Stéphanie Gibaud arbeitete 13 Jahre für die UBS in Frankreich. Sie wurde von ihren Vorgesetzten massiv unter Druck gesetzt, nachdem sie begonnen hatte, die illegalen Steuertricks der Bank in Frage zu stellen.
Stéphanie Gibaud (Bild) stiess 1999 zur UBS France, wo sie im Range einer Direktorin in der Kommunikationsabteilung arbeitete. Dort war sie unter anderem für die Organisation von Kundenanlässen verantwortlich. Bis 2007, also bis die UBS in die Krise geriet, ging alles gut.
Gibaud ahnte in keiner Weise, dass sie heikle Informationen besass, nämlich Daten von Kunden, die offenbar mit Hilfe der Schweizer Grossbank Steuern hinterzogen, wie sie in einem Interview mit dem Schweizer Informationsdienst «swissinfo» erklärt.
Nur sehr reiche Kunden
Nachdem die UBS im Jahr 1999 ihre Aktivitäten im Vermögensverwaltungsgeschäft in Frankreich intensiviert hatte und in der Folge zahlreiche regionale Büros eröffnete, war Gibaud gemäss eigenen Worten mitverantwortlich für die Veranstaltung von jährlich etwa 100 Kundenanlässen. Sie wusste damals nicht, dass dabei die französische Klientel gezielt für unversteuerte Konten (in der Schweiz) rekrutiert wurde.
Das Zielpublikum dieser Veranstaltungen waren dem Vernehmen nach sehr reiche Kunden in Frankreich – potentielle und aktuelle –, für die Gibaud im Auftrag der UBS Sport-, Kultur- und Gesellschafts-Anlässe gestaltete. Wobei man sich dabei ausschliesslich an Personen oder Familien mit «mehreren hundert Millionen Euro.
Massiver Druck der Vorgesetzten
Erst 2008 und 2009, nachdem in den USA der ehemalige UBS-Mitarbeiter Whistleblower Bradley Birkenfeld für Aufsehen gesorgt und die Schweizer Grossbanken vor Gericht gebracht hatte, wurde sich Gibaud bewusst, dass sie sich mit ihrer Arbeit nach französischem Gesetz strafbar machen könnte.
Als sie bei ihren Vorgesetzten diesbezüglich vorstellig wurde, wimmelte man sie ab, sagte, sie sei müde, sie solle Ferien nehmen. So nahm die Affäre ihren Laufe, zumal Gibaud in der Folge von ihren Chefs auch massiv unter Druck gesetzt und permanent beobachtet wurde.
Alle verstummten
Bald einmal galt sie als Störfaktor und sollte – wie eine Reihe anderer Mitarbeiter – entlassen werden, wie sie in dem Interview weiter berichtet. Da in Frankreich der Schutz der Arbeitnehmer relativ stark ausgebaut ist, konnte die Schweizer Grossbank Gibaud aber nicht einfach los werden.
In der Folge wurde die Mitarbeiterin von ihren Vorgesetzten aufgefordert, Kundendaten auf ihrer Harddisk sowie in ihren Unterlagen zu zerstören. Als sie sich weigerte, dies zu tun, wurde sie von ihrem Posten abgesetzt. Gleichzeitig erhöhten ihre Chefs den psychologischen Druck auf sie, überwachten sie und hörten ihre Telefongespräche ab. «In meiner Anwesenheit verstummten alle Mitarbeitenden sogleich», erinnert sich Gibaud in dem Interview.
Karriere geopfert
Im Jahr 2009 klagte die Französin gegen die UBS, und zwei Jahre später wurde sie von der französischen Finanzpolizei kontaktiert. Insofern spielte sie eine wichtige Rolle auf den Ermittlungen, die nun gegen die Schweizer Grossbank verwendet werden.
Gibaud ist überzeugt: «Wenn ich nicht ausgepackt hätte, wäre ich von der UBS angezeigt worden, und die Bank selber hätte sich so von der ganzen Angelegenheit geschickt entledigen können. Wer in einer solchen Sache schweigt, macht sich zum Komplizen», sagt Gibaud, die dafür ihre Karriere geopfert hat und heute «ihre Ehre für sich und ihre Familie» wieder finden und dieses Kapitel in ihrem Leben abschliessen möchte.
Gemolken wie eine Kuh
Anfang dieses Jahres publizierte die frühere UBS-Mitarbeiterin das Buch «La femme qui en savait vraiment trop». Gibauds Verlag spricht davon, dass seine Autorin am Ursprung der «affaire UBS» gestanden habe. Im Buch berichtet die Marketing-Frau unter anderem auch von der «Milchbüchlein»-Praxis, bei der Kunden, ihre Berater und die gebuchten Summen auf Papier gebracht werden; es sei eine Parallel-Rechnung gewesen, die in der Buchhaltung nicht aufgetaucht sei.
Wobei der Begriff Milchbüchlein nicht etwa aus der bekannten schweizerischen Tradition stammen soll, sondern: Die UBS-Kaderleute hätten damit gewitzelt, dass Frankreich eben die Kuh sei, die es zu melken gelte... Auch behauptet Gibaud, dass UBS-Berater Gelder persönlich über die Grenze geführt hätten.
Fragwürdige Plattform
Während der UBS inzwischen eine milliardenhohe Strafe in Frankreich droht, widmet sich Gibaud ihrerseits dem Aufbau einer Whistleblower-Plattform namens PILA (Plateforme internationale dédiée aux lanceurs d'alerte). Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass zu den Gründungsmitgliedern dieser Institution auch der strafrechtlich gesuchte Hervé Falciani gehört.
Wie erinnerlich war er IT-Mitarbeiter bei der britischen HSBC Private Bank in Genf, wo er Tausende von Kundendaten stahl und in der Folge versuchte, diese der meistbietenden Behörde zu verkaufen.
Die UBS distanziert sich vom Inhalt des oben erwähnten Buches und den Aussagen der Autorin. Die Bank will sich auch nicht weiter dazu äussern, dies auf Grund der aktuellen laufenden Verfahren in Frankreich.