Das Projekt für ein unterirdisches Güterverteilnetz nimmt langsam Gestalt an: wie einst der Gotthard-Tunnel von Alfred Escher dürfte auch der Cargo sous terrain zu einer Schweizerischen Pionierleistung werden. Und wie damals stehen die Banken Pate bei der Realisierung.

Die bald 10 Millionen Menschen, welche in der Schweiz arbeiten, wohnen und konsumieren, brauchen immer mehr Güter. Soviel mehr, dass der Bund mit 37 Prozent mehr Güterverkehr innert zehn Jahren rechnet – ein Zuwachs, dem das Strassennetz nicht gewachsen sein würde. Wer heutzutage öfters mit dem Auto unterwegs ist, versteht die Dringlichkeit einer Lösung dieses Problems.

8 Ingenieure – 500 Kilometer Tunnel

Eine kleine Gruppe von acht Experten arbeitet in Olten in einem unscheinbaren Bürogebäude an dieser Lösung – der Cargo sous terrain (CST). Bis ins Jahr 2050 soll ein Grossteil der Güter, welche in Schweiz verschickt werden, in einem 500 Kilometer langen Tunnelnetz unter der Erde verschwinden. Tönt utopisch? Ist es aber nicht.

CEO.700 GE small

Nach Abschluss der Vernehmlassung hat der Bundesrat das Bundesamt für Verkehr beauftragt, bis Ende Jahr ein Gesetz über den unterirdischen Gütertransport zu erstellen. Dieses soll anschliessend vom Parlament besprochen und voraussichtlich Ende 2021 in Kraft treten. Sobald das Gesetz steht, kann die CST das Projekt ausarbeiten, wie Klaus Juch (Bild unten), der Projektleiter Hub Locations in einem Gespräch darlegte. Dafür stehen 100 Millionen Franken zur Verfügung, bereitgestellt von einem breiten Aktionariat.

Juch 

Spatenstich 2026

2026 erfolgt dann der Spatenstich für die erste Teilstrecke zwischen Härkingen und Zürich. Diese ist auf 3 Milliarden Franken veranschlagt und wird, wie das ganze Projekt, rein privat finanziert. Der Bund muss in diesem Pionierprojekt «lediglich» das Gesetz beisteuern, welches dem Aktionariat Planungssicherheit gibt.

Dieses Aktionariat zeigt auch gleich die Bedeutung des Projektes für die Schweiz. Neben den ganz grossen Retailfirmen Coop und Migros sind Logistiker wie DSV, Rhenus oder die SBB Cargo dabei, aber auch die Post, die Swisscom und die Stadt Zürich sind Hauptaktionäre. «Cargo sous terrain ist ein enormes Pionierprojekt für die Schweiz», sagt Juch, der früher bei der BLS in Bern gearbeitet hat.

Extrem attraktives Investment

Im Aktionariat sind auch vier Banken vertreten, darunter sinnigerweise auch die Credit Suisse, welche ja einst zur Finanzierung der Gotthardbahn gegründet wurde. Für die CST muss keine Bank eigens gegründet werden, aber um das Gesamtvolumen des Projekts stemmen zu können, muss die CST voraussichtlich auch den internationalen Kapitalmarkt anzapfen. Wenn die ersten 60 Kilometer bis 2031 einmal erstellt sind, braucht das Unternehmen nämlich weitere 30 Milliarden Franken, um den Endausbau an die Hand nehmen zu können. Dieser soll dann bis etwa Mitte Jahrhundert fertig werden.

Die Strukturierung der Finanzierung wird gegenwärtig erarbeitet, sagt Stefan Schraner (Bild unten), der in der Projektleitung für die Investor Relations zuständig ist: «Die vielen Finanzinvestoren sind auch deshalb an Bord, weil es sich um eine langfristige Infrastrukturanlage in der Schweiz handelt», so der ehemalige Private Banker der UBS. «Im gegenwärtigen Zinsumfeld ist ein solches Projekt extrem attraktiv und wir sehen schon jetzt ein grosses Interesse von Seiten der Investoren».

stefan schraner

33 Milliarden ESG-Franken gesucht

Sobald der Bundesrat das Gesetz in Kraft gesetzt hat, wird die Projektleitung mit den Roadshows im In- und Ausland beginnen. Dabei kann das Projekt mit einem weiteren Pluspunkt aufwarten: die 33 Milliarden Franken sind ESG-Gelder. Und davon gibt es seit der Klimadiskussion riesige Summen, welche die Banken und auch andere Investoren anlegen müssen.

Mittlerweile können auch Pensionskassen in Infrastrukturanlagen investieren, was den Pool an möglichen Investoren noch erweitert. Während es also einigermassen machbar erscheint, im gegenwärtigen Zinsumfeld das Kapital für eine Schweizer Infrastrukturanlage zu finden, ist der Weg dazu trotzdem steinig, wie Schraner sagt. Da das Bundesgesetz die Grundlage für das Projekt bildet, muss das Finanzkonstrukt und der weitere Planungsprozess eng aufeinander abgestimmt werden.

Volksaktie eine Option für später

Kern der ganzen Investition bleibt aber dessen privater Charakter. Abgesehen von der Energieerzeugung und den Bergbahnen sind die meisten Infrastrukturbauten der Schweiz, gerade im Bahnbereich, staatlich finanziert. Die Macher der CST betonen darum die Bedeutung der effizienten Nutzung des Kapitals sowie der Absicherung der Rentabilität durch die künftigen Ankernutzer wie Migros, Coop oder eben auch der Post.

Ob neben den vielen privaten und halbstaatlichen Firmen auch noch die Bürger ins Boot geholt werden, ist noch offen. Die CST nimmt die Option einer Volksaktie ernst, auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant ist.

Scheitern ist verboten

Den Kritikern, die dem Projekt das wirtschaftliche Scheitern voraussagen, entgegnen die Macher der CST, dass der Bundesrat im Gesetz eigens eine Klausel verankern dürfte, die verhindern soll, dass das Projekt an den Staat fällt. Darum dringt auch die Projektleitung darauf, dass die Finanzstruktur den drei Kernaspekten Cash-Flow, Terminsicherheit und Kostendach Rechnung trägt. Schon das erste Teilstück wird in sich abgeschlossen profitabel sein, so die Projektleitung. Muss es sein, weil die weiteren Projektteile ansonsten verunmöglicht würden.

Was im Gespräch mit der Projektleitung auffällt, ist wie unaufgeregt die Planer unterwegs sind. Wenn man ihnen Glauben schenken darf, sind alle Bestandteile des Projektes CST einzeln schon vorhanden und irgendwo in Betrieb – also ab Stange erhältlich. Die Pionierleistung besteht letztlich im Gesamtkonzept. Die grösste Herausforderung für die mittlerweile bis zu 300 Ingenieuren, die unter Anleitung des Kernteams in Olten schon am Projekt werkeln, wird die IT sein.

Grosses Export-Potenzial

Wenn das Projekt CST einst unter der Erde vergraben ist und die Städte mit Logistikleistungen versorgt, kann die Schweiz sicher sein, dass das Ausland sehr genau hinschauen wird, ob das System der unbemannten Logistiklastwagen in einem riesigen Tunnelnetz funktioniert.

Das Interesse aus dem Ausland ist dem Vernehmen nach sehr gross, gerade an Orten, wo 10-Millionen-Städte schon heute die Normalität darstellen: «Das Potenzial für den Export ist gross. Auch dort ist das Gesamtsystem das Interessante, und nicht einfach die Tunnel», sagt Juch. «Aber zuerst müssen wir in der Schweiz beweisen, dass wir die neue Dimension erschliessen können.»