Der anhaltende Strukturwandel in der Finanzbranche verändert die Vermögensverwaltung und das Berufsbild des Kundenberaters. Das sind die sechs «P-Faktoren», die den Wandel unterstreichen.
Von Luc Schuurmans (oberes Bild), Leiter Private Banking, Bank Linth, und Gabriel Brenna (unteres Bild), Leiter Division Private Banking, Liechtensteinische Landesbank
Die neuen technologischen Möglichkeiten im Internet, die starken Verwerfungen in der Finanzindustrie, der Steuerstreit zwischen verschiedenen Ländern sowie die zahlreichen regulatorischen Veränderungen verändern die Bestimmungsfaktoren im Private Banking enorm.
Dank der Technik kann der Kunde heute zeit- und ortsunabhängig sein Vermögen in einem nie dagewesenen Detaillierungsgrad einsehen und seine Interaktionsart bestimmen (Process). Physische Treffen mit dem Kundenberater treten in den Hintergrund, während die nahtlose Kommunikation über verschiedenste Kanäle (Multi-Channel-Banking) an Bedeutung gewinnt (Place).
Traditionen verschwinden
Auch die digitalen Möglichkeiten der Videotelefonie treten als Alternativen zum klassischen Beratungsgespräch auf.
Dadurch ist die Beziehung zwischen Kunde und Bankberater immer weniger ein Abhängigkeitsverhältnis. Das wiederum erhöht die Bereitschaft der Klientel, das angestammte Institut zu wechseln, sollte die Dienstleistung nicht mehr ihren Ansprüchen und Vorstellungen entsprechen. Mit anderen Worten: Die Tradition, über Generationen hinweg mit derselben Bank «verheiratet» zu sein, verliert an Bedeutung.
Gleichzeitig hängt die Wahl eines Bankinstituts immer weniger von der Marke (Promotion) oder vom einzelnen Bankberater ab, sondern von anderen Faktoren. Neben dem erwähnten Dienstleistungsangebot kommt vor allem der Servicekultur verbunden mit den technischen Möglichkeiten eine entscheidende Rolle zu.
Je mehr Transparenz vorhanden ist, desto stärker gewinnen die Kriterien Performance und Kosten an Gewicht (Performance). Der Kunde erwartet von seiner Bank heute einen so genannten Best-in-Class-Ansatz, und nicht ausschliesslich firmeneigene Produkte. Entsprechend müssen die Banken ihr Sortiment öffnen (Product). Intransparente Vertriebsentschädigungen sind nicht mehr zeitgemäss – die Preismodelle müssen sich verändern.
Zwischen der alten und der neuen Private-Banking-Welt gibt es also zahlreiche Unterschiede, wie die nachstehende Tabelle zeigt.
Die Branche befindet sich heute in einem Übergangsprozess – je nach Kunde und Bank verläuft dieser unterschiedlich. Doch soviel steht fest: Mit dem Paradigmenwechsel verändern sich die Anforderungen an den Kundenberater.
Kundenberater wird zum Coach
Standen früher – vor allem auf Grund einer engen und persönlichen Verknüpfung – die Diskretion und die Sympathie zwischen Kunde und Berater im Vordergrund, so bedarf es künftig zusätzlicher Fähigkeiten.
So stellen zahlreiche Banken die Betreuung der Kunden heute zunehmend durch Teams von Spezialisten sicher (People). So ändert sich entsprechend auch die Rolle des einzelnen Kundenberater, der sozusagen zum Coach wird und je nach Kundenbedürfnis die passende Equipe in seiner Bank zusammenstellt.
Neue Kunden gewinnen
Mit anderen Worten: Der Private Banker mutiert vom klassischen Vermögensverwalter zum aktiven Vertriebsmitarbeiter, der seine Kunden durch einen permanenten und transparenten Leistungsausweis betreut und so auch neue Kunden gewinnen kann.
Zudem beeinflussen die grossen Veränderungen im regulatorischen Umfeld den Leistungserbringungsprozess entscheidend. So treten beispielsweise die Informations- und Dokumentationspflichten und deren effiziente Handhabung immer stärker in den Vordergrund.
Die gestiegenen Anforderungen machen die Aufgabe wie auch die Arbeitsweise eines Kundenberaters noch anspruchsvoller – aber auch spannender.
- Eine längere Version dieses Beitrags ist erschienen in «Private – Das Geld-Magazin 1/2015».