Aufwind

Und auch der Zeitpunkt für Lachers Abgang scheint nicht ungünstig zu sein. Julius Bär dürfte im vergangenen Jahr einige Fortschritte gemacht haben. Unter den Fall Signa wurde mit einem Komplett-Abschreiber ein Schlussstrich gezogen.

Der Verkauf des Brasilien-Geschäfts, Rückenwind von der Marktentwicklung und besser als erwartete Nettogeldzuflüsse konnten auch der Aktie zuletzt Auftrieb geben. In den letzten drei Monaten des Jahres 2024 stieg der Kurs um 24 Prozent, nachdem er zuvor mit grösseren Ausschlägen eher seitwärts tendiert hatte. Julius Bär wird am 3. Februar das Jahresergebnis 2024 präsentieren.