Der Wirtschaftskrimi um die mysteriösen DDR-Millionen weist immer neue Wendungen auf. Selbst die Zürcher Kantonalbank diente als Hort für zweifelhafte Gelder. Nun klagt eine Schweizer Privatbank gegen Deutschland.

Rudolfine Steindling 160Was Rudolfine Steindling (Bild links) nach dem Ende der DDR bewerkstelligte, ist ein dreister Betrug. Und mittendrin: Schweizer Institute wie Julius Bär, Cantrade, AKB und die Zürcher Kantonalbank, wie Recherchen von finews.ch ergeben haben.

Aber der Reihe nach: Bereits im vergangenen August war an dieser Stelle über die Klage aus Deutschland gegen Julius Bär berichtet worden. Dabei geht es um eine Summe von 135 Millionen Euro. Auf dieses Geld der ehemaligen DDR-Regierung, das Rudolfine Steindling – auch die «rote Fini» genannt – hatte verschwinden lassen, erhebt Deutschland über die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) Anspruch.

Spuren in die Schweiz

Vor dieser Klage gegen Julius Bär war die BvS in einem anderen Rechtsstreit bereits einmal erfolgreich gewesen: Die AKB Privatbank in Zürich war 2013 vom Bundesgericht verpflichtet worden, 254 Millionen Euro an Deutschland zu zahlen. Den Betrag überwies die Bank Austria, weil sie damals noch die Muttergesellschaft der AKB gewesen war. Inzwischen gehört die AKB der Schweizer IHAG Privatbank (im Besitz der Familien Bührle und Anda) und wurde im vergangenen September in PBZ Verwaltungs AG umbenannt.

Wie Recherchen von finews.ch nun ergeben haben, liessen es die AKB beziehungsweise die Bank Austria nicht auf diesem Gerichtsentscheid beruhen, sondern reichten in Deutschland neue Klagen gegen die BvS ein und forderten die 254 Millionen Euro zurück. Allerdings wurden diese Klagen vom Berliner Landgericht sowie vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Seither laufen Berufungsverfahren.

Vermächtnis mit ins Grab genommen

Die «rote Fini», die seit nunmehr gut zwei Jahrzehnten die Juristen auf Trab hält, verstarb bereits 2012. Sie nahm ihr Vermächtnis der DDR-Millionen mit ins Grab. Denn ein grosser Teil dieser Gelder bleibt verschwunden; mutmasslich über eine halbe Milliarde einstiger D-Mark.

Rudofline Steindling war eine feine Dame der Wiener Gesellschaft – und gleichzeitig Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs, darum ihr Übername. Von den DDR-Oberen um Erich Honecker war Steindling zur Alleingesellschafterin der Auslandsgesellschaften des DDR-Regimes ernannt worden. Dabei ging es um die Firmen Novum und Transcarbon, die für Waren- und Devisengeschäfte mit dem Westen dienten.

Millionen auf Sparhefte einbezahlt

Nach dem Mauerfall transferierte Steindling die Firmengelder auf Konten von Schweizer Banken, unter anderem zur AKB sowie zur damaligen UBS-Tochter Cantrade, die 2005 von Julius Bär übernommen wurde. Von diesen Konten verschwand das Geld jedoch auf Nimmerwiedersehen, was die Banken hätten verhindern müssen, wie man bei der BvS argumentiert.

Gemäss Gerichtsakten liess sich Steindling die Novum-Millionen nach dem Transfer auf Schweizer Konten tranchenweise in bar auszahlen und lagerte das Geld eine Zeit lang in Banksafes. In der Folge soll die Dame die Millionen auf Sparhefte und Wertpapierdepots einbezahlt haben, um so die Spuren ein für allemal zu verwischen.

Rund 100 Millionen Dollar bei der ZKB

Wie finews.ch nun aus Gerichtsakten weiter in Erfahrung bringen konnte, lagen während Jahren rund 100 Millionen Dollar (!) dieser DDR-Gelder auf einem Konto der Zürcher Kantonalbank (ZKB). Auch hier ging die «rote Fini» ausgesprochen umsichtig vor. Bei dem 1992 eröffneten Konto zahlte sie das Geld mittels eines Schecks ein, nachdem erste Klagen der BvS in Deutschland gegen sie eingegangen waren. Die Zweckbestimmung des Kontos lautete: «Sicherstellungskonto Zivilprozess».

Der Prozess gegen Steindling wurde dann bis Anfang 2009 vor Zürcher Gerichten geführt. Dann schloss Deutschland mit der «roten Fini» einen Vergleich über die Summe ab, die auf dem ZKB-Konto lag. Dannzumal waren es 106 Millionen Euro. Die deutschen Behörden liessen sich auf einen Vergleich ein, weil sie offenbar daran zweifelten, über Steindlinger an weitere DDR-Gelder heranzukommen.

Die Zweifel waren berechtigt. Denn diese Millionen auf dem ZKB-Konto waren tatsächlich die einzigen, welche die «rote Fini» abtreten musste. Um an weiteres Geld zu gelangen, änderte die BvS ihre Taktik: Fortan nahm sie die Schweizer Banken ins Visier, über welche die Gelder der «roten Fini» geflossen waren – und hatte im Fall der AKB sogar Erfolg. 

Der Wirtschaftskrimi wird noch lange dauern

Doch dem widersetzt sich nun die AKB – alias PBZ. Wie der Chef der IHAG Privatbank, Heinz Stadler, gegenüber finews.ch erklärte, sind die Bank Austria und ihre ehemalige Tochtergesellschaft AKB der Auffassung, die BvS habe mit dem ZKB-Geld bereits einen wesentlichen Teil des einst in der Schweiz eingeklagten Gesamtbetrages erhalten. Ausserdem sei es zu Pflichtverletzungen nach deutschem Recht gekommen. Darum werde heute auf Schadenersatz geklagt.

Wie dieser Wirtschaftskrimi ausgeht, steht in den Sternen. Die Berufungsverfahren in Berlin können noch Monate dauern. Und das Verfahren der BvS gegen Julius Bär vor dem Bezirksgericht Zürich steht erst am Anfang.

Die Millionen der DDR, welche die «rote Fini» so schlau hat verschwinden lassen, werden trotz dieser Verfahren wohl nie wieder auftauchen.