«Neue Arbeit» scheint ein omnipräsentes Thema zu sein. Hans Rudolf Maag, Geschäftsführer der Liechtenstein Academy, erklärt, was es mit neuen Organisationsformen auf sich hat, und wie sie erfolgreich umgesetzt werden können.
Herr Maag, was verstehen Sie unter Neuen Organisationsformen?
Ein hohes Mass an Selbstorganisation. Die Geschäftswelt ist nach wie vor mehrheitlich hierarchisch aufgebaut, Entscheidungen werden entlang dieser Hierarchie und damit klassisch «von oben nach unten» gefällt. In der Liechtenstein Academy hingegen legen wir seit bald 30 Jahren unseren Fokus konsequent auf eine effiziente Selbstorganisation.
Wir fördern die Reflexionsfähigkeit und das eigenverantwortliche Handeln. Der Führung kommt jedoch weiterhin eine wichtige Rolle zu.
Was bedeuten die Neuen Organisationsformen für die Bankenwelt, insbesondere für eine Bank wie die LGT?
Sie spielen eine entscheidende Rolle. Die Banken müssen für ihre Mitarbeitenden ein Umfeld schaffen, das einen hohen Grad an Agilität und Flexibilität bietet. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich nicht von anderen Branchen. Was dabei oft vergessen geht: Dafür ist eine effiziente Selbstorganisation unabdingbar.
Innovative Organisationsstrukturen sind notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Anforderungen in einem immer komplexeren Umfeld gerecht zu werden.
Welche Anforderungen meinen Sie?
Insbesondere geht es um Innovation und Effizienzsteigerung. Sie sind auch für die LGT entscheidend, um mit den neuesten technologischen Entwicklungen Schritt zu halten und innovative Finanzlösungen anzubieten. Effiziente Organisationsstrukturen wiederum ermöglichen es einer Bank wie der LGT, Kosten zu senken, Prozesse zu optimieren und letztlich konkurrenzfähig zu bleiben.
Warum ist das notwendig?
Einerseits sind die Margen bei einer Vielzahl von Finanzprodukten in den letzten Jahren teilweise sehr stark zurückgegangen. Andererseits haben wir ein starkes Wachstum in den Organisationen. Das bedeutet beispielsweise, dass Teams nicht mehr zwingend am selben Ort arbeiten, oft auch nicht mehr im gleichen Land.
Welche Probleme können traditionelle Organisationsstrukturen hervorrufen?
Grundsätzlich haben traditionelle Strukturen viele Vorteile: Sie sind den Mitarbeitenden vertraut, haben sich in vielen Situationen bewährt und geben dadurch ein Gefühl von Sicherheit.
Darin liegt jedoch gerade die Gefahr: Man orientiert sich an der Vergangenheit und handelt nicht der Gegenwart und der Zukunft angepasst. Auch spiegeln solche Strukturen oft nicht mehr die Komplexität und Vernetztheit der Realität wider.
«Agile Organisationsmodelle müssen aber auch «passen» – sie sind nicht automatisch «besser».»
Gibt es konkrete Beispiele dafür?
In traditionellen Strukturen wird oft in «Silos» gedacht, in denen Abteilungen isoliert voneinander arbeiten. Dies erschwert und behindert die Kommunikation und Zusammenarbeit, Entscheidungsprozesse werden verlangsamt. Moderne Organisationsformen fördern die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg und brechen Silos auf, was zu einer effektiveren Nutzung von Ressourcen und einem besseren Informationsfluss führt.
Was haben die Kundinnen und Kunden davon, wenn Unternehmen sich agil aufstellen?
Durch agile Organisationsstrukturen können Unternehmen schneller auf Veränderungen reagieren und sich effektiver an neue Marktbedingungen anpassen. Das heisst auch, dass sie mehr und besser auf die Bedürfnisse und Anliegen der Kundinnen und Kunden eingehen können. Dies führt zu einem optimaleren Kundenerlebnis und dadurch zu einer höheren Zufriedenheit.
Sie sprechen von Innovation. Welche Vorteile bringen agile Organisationsmodelle in dieser Hinsicht?
Sie fördern Innovation und Kreativität in Unternehmen und erhöhen das Engagement der Mitarbeitenden. Dies führt nicht nur zu einer höheren Identifikation mit den Zielen und Werten der Organisation. Die Kultur der Innovation und Kreativität schafft Raum für neue Ideen und für Experimente.
Durch den Austausch über verschiedene Teams hinaus erfolgt in hohem Masse ein Wissens- und Erfahrungsaustausch, was zu gemeinsam entwickelten, innovativen Lösungen und schliesslich zu Wettbewerbsvorteilen führt. Agile Organisationsmodelle müssen aber auch «passen» – sie sind nicht automatisch «besser».
Was meinen Sie damit?
Eine Struktur ist nur so stark wie ihre einzelnen Elemente. Wenn die einzelnen Elemente – beispielsweise Mitarbeitende – sich nicht in eine neue Struktur einfügen wollen oder können, verpufft der Nutzen neuer Organisationsmodelle.
Das heisst: Es geht nur, wenn die ganze Organisation mitzieht. Mitarbeitende müssen gerade in strukturellen Veränderungen eng begleitet und miteinbezogen werden.
Welche Rolle spielen Technologie und Digitalisierung bei der Gestaltung neuer Organisationsstrukturen bei LGT?
Eine wichtige Rolle, da sie neue Strukturen und Arbeitsformen teilweise erst ermöglichen und die Effizienz, das Kundenerlebnis sowie die Arbeitsmodelle verbessern.
So wird zum Beispiel die erfolgreiche Zusammenarbeit in virtuellen Teams immer wichtiger; neue Technologien ermöglichen es, diese Teams effektiv zu führen und zu verwalten.
Hans Rudolf Maag ist Executive Head der Liechtenstein Academy. Er studierte Naturwissenschaften, Pädagogik und Psychologie und leitete in verschiedenen internationalen Konzernen die Bereiche Personalentwicklung und Human Resources. Heute ist er als Coach von Führungskräften und Unternehmern tätig. Als Teilhaber an Familienunternehmen beschäftigt er sich zudem täglich mit erfolgreicher Unternehmensführung und Organisationsentwicklung.
«Langfristig verantwortliches Denken und Handeln» – das ist der Grundsatz der Liechtenstein Academy. Im Campus Schloss Freudenfels bei Stein am Rhein (Schweiz) und an weiteren Standorten werden Teams, Führungskräfte und Unternehmerfamilien gebildet. Der Fokus liegt dabei sowohl auf dem Individuum als auch auf familiären, unternehmerischen und gesellschaftlich relevanten Fragestellungen. Die Academy wurde 1995 vom Fürstenhaus Liechtenstein für die Privatbank LGT ins Leben gerufen.