Als Frau in einem von Männern geprägten Umfeld sei es nicht immer einfach gewesen, sagt Christèle Clémence von Robeco SAM. «Am Anfang ist es eine Herausforderung, da man beweisen muss, dass da ein inhaltsorientierter Mensch das Unternehmen vertritt und nicht ein Blumentopf.»
Christèle Clémence, was treibt Sie an?
Ich finde es wichtig, für ein Unternehmen zu arbeiten, das über Führungsqualitäten, Integrität und eine grosse Produktpalette verfügt. Was mich motiviert, ist ein Ziel zu erreichen, das meine Werte und zentralen Überzeugungen erfüllt, aber auch etwas zu verbessern oder ein Projekt umzusetzen.
Ich habe mich voll und ganz der Nachhaltigkeit verschrieben. Die Fähigkeit, meine Leidenschaft in Positives zu verwandeln, macht mich glücklich und motiviert, mehr in diese Richtung zu tun, um als Ergebnis echte Veränderungen zu sehen. Von Natur aus bin ich ein lösungsorientierter Mensch, der lieber über Herausforderungen spricht statt über ungelöste Probleme. Mein ganzes Leben lang habe ich mich immer wieder von Grund auf neu erfunden.
Das Schöne daran, im Vertrieb eines Asset Managers zu arbeiten, besteht darin, die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen, sie mit Hingabe zu beraten und optimale Lösungen anzubieten. Das alles ist sehr inspirierend, die Kombination aus Inhalten und sozialer Kompetenz äusserst erfüllend.
Was war Ihre grösste Herausforderung am Anfang Ihrer Karriere?
Es mag etwas feministisch klingen, aber als Frau in einem von Männern geprägten Umfeld war es nicht immer einfach. Am Anfang ist es eine Herausforderung, da man beweisen muss, dass da ein inhaltsorientierter Mensch das Unternehmen vertritt und nicht ein Blumentopf.
Ich erinnere mich an einen Kunden, der mit mir sprach und mich für eine Assistentin hielt, bis ihm klar wurde, dass er inskünftig mit mir in Kontakt sein wird. Meine Philosophie bestand stets darin, mich stark in das Fachgebiet zu vertiefen, um ein breiteres und tieferes Wissen zu erlangen, als verlangt wurde.
Wenn ich heute zurückblicke, bin ich dankbar, diesen Weg gewählt zu haben. Von der Herausforderung zur Stärke also. Das erlaubt mir, Kunden zu beraten, ohne dass ich zwingend die Anlagespezialisten dabei haben muss. Dies macht mich glaubwürdig – gegenüber den Kollegen, dem Anlageteam und dem Management. Natürlich macht es mich auch zu einer vertrauenswürdigen und respektierten Vertriebsperson, was für mich elementar ist.
Auf welchen Werten beruhen Ihre täglichen Handlungen, Entscheidungen, Pläne?
Mir ist wichtig, dass ich mir selbst gegenüber loyal bin, ein Bewusstsein habe, woher ich komme und wohin ich gehöre. Weil ich mich wie erwähnt in meinem Leben immer wieder neu erfand, bin ich eine Kämpfernatur und werde mich auf jene Themen einlassen, hinter denen ich voll und ganz stehen kann, die für mich Sinn machen und Wirkung zeigen.
Als Person – halb emotional, halb rational – analysiere und bewerte ich zuerst gerne die Möglichkeiten, bevor ich sie mit Leidenschaft umsetze. Respekt, Vertrauen, Transparenz und Einfühlungsvermögen sind für mich Schlüsselwerte, die sowohl mein privates als auch mein berufliches Leben bestimmen. Wenn ich schlechte Energie verspüre, gehe ich lieber einen Schritt zurück als vorwärts.
In meinem Tagesgeschäft bin ich der Überzeugung, dass ESG – und noch mehr – konstruktiver Aktionärs-Dialog und SDG-Investments einen grossen Unterschied in der Welt machen können. Ich freue mich über Diskussionen mit Kunden, die erörtern, wie man eine Anlagestrategie wirkungsvoller, zielgerichteter und messbar nachhaltiger gestalten kann. Investoren können Einfluss nehmen, indem sie in jene Unternehmen investieren, welche zur Lösung der Probleme in der Welt beitragen.
Was hat Sie dazu bewegt, das zu tun, was Sie heute tun?
Als ich beim früheren Arbeitgeber mit sehr vermögenden Kunden oder Unternehmern sprach, wurde mir klar, dass die meisten von ihnen, die in ihrem Leben mit ihrem eigenen Unternehmen viel erreicht haben, der Gesellschaft etwas zurückgeben wollen, indem sie auf eine intelligentere Art und Weise investieren. Sie baten mich, ihnen dabei zu helfen.
Oft hören Vertriebsleute nicht gross zu, da sie ein klares Ziel haben, was sie ihren Kunden verkaufen wollen. Ich selber bin nicht so, öffne gerne Türen und finde dann passende Lösungen. Es macht mich glücklich, meinen Kunden ein sinnvolles Ziel zu vermitteln. In der «neuen» Zukunft oder auch Gegenwart werden zahlreiche Unternehmen ihre Geschäftsmodelle überdenken müssen. Um tiefer in diese Materie einzudringen, habe ich letztes Jahr an der Universität Zürich einen CAS-Lehrgang für Nachhaltigkeit begonnen.
Diese Ausbildung kann ich allen sehr empfehlen. Sie öffnet definitiv den Blick dafür, wohin der Mensch gehört und dass es dringend aufzuwachen und zu handeln gilt, um unser grösstes Gut – die Mutter Erde – zu schützen. Die Finanzindustrie in der Schweiz, die etwa 10% des BIP ausmacht, kann dazu beitragen, Vermögen in sinnvolle Anlagen zu bewegen.
Ich bin sehr stolz darauf, dies gegenüber meinen Kunden zu vertreten. Von der ESG-Integration bis hin zum Impact Investing ist das «Menü» breit gefächert und die Zutaten hochwertig. Es geht nicht bloss darum, Geschichten zu erzählen; der Performance-Beitrag entsprechender Strategien ins Fakt. Es ist auch interessant festzustellen, dass sich diese Strategien während der Corona-Zeit bewährt haben.
Vielleicht war diese Krise notwendig, um etwas mehr Transparenz und Bewusstsein zu schaffen. Auf diese Weise können wir nachhaltiges Alpha erzielen.
Welche Ziele verfolgen Sie – beruflich wie privat?
Ich möchte glücklich sein, wohl wie alle. Da ich mich als gewinnende Persönlichkeit bezeichne, möchte ich gerne langfristige Ziele erreichen, indem ich gegenüber sämtlichen Beschäftigungen eine positive Einstellung hege. Ich tue Dinge lieber zu 150 Proznt statt zu 99 Prozent. Wenn man etwas mit einem Lächeln tut, fliesst positive Energie und diese kann das Gegenüber für die eigenen Einstellungen gewinnen – zwar nicht immer, aber meistens.
Wenn ich spüre, dass etwas oder jemand ein «Energie-Vampir» ist, schlage ich in der Regel einen anderen Weg ein. Ich denke sehr systematisch und möchte langfristige Pläne verfolgen. Dabei versuche ich im Vorfeld so viel wie möglich zu klären, um kritische Faktoren aufzuspüren. Es ist auch wichtig, Zugang zu den richtigen Personen zu haben, wenn man mit Investoren arbeitet. Ich habe keine Angst davor, bei Bedarf an die Tür unseres Managements zu pochen.
Dasselbe gilt auch für mein Privatleben. Ein blosses «Nein» als Antwort ist nicht konstruktiv. Mit einem «Nein, so können wir das nicht machen» kann ich nicht leben. Im Gegenteil: die Aussage «wie wäre es, wenn wir es so machen würden» ist viel befriedigender. Das «GROW» fasst zusammen, wie ich Ziele verfolge – sei es im Privat- oder Berufsleben: G für Goal, R für Reality, O für Opportunities oder Optionen, W für den Way forward. Das klingt einfach, aber wenn man dies im Hinterkopf behält, behält man stets die Orientierung.
Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Spass, was am wenigsten?
An meiner Arbeit gefallen mir insbesondere zwei Facetten: einerseits die Bedürfnisse der Kunden zu verstehen und anderseits deren Wünsche zu formulieren und letztlich zu erfüllen. Dies erfordert eine Kombination von sozialen und intellektuellen Fähigkeiten und Brainstorming ist meines Erachtens der beste Weg dorthin.
Manchmal ist es für mich schwierig zu akzeptieren, dass nicht jeder die gleiche Motivation, die gleiche Pace und die gleichen Ziele hat. Manche Menschen tun etwas nur, weil sie es müssen und nicht aus intrinsischer Motivation. Sie werden wohl nie richtig glücklich sein, aber auch kaum unglücklich. Die Arbeit mit solchen Leuten ist eine Herausforderung.
Es ist für mich schwer vorstellbar, dass sie nicht über den Tellerrand hinausschauen wollen, weil sie sich in der bestehenden Umgebung wohler und sicherer fühlen.
Wo finden Sie in Ihrer Freizeit den Ausgleich?
In der Natur. Sie werden mich immer dort finden, wo es erstaunliche Landschaften gibt. Die Natur-Elemente geben mir Energie, Bodenhaftung und Gelassenheit – sei es beim Wandern, Golfen, Radfahren, Tauchen oder einfach beim Bewundern eines atemberaubenden Ortes. Auch das Reisen gehört zu meiner Energiezufuhr, etwa das Entdecken von Kulturen abseits touristischer Orte im Dschungel, auf oder unter Wasser.
Zeit mit meinen Liebsten zu verbringen, sorgt auch für einen gesunden Ausgleich. Ich meditiere fast jeden Tag. Das gibt mir Halt, Ruhe und einen klaren Geist. Ich versuche überdies, drei bis vier Mal pro Woche Sport zu treiben. Irgendwie scheine ich süchtig zu sein nach diesem Wohlgefühl, auch weil es mir erlaubt, das zu essen, worauf ich Lust habe. Als gebürtige Romande nenne ich dies pauschal einfach «Savoir-vivre».
Auf was könnten Sie in Ihrem Leben nicht verzichten?
Ich könnte nicht ohne Liebe, Freunde, Natur und freie Wahlmöglichkeiten leben. Liebe ist Vitamin D und die Natur der Ort, an dem ich mich erholen kann. An einem Ort geboren zu werden, an dem Wahlfreiheit herrscht, ist nicht selbstverständlich; dies ist Privileg und Chance zugleich.
Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, Dinge aufzugreifen. Ich könnte nicht sein, ohne andere in irgendeiner Weise zu unterstützen und mit meinem Tun positiv auf Umwelt, Gesellschaft und Steuerung einzuwirken. Daneben wäre es auch schwer für mich, auf ein Glas Wein und auf meine beiden jungen Katzen zu verzichten.
Was würden Sie heute einem Berufseinsteiger im Asset Management Ihrem jüngeren Selbst empfehlen?
Als Antwort hierzu nenne ich sechs Grundprinzipien:
- 1) Sei nicht opportunistisch, denn es bringt Dich langfristig nirgendwo hin, nur kurzfristig.
- 2) Vergiss nie die Menschen, die Dir einst geholfen haben, sei dankbar für das, was Du hast und kämpfe für das, woran Du glaubst.
- 3) Lasse Dich nicht von Menschen unterkriegen, weil sie nicht die gleichen Werte haben oder Dich beneiden.
- 4) Gib ohne zu erwarten. Vielleicht klingt es auf den ersten Blick nicht ausgewogen – aber Karma kaufen bringt das Gleichgewicht zurück.
- 5) Sei Dir selbst gegenüber loyal, bevor Du anderen gegenüber loyal bist.
- 6) Tue niemandem das an, was Du selbst nicht akzeptieren würdest. Behandle die Menschen so, wie du selbst behandelt werden möchtest. Das ist mein Hauptmotto.
Wofür sind Sie dankbar?
Auf viele Dinge, aber das Wichtigste, wofür man dankbar sein sollte, ist die Gesundheit. Sie ist das grösste Gut, das man haben kann. Ich bin mit Menschen um mich herum aufgewachsen, die an schweren Krankheiten litten – ein Schicksalsschlag.
Dadurch habe ich gelernt, für das Leben zu kämpfen, aber auch verstanden, dass das Leben aus vielen kleinen glücklichen Momenten besteht. Die Leute sagen mir oft, dass ich viel Energie habe und oft lache. Das stimmt, aber ich weiss, woher ich komme.
Es war kein leichter Weg, das war ein langer Kampf ums Leben. Das hat definitiv dazu beigetragen, wie ich die Dinge und Probleme heute betrachte und keine Geduld für Leute aufbringen mag, die sich ständig beschweren. Seien Sie dankbar für das, was Sie haben. Ich bin dankbar dafür, dass ich erstaunliche Menschen um mich herum habe und dass ich einen Job habe, der mich begeistert.
Ich bin dankbar, in einem solchen Land wie der Schweiz zu leben, und dankbar dafür, dass ich erstaunlich liebevolle Eltern habe, die mir Moral vermittelt haben und erlaubten, meine Träume und Überzeugungen zu verfolgen. Dass ich die erwähnte Zusatzausbildung zum Thema Nachhaltigkeit absolvieren darf und meine Werte in der Arbeit mit den Kunden teilen kann, erfüllt mich ebenfalls mit Dankbarkeit.
Last but not least bin ich dankbar dafür, dass ich als Frau für Diversität eintreten kann, um bezüglich Anerkennung und Chancen mit den Männern gleichzuziehen.
Was ist für Sie im Alter wichtiger, was weniger wichtig?
Es ist wichtig, zum Wesentlichen zu gelangen und das Oberflächliche zu verbannen. Ich suche immer mehr nach Authentizität und Integrität.
Bestes Anti-Depressivum?
Ein Spaziergang im Wald, dunkle Schokolade mit Nüssen, Rotwein und Kuscheln mit meinen flauschigen Katzen, die dann so schön schnurren.
Christèle Clémence agiert als Deputy Head of Wholesales Switzerland & Liechtenstein und ist seit 2017 beim Unternehmen aktiv. Bevor sie zu RobecoSAM stiess, arbeitete sie fünf Jahre bei der UBS im Wealth Management, zuerst im Business Development und dann als Kundenberaterin. Davor war Christèle Clémence sechs Jahre bei der Bank Syz im Verkaufs- und Business Development Team.
Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Platform.