Der Zusammenbruch von FTX hat den Druck auf digitale Anlagen verstärkt. Führende Banken sehen die Aussichten für Token und Coins aber nicht nur negativ – im Gegenteil.
Nach dem Zusammenbruch der Krypto-Börse FTX sind die wichtigsten Kryptowährungen laut dem Analysedienst Coinmarketcap auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Jahren gefallen. Marktvolatilität, regulatorische Unsicherheit und mangelnder innerer Wert wurden in der Vergangenheit als Hauptgründe gegen die Einführung von Krypto-Währungen angeführt. Nun kommt noch kriminelle Energie hinzu.
Doch dieses Mal scheint die Stimmung bei den Banken weltweit positiver zu sein. Dies trotz den Enthüllungen und den Aussagen des neuen FTX-Chefs und ehemaligen Enron-Abwicklers John Ray III, der bei der Börse auf den Bahamans ein Versagen von Kontrollen beobachtete, wie er es noch nie erlebt habe.
Beschleunigte Regulierung
Die wichtigste Triebkraft für Optimismus sehen die Banken in den grösseren Chancen auf strengere und klarere Vorschriften. Das wäre ein wichtiger Faktor, um das Risiko für traditionelle Finanzinstitute zu mindern und den Markt attraktiver zu machen.
Steven Alexopoulos, ein Aktienanalyst bei der amerikanischen Grossbank J.P. Morgan – einst einer der lautesten Krypto-Bären der Finanzbranche – beschrieb den jüngsten Niedergang von FTX als «einen Schritt zurück und zwei Schritte vorwärts». Die Pleite könnte zu einem beschleunigten Fahrplan für Krypto-Regulierungen führen, hofft er.
«Wir sehen die Schaffung eines regulatorischen Rahmens als den notwendigen Katalysator, um die institutionelle Akzeptanz von Krypto massiv zu steigern», sagte Alexopoulos in einer aktuellen Bewertung. «Während die Nachricht vom Zusammenbruch von FTX die Krypto-Skeptiker ermutigt, möchten wir darauf hinweisen, dass alle jüngsten Zusammenbrüche im Krypto-Ökosystem von zentralisierten Akteuren und nicht von dezentralen Protokollen ausgingen.»
«Wir plädieren weiterhin dafür, dass die Regulierungsbehörden von Kryptounternehmen schnellstmöglich verlangen sollten, dass sie sich an die Regeln halten, die für traditionelle Anlageprodukte gelten», schieb Marion Laboure, Makro-Strategin bei der Deutschen Bank, in einem Social-Media-Post. «Obwohl die Anleger erhebliche Verluste erlitten haben, glauben wir, dass dieser zweite Krypto-Winter unter dem Strich positiv sein wird, weil der Zusammenbruch von FTX das Krypto-Ökosystem näher an den etablierten Finanzsektor angleichen wird.»
Vertrauen erschüttert wie nie zuvor
Trotz der positiven Aussichten hat der aktuelle Krypto-Winter dem allgemeinen Anlegervertrauen geschadet, und die Zeitspanne für einen Aufschwung hat sich wahrscheinlich verlängert.
«Das Vertrauen in Kryptowährungen ist erschüttert wie nie zuvor, was darauf hindeutet, dass die Wunden der aktuellen Krise viel mehr Zeit zum heilen brauchen werden», heisst es von Carsten Menke, Leiter des Next Generation Research bei der Zürcher Privatbank Julius Bär. «Das nach wie vor vorhandene langfristige Potenzial digitaler Vermögenswerte aufgrund der ihnen zugrundeliegenden Blockchain-Technologie ist vorerst stark aus dem Fokus gerückt.»
«Ein Teil des Aufstiegs digitaler Vermögenswerte wurde durch zu viel Liquidität angetrieben. Derzeit sind sie Teil dieses Liquiditätsentzugs», sagt CIO Philipp Bärtschi, Investmentchef bei der brasilianisch-schweizerischen J. Safra Sarasin. «Aber wir glauben, dass Krypto-Anlagen langfristig interessant sind. Ich würde keinen schnellen Aufschwung erwarten, aber ich denke, dass es einen Platz für Krypto-Assets gibt.»
Gewinner ist Binance
Während die Gesamtgrösse des Marktes und seine Entwicklung beeinträchtigt wurden, hat Marktführer Binance den Abstand zu seinen Konkurrenten weiter vergrössert.
«Die Marktkonzentration ist grösser denn je, wobei Binance der grösste Gewinner ist», sagte Laboure von der Deutschen Bank. «Binance hat sich auf absehbare Zeit an der Spitze des Kryptomarktes etabliert, es sei denn, es spielt seine regulatorische Karte falsch aus», fügte Kelly Chia, ein weiterer Analyst von Julius Bär, hinzu.