Der Schweizer Finanzsektor hat gemessen an den Börsengängen in den vergangenen fünf Jahren alle anderen Sektoren regelrecht überflügelt. Dieser Trend sollte sich trotz Franken-Schock sogar noch fortsetzen.
Wenigstens an der Schweizer Börse SIX Swiss Exchange scheint die Finanzkrise überwunden zu sein. Im vergangenen Jahr wagten dort nicht weniger als sechs Unternehmen einen Börsengang (Initial Public Offering IPO). Das sind, wie die Kapitalmarktspezialisten der Zürcher Bank Vontobel am Montag berichteten, soviel wie letztmals im Jahr 2007.
Wie sich zeigt, hatten die hiesigen Banken einen entscheidenden Anteil daran: So platzierte die Thurgauer Kantonalbank (TKB) im Mai 2014 ihre Partizipationsscheine an der SIX; im Juni darauf vekaufte die Glarner Kantonalbank Kapital (GLKB) erstmals Aktien ans Publikum. In beiden Fällen floss ein stattlicher Teil des IPO-Erlöses den jeweiligen Kantonen zu.
Acht IPO seit 2010
Der bereits kotierte Derivate-Spezialist Leonteq (ehemals EFG Financial Services) führte zudem eine Kapitalerhöhung durch, um sein rasantes Wachstum zu finanzieren.
Die Börsengänge der beiden Staatsbanken zementierten dabei die Spitzenposition der Schweizer Finanzbranche in Sachen IPO: Kein anderer Sektor war in den vergangenen fünf Jahren so aktiv wie die Banken und Versicherungen (siehe Grafik).
Anzahl Kotierungen an der SIX 2010-2014
Den acht Neuzugängen – der grösste war die Cembra Money Bank 2013 – standen allerdings auch drei Abgänge gegenüber. So wurde die Bank Sarasin 2012 nach der Übernahme durch die brasilianische Safra-Gruppe dekotiert. Bei der National-Versicherungs-Gesellschaft, die 2014 von der Konkurrentin Helvetia übernommen wurde, soll dieser Schritt bald vollzogen werden.
Die Spezialisten der Bank Vontobel sind überzeugt, dass der Trend zu Börsengängen auch in den nächsten Monaten anhalten wird. Auf Grund der höheren Handelsumsätze und der geminderten Kursschwankungen erwarten sie sogar eine «rege Emissionstätigkeit im Bereich Börsengänge». Vor allem etablierte, mittelgrosse bis grössere Unternehmen könnten den Gang aufs Börsenparkett wagen, heisst es weiter.
Mehr Geld für Übernahmen
Gleichzeitig erwarten die Vontobel-Experten mehr Kapitalerhöhungen von bereits kotierten Unternehmen. Dies einerseits wegen des starken Franken. «Kapitalmassnahmen könnten bei Unternehmen notwendig werden, die nach dem SNB-Entscheid Anpassungsinvestitionen tätigen müssen», so die Bank.
Anderseits könnte die weltweit hohe Fusions-Tätigkeit dazu führen, dass verschiedene Firmen auf diese Weise ihre Käufe finanzieren. Gerade bei den Banken erscheint dies auf Grund der um sich greifenden Konsolidierung plausibel.
Zittern um die Dividende
Derweil dürften die Dividenenzahlungen der an der SIX kotierten Firmen stabil bleiben, so die Vontobel-Fachleute. Allerdings fragt sich, ob es sich gerade die stark unter Druck geratene Finanzbranche weiterhin leisten kann, Geld über ihren Aktionäre regnen zu lassen.
Wie sich zeigt (Grafik ganz unten), war der Trend bei den Ausschüttungsquoten zuletzt rückläufig. Besonders bei den Grossbanken UBS und Credit Suisse bangten die Eigner wegen hohen Busszahlungen in den vergangenen Monaten um ihre Dividende – umsonst, wie sich anlässlich der Jahresresultate 2014 zeigte.
Ausschüttungsquoten Finanzdienstleister 2010-2014