In einer Serie unterhalten sich Christian Katz, CEO der SIX Swiss Exchange, und Claude Baumann von finews.ch über brisante Themen aus der Finanzwelt.


Katz_Baumann_1Herr Katz (im Bild rechts), wann war Ihnen klar, dass Barack Obama diese Wahlen gewinnt?

Ich habe bereits bei unserem letzten Interview vor einem Monat gesagt, dass der Zug für Mitt Romney schon abgefahren sei. Romney hat seine Chancen relativ früh gefährdet, weil er verschiedentlich seine Meinung zu wichtigen Themen geändert hat. Das geht nicht.

Hat Mitt Romney oder hat die Republikanische Partei diese Wahlen verloren?

Der Partei ist es nicht gelungen, eine Persönlichkeit aufzustellen, welche die breite Masse erreicht – eine Figur, die das heute heterogene Amerika besser anspricht als der jetzige Präsident. Dabei hätte es ein mehrheitsfähiger Kandidat relativ einfach gehabt, denn angesichts der akuten wirtschaftlichen Probleme und der hohen Arbeitslosigkeit war Barack Obama in einer wenig beneidenswerten Ausgangslage.


«Bis Ende Jahr droht ein Schreckgespenst»


Doch die Republikanische Partei hat es versäumt, eine Person zu nominieren, die mit Kopf UND Herz das «neue» Amerika auf ihre Seite bringt.

Wie geht es weiter in Washington?

Vieles bleibt gleich. Wichtiger als die Politik, wo Barack Obama mit dem republikanisch-dominierten Kongress viele Kompromisse wird eingehen müssen, ist für die Wirtschaft die Geldpolitik. Durch die Wiederwahl wird Ben Bernanke als Notenbank-Chef im Amt bleiben und seine seit 2008 klare und konsistente Geldpolitik fortführen. Das ist sicherlich ein stabilisierender Faktor.

Was wird anders?

Mit seinem Leitsatz «Yes we can» machte Barack Obama vor vier Jahren viele Versprechen, die er bisher nur spärlich umgesetzt hat. Bis Ende Jahr droht das Schreckgespenst «Fiscal Cliff», das zu einer automatischen Ausgabenkürzungen und zum Auslaufen von Steuerentlastungen respektive einer Schuldenobergrenze im öffentlichen Sektor führen würde, sofern die beiden politischen Parteien keine Lösung finden.


«Obamas nächste Prioritäten bleiben eher im Vagen»


Im Markt herrscht indessen grosse Hoffnung, dass sich die Politik zu einer Lösung durchringen kann, denn ein «Fiscal Cliff» hätte einen enorm negativen Einfluss auf die US-Wirtschaft. Hier ist Präsident Obama gefordert.

Besteht nicht wieder die Gefahr, dass man sich in den USA weiter durchwurstelt – «muddling through», nennt man das – immer im Wissen, dass die Probleme dadurch in keiner Weise gelöst werden, weil man sie unter einen «monetären Teppich» kehrt?

Absolut. Das wurde auch unmittelbar nach der Wahl wieder klar, als Barack Obama eine hoch emotionale und rhetorisch brillante Rede über amerikanische Werte hielt, aber bezüglich der Prioritäten für seine nächste Amtszeit eher im Vagen blieb. Mit diesem «muddling through» besteht zugegebenermassen die grosse Gefahr, dass erforderliche Prozesse blockiert werden.

Was bedeutet das für die Finanzmärkte?

Es erstaunt mich immer wieder, wenn ich höre, dass die Märkte volatil seien. Das ist Unsinn. Der Volatilitätsindex VIX ist mit einem Wert von 17,5 Prozent tief und liegt unter dem Dreijahres-Durchschnitt. In der Schweiz ist der vergleichbare Index VSMI mit 12,5 Prozent sogar auf einem Sechsjahres-Tief.


«Die monetäre Expansion geht ungehemmt weiter»


Mit anderen Worten: Die Börsen sind extrem stabil, was primär auf die grosszügige Geldpolitik – dem so genannten «Geldteppich» – der wichtigsten Notenbank zurückzuführen ist. Erst ein «Fiscal Cliff» und eine Schuldenobergrenze in den USA oder grössere Turbulenzen in Europa würden die Märkte wieder markant volatiler machen.

Was verleitet denn so viele Beobachter dazu, von volatilen Märkten zu sprechen, wenn das gar nicht der Fall ist?

Wenn man keine klare, inhaltlich fundierte Einschätzung abgeben kann oder nicht mehr weiter weiss, ist es sehr beliebt von «erhöhter Volatilität» zu sprechen. Da liegt man vordergründig immer richtig.

Wenn also die Märkte ruhiger und sicherer werden, dürfte auch der Goldpreis fallen. Richtig?

Ich möchte keine Kaufempfehlung für Gold abgeben, das ist nicht meine Aufgabe. Dennoch muss das nicht unbedingt stimmen, im Gegenteil. Die monetäre Expansion der Notenbank geht ja ungehemmt weiter. Vor diesem Hintergrund werden sich viele Anleger weiter mit dem gelben Edelmetall eindecken. Ausserdem hat sich Gold vom Krisen- zum Inflations-Hedge gewandelt.


Christian_Katz_180_2Christian Katz leitet innerhalb der SIX Gruppe den Geschäftsbereich Swiss Exchange. Dieser betreibt die Schweizer Börse SIX Swiss Exchange sowie das Joint-Venture Scoach, die europaweit erste spezialisierte Börsenorganisation für strukturierte Produkte. Zudem verantwortet er den europäisch führenden Indexanbieter STOXX, sowie die Swiss Fund Data.

Vor seinem Eintritt Anfang 2009 führte der 44-jährige Christian Katz das Representative Office von Goldman Sachs in der Schweiz, wo er sich auf das institutionelle Aktien- und Aktienderivatgeschäft fokussierte. Zuvor war er acht Jahre für J.P. Morgan Chase tätig.