Am 25. September 2022 stimmt das Schweizer Volk über die Reform der Verrechnungssteuer ab. Wenn die Schweizerinnen und Schweizer ein Ja an der Urne einlegen, holt unser Land Geschäfte im Umfang von 900 Milliarden Franken in die Schweiz zurück, schreibt Urs Kapalle von der Schweizerischen Bankiervereiniung in einem Gastkommentar.
Urs Kapalle ist Leiter Tax Strategy bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Die Schweiz hat ein selbstverschuldetes Problem. Die Verrechnungssteuer vertreibt die Finanzierung der Unternehmen und viele Geschäfte im Bankbereich ins Ausland. Schweizer Unternehmen sind heute faktisch gezwungen, ihre Investitionen über das Ausland zu finanzieren. Finanzierung bedeutet Geschäft und Geschäft bedeutet Steuern, Arbeitsplätze und AHV-Beiträge. Bundesrat und Parlament haben diesen Misstand längst erkannt und wollen ihn mit der Reform der Verrechnungssteuer nun endlich korrigieren.
Die Schweiz soll nicht länger Steuern, Arbeitsplätze und AHV-Beiträge ans Ausland verschenken. Die Linke hält jedoch an der Benachteiligung der Schweiz fest und blockiert die überfällige Reform.
Wie berechnen sich die 900 Milliarden Franken?
Eines ist klar: Die Reform der Verrechnungssteuer nützt allen Unternehmen in der Schweiz und allen Branchen. Allein im Bankbereich geht es um ein geschätztes Geschäftsvolumen von rund 900 Milliarden Franken. Geld der Schweizer Unternehmen, das in unser Land zurück gehört!
- Treuhandanlagen: Schweizer Banken halten für ihre Kunden ein Volumen von rund 150 Milli-arden Franken an Treuhandanlagen bei anderen Banken im Ausland, etwa in London oder in den USA. Grund dafür ist meist die Verrechnungssteuer auf den Zinsen, die sonst in der Schweiz anfallen würde. Fällt sie weg, dürften innert fünf Jahren mehr als die Hälfte der Anlagen aus dem Ausland wieder in der Schweiz angelegt werden, also rund 80 Milliarden Franken.
- Emissionen: Das Volumen der Schweizer Unternehmensanleihen beträgt gegen 800 Milliarden Franken. Davon sind jedoch nur rund 330 Milliarden aus der Schweiz heraus emittiert. Der Rest, also rund 470 Milliarden Franken wird im Ausland ausgegeben. Grund dafür ist die Verrechnungssteuer auf den Zinsen, die sonst in der Schweiz anfallen würde. Mit der Reform könnte von diesem ausländischen Volumen innert fünf Jahren rund ein Viertel, also rund 115 Milliarden Franken, in die Schweiz zurückgeholt werden. Zudem wäre die Schweiz dann auch attraktiv für neue Emissionen ausländischer Emittenten, so wie Luxemburg der Schweiz für nachhaltige Anleihen bereits den Rang abgelaufen hat. Hinzu kommt deshalb ein weiteres Potenzial von rund 475 Milliarden Franken aus solchen Neu-Emissionen von Anleihen ausländischer Unternehmen. Dies entspricht der Hälfte des Niveaus der in Luxemburg von Ausländern heute emittierten Anleihen von 950 Milliarden, die innert fünf Jahren in die Schweiz zurückfliessen könnte.
- Anlageprodukte: Schweizer Banken sind stark im Geschäft mit Strukturierten Finanzprodukten. Es sind die «Präzisionsuhren» der Schweizer Finanzindustrie, da sie sehr individuelle Bedürfnisse erfüllen und sich deshalb weltweit einer grossen Nachfrage erfreuen. Ihr durchschnittliches Volumen beträgt rund 200 Milliarden Franken. Diese sind durchwegs im Ausland emittiert. Grund auch dafür ist wieder die Verrechnungssteuer auf den Zinsen. Fällt sie weg, kann das Volumen über fünf Jahre in die Schweiz zurückgeholt werden. Ein zusätzliches Wachstum über fünf Jahre von 3 Prozent, also 30 Milliarden Franken dürfte realistisch sein.
Was haben wir alle davon?
Wenn wir diese Summen in die Schweiz zurückholen, schaffen wir damit zusätzliche Arbeitsplätze, zusätzliche Gewinn- und Einkommenssteuern und zusätzliche AHV-Beiträge. Hier, in unserem Land. Die Gegner aber wollen mit ihrem Referendum die Schweiz weiterhin benachteiligen. Sie nehmen in Kauf, dass Tag für Tag Steuern, Arbeitsplätze und AHV-Beiträge ans Ausland verschenkt werden.
Gerade jetzt ist dies am allerwenigsten verständlich. Denn gerade jetzt ist es besonders wichtig, uralte Fehler im Steuersystem rasch zu korrigieren, um unser Land international wieder fit zu machen, Handlungsspielraum zu schaffen und so auf die anstehenden Herausforderungen vorzubereiten.
Genau das macht die Reform der Verrechnungssteuer, die gemäss Bundesrat zudem ein ausgezeichnetes Kosten-Nutzen-Verhältnis hat. Die Reform bringt Steuern, Arbeitsplätze und AHV-Beiträge dorthin zurück, wo sie hingehören und trägt so zu Stabilität und gesunden Staatsfinanzen bei. Sie bringt den Erfolg zurück in die Schweiz.