Ganz gleich, in wen er investiere – von Apple über Visa bis hin zu Ferrari – China stelle eine der grössten Chancen für die nächsten fünf Jahre dar, sagt Juan Mendoza, Senior Portfolio-Manager bei Lombard Odier Investment Managers, im Interview mit finews.ch.
Herr Mendoza, wie ist die aktuelle Situation in Hongkong bezüglich der Corona-Pandemie? Gehen die Menschen zur Arbeit, oder arbeiten sie aus dem Homeoffice?
In Hongkong gelten nach wie vor klare und strenge Regeln. Der Reiseverkehr in und aus Hongkong ist stark eingeschränkt. Reisende werden sehr genau überwacht, und die Regierung setzt nach Ankunft am Flughafen Quarantänebestimmungen durch.
Für Hongkongs Einwohner entwickelt sich der Alltag aber wieder zunehmend in Richtung Normalität, und die Mitarbeiter kehren an ihre Arbeitsplätze zurück – zumindest teilweise. Und es ist Sommer: Die Strände sind gut besucht, und auch auf den sehr schönen Wanderwegen Hongkongs ist man nie allein unterwegs.
«Ähnlich wie in Peking haben wir in Hongkong eine starke Verschiebung erlebt»
Ich selbst habe für das Management unseres Fonds sowohl im Büro und als auch zu Hause eine hochmoderne Infrastruktur. Ich bin jedoch froh, dass ich tagsüber wieder im Büro Zeit mit meinen Kollegen aus dem Investment-Team verbringen kann.
Hongkong ist vor allem für seine Einkaufszentren bekannt. Sind diese wieder offen, und kaufen die Menschen wieder ein?
Die Geschäfte in Hongkong waren nie komplett geschlossen. Die Einkaufszentren waren in all den Monaten normal in Betrieb, dasselbe galt für Restaurants. Es gab nur punktuelle Schliessungen von Schulen, Turnhallen oder Konzerthallen.
Das Besucheraufkommen der Einkaufszentren wechselte ab April von einem niedrigeren zu einem höheren Niveau. Ähnlich wie in Peking haben wir in Hongkong eine starke Verschiebung erlebt: Statt Einkaufszentren zu besuchen, wurde stärker online eingekauft, Essen nicht im Restaurant, sondern Lebensmittel nach Hause bestellt, und der Gang ins Fitnessstudio wandelte sich zum Kauf von Fitnessgeräten und dem Training von zu Hause aus.
Wie haben Sie auf dieses veränderte Konsumverhalten reagiert?
Wir haben diesen Trend sehr früh in den Fonds integriert und in viele digitale Marken investiert; von Film- und Musik-Streaming, Videospielen bis hin zur Lieferung von Lebensmitteln.
Asiaten, insbesondere Chinesen, sind sehr (Luxus-)markenaffin. Welche Unternehmen haben in der ersten Hälfte 2020 am meisten gelitten?
Wir haben negative Trends bei Hotels, Restaurants und Tourismus beobachtet. Auf dem chinesischen Festland haben sie sich je nach Marke (Englisch: Brand) nur zu etwa 20 bis 50 Prozent erholt. Sie befinden sich eindeutig in einer U-förmigen Erholung.
«Offensichtlich gab es eine Rückführung des Konsums aus Europa und den USA zum chinesischen Festland»
Andere Unternehmen haben eine V-förmige Erholung erlebt: Dazu gehören französische Luxusmarken, globale Sportmarken und Elektroautos. Für Titel wie Hermès oder Tesla war die Erholung ab März mit Rekordmonaten extrem stark. Auch globale Kosmetikmarken, wie Estée Lauder, sowie lokale chinesische Marken wie Proya, erholten sich ebenfalls sehr schnell in einer V-Form.
Wie geht es nun weiter?
Offensichtlich gab es eine Rückführung des Konsums aus Europa und den USA zum chinesischen Festland, da Geschäfte in Paris oder New York geschlossen wurden. Der Preisunterschied zwischen Peking und Paris ist nicht mehr sehr gross.
So konnten die stark in China exponierten Marken wie französische Luxus-, globale Kosmetik- und Sportartikelmarken die Schliessung ihrer europäischen und amerikanischen Geschäfte ausgleichen.
«Erfolg ist in jedem Preissegment möglich»
Unsere Daten deuten weder darauf hin, dass man den Gürtel enger schnallen muss, noch gibt es Anzeichen für einen Rückgang des Handels. Viele der Premiummarken haben Ende März und April auf dem chinesischen Festland eine V-förmige Erholung erlebt. Aber es gibt Unterschiede von Marke zu Marke. Entscheidend ist, dass sie für den chinesischen Verbraucher relevant ist, da Chinesen nicht nach Paris reisen, sondern diese in China einkaufen.
Wenn man über eine starke chinesische Präsenz verfügt und die chinesischen Konsumenten auch über Social-Media-Websites wie Little Red Book oder über Wechat-Miniprogramme digital erreichen kann, ist der Erfolg in jedem Preissegment möglich. Dies gilt für alle Arten von Verbraucherkategorien oder Produkte, sogar für Autos.
«Hongkong ist meine Heimat»
Tesla, eine unserer Beteiligungen, war in der Lage, den chinesischen Markt aufgrund der Eröffnung ihres Werks in Shanghai zu bedienen. Das Unternehmen verzeichnete im 2. Quartal 2020 Monat für Monat Rekordaufträge. Saubere Autos sind ein grosses Thema in China. Experten erwarten, dass die Durchdringungsrate von Elektrofahrzeugen bis 2025 über 40 Prozent erreichen wird.
Bemerken Sie bereits eine Verlagerung der Geschäftsaktivitäten von Hongkong nach Singapur? Oder sogar anderswo?
Das ist mir nicht aufgefallen, aber ich verfüge auch nicht über die entsprechenden Daten, um dies konkret beurteilen zu können.
Bleiben Sie in Hongkong, oder welche Pläne haben Sie?
Hongkong ist meine Heimat, und ich kann mir nicht vorstellen, jetzt an einem besseren Ort auf der Welt zu sein. Als Investor in globale und asiatische Marken ermöglicht mir die Stadt einen hervorragenden Zugang zu den Unternehmen meines Anlageuniversums. Ganz gleich, in wen ich investiere – von Apple über Visa bis hin zu Ferrari – China stellt eine der grössten Chancen für die nächsten fünf Jahre dar.
«Die erfolgreichsten Unternehmen sind digitaler, asiatischer und nachhaltiger als die anderen»
Die wertvollsten Marken der Welt werden im asiatisch-pazifischen Raum (China, Indien und Südostasien) mehr Umsatz erzielen. Es werden reine digitale Marken sein oder Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell vollständig digital umstellen können.
Ausserdem schauen wir nach Unternehmen, die in der Lage sind, die Anforderungen an die Nachhaltigkeit in Chancen umzuwandeln und auf diesem Gebiet führend zu werden. Die erfolgreichsten Unternehmen werden alle drei Eigenschaften erfüllen: Sie sind digitaler, asiatischer und nachhaltiger als die anderen.
Der Schweizer Juan Mendoza ist seit 2018 Portfolio-Manager im Bereich Global Equities von Lombard Odier Investment Managers (LOIM). Zuvor war er bei der Credit Suisse als Head of Equities Asia für die asiatischen Aktienfonds verantwortlich. Er beschäftigt sich seit 2009 mit dem heutigen LO Fund World Brands (ehemals bekannt als LO-Fonds - Global Prestige), für den er die Verantwortung trägt, und der aktuell ein Anlagevolumen von 550 Millionen Dollar aufweist.