Der CEO von Julius Bär skizziert im Interview mit finews.ch, wie er sich in Asien durchsetzen will.
Herr Collardi, Julius Bär soll die «Patek Philippe» der Privatbanken in Asien werden. Was heisst das?
Wir wollen ein exklusives Produkt anbieten, keine Massenkonfektion. Unser Ziel ist deshalb nicht Volumen, sondern Qualität, wie das eine Uhr von Patek Philippe ist.
Der Kampf um die Super-Reichen in Asien ist mittlerweile enorm hart. Wieso sollte sich ausgerechnet Julius Bär durchsetzen können?
Es ist nicht so, dass wir heute Morgen aufgewacht sind und uns gesagt haben: ‹Ok, jetzt gehen wir nach Asien›. Seit 2005 haben wir langsam, aber stetig unsere Präsenz in dieser Region ausgeweitet.
«Viele Kunden suchen noch etwas Kleines, Exklusives»
Viele vermögende Kunden geschäften bereits mit einer grossen Bank, suchen daneben aber noch etwas Kleineres, Exklusives – eine Bank, bei der sie gelegentlich auch den CEO oder den Verwaltungsratspräsidenten persönlich treffen können. Das schafft enorm viel Vertrauen.
Was sind das für Kunden, die Sie ansprechen wollen?
Vor allem Unternehmer, die in den vergangenen Jahren viel Geld erwirtschaftet haben und via Börsengang ihrer Firma nun ein Vermögen besitzen. Diese Klientel hat oft investierbare Vermögen zwischen 20 und 50 Millionen Franken.
Asien soll der «zweite Heimmarkt» von Julius Bär werden, tönt es jetzt allenthalben aus Ihrem Hause. Ist das mehr als nur ein schöner Slogan?
Absolut. Das kann nur eine Bank behaupten, die in der Region bereits etabliert ist. Kaum eine andere Schweizer Privatbank verfügt über soviel Asien-Erfahrung wie Julius Bär. Ich habe mehrere Jahre in Singapur gelebt und gearbeitet, genauso wie unser Asien-Chef Thomas Meier. Auch Gian Rossi, Regionenleiter Europa, wie auch Bernhard Hodler, unser Chief Risk Officer, bringen diesbezüglich viel Know-how in die Geschäftsleitung ein.
«Bis 2015 wollen wir unsere Vermögen in Asien verdoppeln»
Mit «Dr. Van»* und seinem Team haben wir eines der besten Teams für Research und volkswirtschaftliche Analyse. Insgesamt beschäftigen wir in Asien im Moment gut 400 Leute. Das ist mehr als zehn Prozent der Belegschaft. Und es werden bald noch mehr sein.
Aber was heisst das, «zweiter Heimmark»?
Asien ist unser zweites Standbein. Das können wir sagen, weil wir in dieser Region keine neue Marke sind, sondern bereits eingeführt sind und darum über ein enormes Ausbaupotenzial verfügen. Zurzeit stammen rund 10 bis 15 Prozent der verwalteten Vermögen aus der Region Asien. Dies möchten wir bis 2015 auf 20 bis 25 Prozent steigern, somit verdoppeln.
«Es gibt jede Menge ‹late movers› im Markt»
Solche ambitiösen Ziele hört man auch von anderen Schweizer Banken in Asien.
Ja, schon. Doch ich würde einmal behaupten, dass sich unsere Aufbauarbeit der letzten Jahre nicht so einfach replizieren lässt. Inzwischen gibt es jede Menge «late movers» im Markt. Ich weiss nicht, ob es diesen Banken gelingen wird, sich durchzusetzen.
Inwiefern ist der asiatische Kunde anders?
Grundsätzlich investiert er aggressiver als die europäische Klientel. Er handelt auch schneller mit enorm viel Leverage. Die Kunden verlangen Kredit, um ihre Engagements noch zu verstärken. Da liegt es an uns, manchmal Gegensteuer zu geben, zumal wir selber eher konservativ sind. Das ist uns beispielsweise während der ganzen Finanzkrise sehr zugute gekommen ist. Auf unseren Kreditbüchern mussten wir nur ganz minime Einbussen verzeichnen.
«Die hohe Volatilität wird uns auch künftig beschäftigen»
Seit das Bankgeheimnis in der Schweiz nicht mehr das ist, was es frühere einmal war, streben viele hiesige Banken nach Asien. Ist das nicht etwas blauäugig?
Natürlich wird es auch Enttäuschungen geben. Besonders für jene Akteure, die den Markt zu wenig und das Verhalten der Kunden nicht ausreichend kennen.
Wo liegen die Risiken im asiatischen Markt?
Bei jeder Expansion müssen die Prozesse und Systeme stimmen, sonst können Sie keine grossen Vermögen verwalten. Ausserdem braucht es sehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wiederum ihren Preis haben. In Singapur liegen die Löhne bereits wieder auf dem Niveau von vor der Krise. Doch auch hier zahlt sich unser Vorsprung aus. Wir haben viele Leute bereits früher rekrutiert. Das Gleiche gilt für unsere Infrastruktur, die wir bereits vor 2006 aufgebaut haben.
Wie beurteilen Sie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Asien?
Alle Blicke richten sich nach China. Bislang hatten die dortigen Ökonomen und Behördenvertreter eine gute Hand bei der Dosierung der wirtschafts- und geldpolitischen Massnahmen. Das sind alles Leute, die im Westen studiert haben und profunde Kenntnisse haben. Persönlich sehe ich die grössten Risiken im Immobiliensektor, bei der Kreditvergabe der chinesischen Banken sowie in der hohen Volatilität an den Märkten. Sie wird uns auch künftig beschäftigen. Darum bleibt es unerlässlich, sämtliche Entwicklungen aus nächster Nähe zu beobachten.
*Dr. Venkatraman Anantha Nageswaran
Julius Bär ist gemäss eigenen Angaben die führende Private-Banking-Gruppe in der Schweiz, ausschliesslich ausgerichtet auf die Betreuung und Beratung von Privatkunden. Julius Bär betreute Ende April 2010 Kundenvermögen von insgesamt 266 Milliarden Franken. Das Unternehmen beschäftigt mehr als 3'000 Mitarbeitende in über 20 Ländern und rund 40 Standorten.
Boris F. J. Collardi zählt zu den jüngsten Bankchefs in der Schweiz. Er wurde 1974 geboren und wuchs in Nyon auf. Er stiess bereits 1993 zur Credit Suisse, wo er eine steile Karriere, insbesondere im Private Banking, machte. Er war zeitweilig Assistent von Oswald Grübel und später auch die rechte Hand von Alex Widmer. Collardi profilierte sich vor allem bei der Expansion der CS in Südoastasien, bevor er 2006 zur Bank Julius Bär wechselte. Nach dem unerwarteten Tod von Julius-Bär-CEO Alex Widmer wurde Collardi im Oktober 2009 offiziell zu dessen Nachfolger ernannt.