Früher kämpften Angestellte aus dem Kleingewerbe um ihren Lohn vor dem Arbeitsgericht. Heute fordern dort Banker ihr Recht auf Bonuszahlungen ein.

«Am Arbeitsgericht Zürich machen heute Banken, Versicherungen, Vermögensverwaltungen einen Grossteil der Klientel aus», sagt Hans-Peter Egli, abtretender Leiter des Zürcher Arbeitsgerichts, in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» am Montag.

Häufig werde dabei um Bonus-Zahlungen gestritten – manchmal auch ziemlich heftig. «Das hat damit zu tun, dass die Boniregelungen der Banken oft nicht klar sind», präzisiert Egli. Nach einer Kündigung würden Arbeitgeber manchmal die Bonuszahlungen kürzen. Vor Gericht geht es dann darum, die Regelungen anzuschauen und zu interpretieren, ob dem Angestellten nun ein Bonus zustehe oder nicht.

Ätzend für den Richter

Seine Erfahrung der letzten zehn Jahre sei die, dass die Mentalität der Geldgier von den Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltungen den Angestellten bis in die unteren Chargen eingeimpft wurde, führt Egli weiter aus. «Wenn ich als Richter herausfinden musste, ob jemand zwei oder zweieinhalb Millionen an Boni zugute hatte, fand ich das eher ätzend».

Dass heute die Finanzbranche und nicht mehr das Kleingewerbe mehrheitlich vor dem Arbeitsgericht erscheint, führt Egli auf die seit 2011 geltende neue Zivilprozessordnung zurück. Diese verlangt, dass alle zuerst vor den Friedensrichter gehen müssen. Die Fälle, bei denen der Streitwert nicht allzu hoch ist, werden heute meist vor dem Friedensrichter erledigt. Der durchschnittliche Streitwert vor dem Arbeitsgericht «ist heute eine fünfstellige Zahl», ergänzt Egli.

Urteile werden häufiger weitergezogen

Die Urteile würden in der Regel aber an die nächste Instanz weitergezogen. «Wer einen Vergleichsvorschlag nicht annehmen kann, der akzeptiert auch das Urteil nicht.

Denn mit einem Vergleichsvorschlag zeige ich ja immer schon an, in welche Richtung das Urteil gehen wird», führt der scheidende Leiter des Arbeitsgerichts aus.