Die Fronten in der Nachhaltigen Finanz verhärten sich zusehends, wie sich nun auch in der Schweiz zeigt. «ESG ist kein billiger Weg, sich auf dem Markt zu positionieren und hohe Gebühren für Produkte zu verdienen, die mittelmässig sind», sagt Pionier Sasja Beslik zu finews.ch.
Die Greenwashing-Vorwürfe sind mittlerweile allgegenwärtig. Beinahe zeitgleich mit der neuesten Studie des Branchenverbands Swiss Sustainable Finance (SSF) zu nachhaltigen Investments in der Schweiz meldeten die Umweltaktivisten von Greenpeace am Donnerstag Kritik an: Sie warfen der SSF vor, den Begriff der Nachhaltigkeit in der Studie zu verwässern und damit dem Greenwashing, also dem Nachhaltigkeit-Etikettenschwindel, Vorschub zu leisten.
Dies, obwohl die Studie eigentlich die Fortschritte des Finanzplatzes in der Thematik aufzeigen wollte. Laut SSF beläuft sich das Volumen nachhaltiger Fonds hierzulande auf 799,5 Milliarden Franken, was einer Zunahmen um ein knappes Drittel zum Vorjahr entspricht. Die Branche ist demnach auf guten Weg, die Schweiz als internationalen Hub für die Nachhaltige Finanz zu positionieren.
«Kein Nice to have»
Das dies gleich wieder von Kritik übertönt wird, ist Sasja Beslik (Bild unten) zufolge symptomatisch. Beslik gilt als Pionier der Nachhaltigen Finanz und war bis vergangenen Sommer Leiter Sustainable Finance Development bei der brasilianisch-schweizerischen Privatbank J. Safra Sarasin und zuvor verantwortlich für ESG-Investitionen (Fokus auf Umwelt, Gesellschaft und gute Geschäftsführung) beim skandinavischen Fondsanbieter Nordea Asset Management. Zudem betätigt er sich als Autor und Blogger zu Nachhaltigkeit-Themen.
«ESG ist kein ‹Nice to have› oder ein billiger Weg, sich auf dem Markt zu positionieren und hohe Gebühren für Produkte zu verdienen, die mittelmässig sind», mahnt er im Gespräch mit finews.ch. Dies sagt er als aktives Branchenmitglied, wirkt er doch neuerdings als Investmentchef der auf Nachhaltigkeit spezialisierten Fondsfirma SDG Impact Japan.
(Bild: J. Safra Sarasin)
Harte Gangart
Ihm zufolge ist die harte Gangart, die Behörden und Aktivisten in Sachen Greenwashing anschlagen, ein Folge der Art und Weise, wie Vermögensverwalter oftmals in Nachhaltigkeit investieren. «Sie kaufen den MSCI-Index, nehmen das oberste Quartil jedes Sektors und sagen dann: Das ist unser Universum, in das wir investieren. Das war’s», erklärt Beslik das Vorgehen.
Doch dieser Ansatz werde nicht Bestand haben, ist sich der Nachhaltigkeit-Pionier sicher. «Diejenigen, die glauben, dass sie gratis und franko in den ESG-Bereich expandieren können, machen sich etwas vor», sagt der Ex-Sarasin-Banker.
Tatsächlich sind die Kosten für mutmasslich unhaltbare Nachhaltigkeits-Versprechen gerade enorm gestiegen. So hat die deutsche Polizei vergangene Woche die Büros von DWS durchsucht, der Fondstocher der Deutschen Bank. Dies, nachdem die ehemalige Nachhaltigkeits-Chefin des Instituts Greenwashing-Vorwürfe erhoben hatte und damit die Behörden auf den Plan rief. In Reaktion auf die Razzia trennte sich DWS vom bis dato erfolgreichen Chef Asoka Wöhrmann.
Nicht die letzte Razzia
Das Exempel DWS jagt nun Investmentprofis weltweit einen Schauer über den Rücken. Es gebe viele Managementteams in ganz Europa, die sich Sorgen darüber machen, was sie in der Vergangenheit kommuniziert haben, weiss Beslik zu berichten. Sie fragten sich: Könnten wir die nächsten sein? Der Pionier der Nachhaltigen Finanz erwarten nun, dass es noch weitere Razzien wegen Greenwashing geben wird.
In der Schweiz hat der Branchenverband Swiss Asset Management Association (AMAS) derweil die Flucht nach vorne angetreten. Wie auch finews.ch berichtete, hat die Lobby vergangenen Mai auf Vorrat zugegeben, dass Greenwashing bei hiesigen Fondsfirmen vorkommt. Für die Zukunft hat AMAS aber Nulltoleranz ausgerufen. Derzeit arbeitet die AMAS an einer Selbstregulierung für nachhaltiges Asset Management, die für die Verbandsmitglieder bindend sein soll. Diese bindenden Prinzipien sollen bis im Herbst vorliegen.
Wettlauf gegen die Zeit
Mit ihrer Selbstregulierung befinden sich die Schweizer Fondsanbieter aber in einem Wettlauf gegen die Zeit. So hat der Bundesrat das Finanzministerium beauftragt, bis Ende 2022 vorzuschlagen, wie das Finanzmarktrecht angepasst werden könnte, um Greenwashing zu vermeiden.
Das wäre wohl im Sinne von Vordenker Beslik. Er beschreibt nachhaltiges Investieren eher als «Kontaktsport», bei dem Fondsmanager bereit sein müssen, sich bei Besuchen vor Ort schmutzig zu machen und sich aktiv mit den Unternehmen auseinanderzusetzen. «Vermögensverwalter müssen aufhören, Prozesse zu verkaufen, und anfangen, Ergebnisse zu liefern», so Beslik.
«Genau zeigen, was man getan hat»
Idealerweise würde er sich Nachhaltigkeit-Fonds wünschen, bei denen die Vermögensverwalter die nach einem bestimmten Zeitraum erzielten Ergebnisse klar angeben, anstatt sich auf die Versprechen der Unternehmen zu beziehen, sich zu verbessern. «Wenn man wirklich nachhaltig investiert», sagt Beslik, «muss man auch in der Lage sein, genau zu zeigen, was man getan hat und wie man es getan hat.»
Folgt man der Branchenvereinigung AMAS, ist dies bei hiesigen Asset Manager bereits Credo. «Die Schweizer Asset-Manager-Industrie und der Finanzplatz haben es in der Hand, sich im internationalen Wettbewerb im Bereich Sustainable Finance durch Qualität abzuheben», hielt der Verband vergangenen Mai fest. Dies gelinge nur, wenn entsprechende Bekenntnisse auch aktiv umgesetzt würden.
Mitarbeit: Samuel Gerber