Staatsanleihen sind zu zinslosen Risikopapieren verkommen. Umso mehr erstaune es, wie viele Investoren solche Anlagen noch hätten, sagt Finanzprofessor Maurice Pedergnana.
Trotz jüngstem Schuldenerlass bleiben die Probleme in der Struktur der griechischen Wirtschaft unverändert. Dennoch sind prominente US-Ökonomen wie Paul Krugman und Paul Volcker mit ihren Prognosen des Zusammenbruchs der Eurozone innert Tagen kläglich gescheitert.
Dabei sollten sie wissen, dass der Austritt Griechenlands aus der Eurozone nichts bringen würde. Ein Pleite-Staat bleibt pleite, egal in welcher Währung.
Ironie der Geschichte
Und mit 100 Prozent Garantie würden die Euro-Regierungen und der IWF kein Reformprogramm finanzieren, das nicht glaubhaft ist. Griechenland kommt nicht darum herum, die realen Lohnkosten zu senken. Der Marathon zu wettbewerbsfähigen Strukturen hat erst begonnen.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Mario Draghi als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) einen wichtigen Teil zur vorübergehenden Krisenentschärfung beitragen durfte.
Auf der Lohnliste von Goldman Sachs
Zum Zeitpunkt der Aufnahme Griechenlands in die Eurozone stand er noch auf der Lohnliste von Goldman Sachs, jener amerikanischen Investment Bank, welche die Zahlen und Schulden Griechenlands 2001 so stark verdreht und verschachtelt hatte, dass es niemandem in Brüssel auffallen mochte.
Für Goldman Sachs wurde diese Aktion mit Beratergebühren von über 300 Millionen Euro zu einem extrem profitablen Geschäft. Zugleich war es für die Euro-Zone das Initial-Ereignis für die grösste Krise ihrer Geschichte. Der Chef für europäisches Risiko-Management bei Goldman Sachs in London war damals mit Mario Draghi einer, der ein Jahrzehnt später erneut eine grosse Rolle in der europäischen Schuldenkrise spielen sollte.
Angela Merkel bleibt hartnäckig
In der griechischen «Rekapitalisierungs-Übung» gab es einen Spielverderber. Dank der hartnäckigen deutschen Regierung, die sich vor allem auch aus dem angelsächsischen Raum allerlei Vorwürfe anhören musste, mussten sich an der Umschuldung auch Privatpersonen und Privatunternehmen beteiligen – allen voran die mit maroden Staatsanleihen voll gepumpten Geschäftsbanken, aber auch Versicherungen und Hedge Funds.
Dass private Anleger für ihre früheren Investitionsentscheidungen auch das Risiko tragen, ist in einer Marktwirtschaft vollkommen in Ordnung. Auch wenn die viel zitierte Freiwilligkeit jener Art war, «wie das Geständnis während der spanischen Inquisition freiwillig war», um den Commerzbank-Vorstandssprecher Martin Blessing zu zitieren.
Beispiel Credit Suisse
Nur allzu gut mögen wir uns erinnern, wie supranationale Institutionen früher einzelnen Krisenstaaten immer wieder mit Milliardenbeträgen geholfen und dabei insbesondere auch den Privatsektor indirekt subventioniert haben.
Dank einer solchen Intervention hat die Credit Suisse beispielsweise in der Russland-Krise von 1998 zwei Milliarden Franken gewonnen, die sie buchhalterisch bereits als abgeschrieben betrachten musste.
Staatsanleihen als zinslose Risikopapiere
Die privaten Gläubiger von schlechten Schuldnern müssen umlernen. Sie waren bislang im Glauben, dass in der Not die Weltbank, der internationale Währungsfonds oder eine Staatengemeinschaft einspringen würde, wenn's draufankommen sollte.
Jahrelang wurden die Privaten von Verlusten verschont und zockten immer weiter mit immer schlechteren Staatspapieren. Die Regulatoren setzten auch absurde gesetzlich verankerte Massstäbe: Es gäbe kein risikoloseres Wertpapier als eine Staatsanleihe, und deshalb benötige man dafür auch keine Eigenmittel.
Kolossale Fehleinschätzung
Das mag für die Schweiz zutreffen, in mehr als 90 Prozent aller Staaten auf dieser Welt ist das eine kolossale Fehleinschätzung ohne historisches Fundament und ohne ökonomische Evidenz.
Staatsanleihen sind mittlerweile in erster Linie zu zinslosen Risikopapieren geworden. Umso mehr erstaunt es, wie viele davon in den Anlagen von Pensionskassen, Versicherern und Vorsorgestiftungen vorzufinden sind. Ist das wirklich im Interesse jener, die heute Geld sparen, um in zehn oder zwanzig Jahren davon zu zehren?
Rasch einmal 10 Prozent Verlust
Jetzt sehen wir mal von der Zockerei mit griechischen Staatsanleihen ab. Nehmen wir solide deutsche Bundesanleihen. Angesichts der Inflation müsste die Rendite zehnjähriger Anleihen bei 2,5 Prozent bis 3,5 Prozent liegen, aber nicht bei 1,8 Prozent.
Bei den derzeitigen Inflationsraten und erwarteten Preisanstiegen erleidet der Investor einen jährlichen realen Wertverlust von 0,5 bis 1,0 Prozent. Bei längerfristigen Bundesanleihen sind das rasch einmal 10 Prozent.
Ein 100-jähriger Trend
In den USA liegt der drohende Wertverlust bei den Staatsanleihen bereits bei 10 bis 20 Prozent – hinzu kommt das Wechselkursrisiko. Interessant ist dabei der Hinweis auf die statistische Erfahrung, dass sich der Dollar gegenüber dem Schweizer Franken um jährlich 3 Prozent abwertet – seit hundert Jahren hält dieser Trend an!
8,4 Billionen Euro gross ist allein der europäische Markt für Staatsanleihen. Auf Grund der gestiegenen Risiken sinkt die Nachfrage nach solchen Wertpapieren. In fast unbegrenzter Höhe konnten Geschäftsbanken bei der Europäischen Zentralbank zu einem Zinssatz von nur 1 Prozent Geld aufnehmen – hinter vorgehaltener Hand war damit der Wunsch verbunden, mit dem zu einem subventionierten Zinssatz angebotenen Zentralbankgeld Staatsanleihen zu kaufen.
Steigende Inflationsraten
Doch mit immer neuen Rettungsmilliarden wird das Risiko der Inflation steigen. Führende Ökonomen rechnen, dass in ein paar Jahren die Inflationsraten wieder bei mehr als zwei Prozent (Schweiz) oder vier Prozent (Eurozone) liegen werden. Das spüren immer mehr Menschen und versuchen, ihre Vermögen dort zu investieren, wo es ihnen sicher erscheint.
Wer angesichts solcherlei Perspektiven heute für die langfristigen Anleger im Asset Management vor allem Investitionen in Staatsanleihen vornimmt, wird tiefe Löcher in unsere Altersvorsorge bohren. Und wer stopft dann diese?
Maurice Pedergnana ist Professor am Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Er doziert unter anderem die Nachdiplom-Lehrgänge MAS Pensionskassen-Management und MAS Asset Management.