Die London Bullion Market Association hat die Mitgliedschaft von sechs russischen Gold- und Silberraffinerien suspendiert. Doch auch hier zeigen sich die Sanktionen zwiespältig – denn das Edelmetall fliesst durch manche Lücke.
Die strengen westlichen Finanzsanktionen kappen Russlands Zugang zur Weltwirtschaft und stürzen die Lokalwirtschaft in eine Krise.
Die Devisenreserven der russischen Zentralbank sind aufgrund der Sanktionen teilweise «eingefroren», da sie sich grösstenteils auf Konten bei Finanzinstituten ausserhalb Russlands befinden.
Letzter Rettungsanker
Aber nicht alle russischen Währungsreserven sind auf ausländischen Konten deponiert. Ein beträchtlicher Teil, etwa 120 Milliarden Dollar, liegt in Form von Gold in russischen Tresoren. Angesichts des Zusammenbruchs der Landeswährung Rubel ist Russlands enormer Goldschatz längerfristig womöglich einer der letzten finanziellen Rettungsanker für die Regierung von Wladimir Putin. Doch auch beim gelben Edelmetall verengt sich Moskaus Handlungsspielraum.
Zu Wochenbeginn suspendierte die London Bullion Market Association (LBMA) die Mitgliedschaft von sechs russischen Edelmetallraffinerien: JSC Krastsvetmet, JSC Novosibirsk Refinery, JSC Uralelectromed, Moscow Special Alloys Processing Plant, Prioksky Plant of Non-Ferrous Metals und Shyolkovsky Factory of Secondary Precious Metals. In den USA setzte die Rohwarenbörse CME Group die Zulassung dieser sechs Gold- und Silberraffinerien ebenfalls aus.
Vom weltgrössten Edelmetallmarkt suspendiert
London ist der grösste Goldmarkt der Welt, an dem jährlich Edelmetalle im Wert von Billionen Dollar gehandelt werden. Die Streichung von der sogenannten Good-Delivery-Liste bedeutet: Die russischen Gold- und Silberproduzenten können ihre neu geprägten Barren nicht mehr in London handeln. Die LBMA und CME haben die Aussetzung nicht zeitlich befristet, sondern lediglich mitgeteilt, dass sie «bis auf weiteres» gilt. Die russischen Raffinerien können vorläufig weiterhin Gold und Silber handeln, das vor dem 7. März 2022 produziert wurde.
Viele Banken akzeptieren nur Edelmetall, dass die strengen Kriterien der LBMA erfüllt. Die Good-Delivery-Liste ist der De-facto-Standard für die Qualität von Gold- und Silberbarren. Nicht betroffen von einer Suspendierung sind bislang Russlands Palladium- und Platinraffinerien, zumal sie unter den London Platinum & Palladium Market fallen.
Schanghai ein mögliches Schlupfloch
Wie hart die Suspendierung Russland und den globalen Edelmetallmarkt insgesamt treffen wird, bleibt abzuwarten. Obschon Russland kein bedeutender Gold- oder Silberexporteur ist, so ist es doch der zweitgrösste Produzent der Welt. Womöglich umgehen die betroffenen Raffinerien die westlichen Sanktionen, indem sie den Handel an der Shanghai Gold Exchange aufnehmen.
Nicht zuletzt kündigte die russische Zentralbank vor kurzem an, dass sie nach einer rund zweijährigen Pause wieder mit dem Ankauf von im Inland produzierten Goldbarren beginnen werde. Nach Angaben des in London ansässigen World Gold Council (WGC), einer Branchenorganisation der Goldminenbetreiber, hatte die russische Zentralbank per Ende 2021 in ihren Währungsreserven rund 2'301 Tonnen Gold. Sie hielt damit die weltweit fünftgrössten Goldreserven.
Schwer zu verfolgen
Im Vergleich zu Staatsanleihen sind diese Goldbestände relativ illiquide Vermögenswerte. Edelmetalle können aber ausserhalb von digitalen Finanznetzen weltweit bewegt werden und sind schwer zu verfolgen.
Als Absicherung gegen Finanzsanktionen ist Gold für Paria-Staaten daher durchaus attraktiv. Im Extremfall können Regierungen auf unregulierten Edelmetallmärkten Gold gegen Devisen tauschen. Russlands Zentralbank ist derzeit aber noch weit davon entfernt, ihren Goldschatz liquidieren zu müssen.