China setzt seine Politik in Hongkong durch. Die Drohung dabei ist eindeutig: Falls Ihr nicht spurt, gibt es noch Shenzhen, das die Rolle Hongkongs einnehmen kann. Für die Demokratiebewegung wird es künftig sehr schwierig werden.
Ist China dabei, Hongkong für immer wegzusperren?
Gegenwärtig noch nicht. Hongkong nimmt immer noch eine wichtige Rolle ein für China. Besonders, was die Beschaffung von Kapital und auswärtigen Investoren betrifft.
Worauf richtet sich denn jetzt der Fokus von China, nachdem die Frage von Hongkong beantwortet scheint?
Taiwan wird über die kommenden zehn bis 15 Jahre zu einem riesigen Brennpunkt der Auseinandersetzungen zwischen den USA und China. Allgemein gesprochen geht es in Zukunft nicht mehr um Öl, sondern Halbleiter. Derjenige, der die Halbleiter-Industrie dominiert, hat Kontrolle über die Seewege. Der wichtigste Hersteller von Halbleitern ist die taiwanesische TSMC, welche Intel überrundet hat. TSMC ist heute der globale Vorreiter in der Halbleiter-Herstellung und sitzt vor Chinas Haustür.
«Es besteht das Risiko, dass China seinen Willen mit Gewalt durchsetzt»
Die Reintegration von Taiwan ist fester Bestandteil der Agenda von Präsident Xi Jinping, einem stark nationalistisch geprägten Politiker. Er hatte zwei Hauptziele für seine Präsidentschaft: Hongkong zurückzugewinnen – dies wurde erreicht. Und Taiwan zurückzuholen.
Was hindert ihn daran?
Die Demokratische Partei Taiwans, welche das Land regiert, ist gegen China eingestellt. Wenn China sein Ziel nicht auf demokratischem Weg erreichen kann, besteht das Risiko, dass es seinen Willen gewaltsam durchsetzen wird.
Der amerikanische Taiwan Relations Act aus dem Jahr 1979 gewährt eine implizite Garantie für die Sicherheit von Taiwan. Bislang wurde dieser mittels Waffenlieferungen an Taiwan nachgelebt. Trump hat rekordgrosse Waffenverkäufe an Taiwan abgesegnet. Die Frage stellt sich, wie sich dies unter Biden entwickeln wird. Vermutlich wird er das Bekenntnis zu Taiwan beibehalten. Die wichtigere Frage allerdings ist, ob die Amerikaner Truppen entsenden würden, falls China das Land besetzen sollte.
Ist Taiwan denn das Risiko eines möglichen Krieges wert für China?
China hat eben erst beschlossen, seine Militärpräsenz weiter auszubauen. Das Land wird auch in Zukunft gigantische Summen in seine Armee stecken. So werden die Chinesen Militärbasen im Südchinesischen Meer ausbauen und versuchen, Taiwan zu umzingeln.
«Xi Jinping möchte zuerst seine anderen Optionen ausschöpfen»
Krieg ist aber in niemandes Interesse, und China würde es vorziehen, den Wandel in Taiwan auf friedlichem Weg herbeizuführen. Aber es sieht im Moment nicht danach aus.
Besteht ein Risiko, dass China jetzt schneller handeln könnte, weil die USA durch die Pandemie geschwächt ist und weil Biden als weniger konfrontativ eingestuft wird?
Ich denke nicht, dass etwas in den nächsten fünf Jahren passieren wird. Ein solcher Schritt wäre äusserst dramatisch, und Xi Jinping wird erst seine anderen Optionen ausschöpfen wollen.
Wie sieht die wirtschaftspolitische Agenda Chinas aus?
Der jetzige Fokus richtet sich darauf, China weniger abhängig von der Exportwirtschaft zu machen und die heimische Volkswirtschaft zu entwickeln. Sie möchten dabei die strategischen Industrien entwickeln, weil die Regierung ungern von Ländern wie den USA abhängig ist. So versucht China seine eigenen nationalen Schlüsselindustrien aufzubauen.
Wieso hat China das IPO von Ant gestoppt?
China hat mit einem eher schwachen Regulatorium das schnelle Wachstum von Firmen wie Alibaba und Tencent befördert. Jetzt plötzlich werden dieselben Firmen als Risiko eingestuft. Ich weiss auch nicht, warum der Schritt so kurz vor dem IPO gemacht wurde. Es gibt Spekulationen darüber, dass Alibaba- und Ant-Gründer Jack Ma Äusserungen gemacht hat, welche von gewissen Regierungsstellen negativ aufgenommen wurden.
«Wer in China tätig ist, muss spuren»
Ich bin etwas besorgt wegen dieses Schrittes der Chinesen. Diese Firmen sind sehr profitabel und der Stolz Chinas. Damit innovative Modelle gedeihen können, muss man ein geeignetes Umfeld schaffen. Die Frage bleibt, wie eng China künftig die Tech-Giganten kontrollieren will.
Letztlich hat die Regierung aber klargestellt, wer in China das Sagen hat.
Und was heisst das nun für die Schweizer Banken, welche in China schon viel investiert haben?
Wenn man als Firma in China tätig ist, muss man leider spuren und gute Beziehungen zur Regierung aufbauen.
Der Fall Ant hat gezeigt, dass die Regierung solche Dinge sehr genau anschaut. Das Klima wird künftig härter werden.
Daryl Liew ist Chief Investment Officer bei der Bank Reyl in Singapur und Mitglied des Investmentkommittees der Privatbank. Liew hat ein Masters in Business Management vom Asia Institute of Management. Bevor er seine Position bei Reyl aufnahm, arbeitet Liew für Providend in Singapur und als Adjunct Lecturer bei der CFA Singapore.
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