Die Anwaltslobby im Parlament will die jüngste Revision des Geldwäscherei-Gesetzes verwässern. Die Schweiz müsse sich auf neuen internationalen Druck gefasst machen, sagt der Finanzspezialist und Autor Balz Bruppacher im Interview mit finews.ch.
Herr Bruppacher, Sie haben ein Referenzwerk über den Umgang der Schweiz mit Potentatengeldern geschrieben. Lässt sich über die vergangenen dreissig Jahre gesehen ein kultureller Wandel im Umgang und in der Bekämpfung solcher Gelder feststellen?
Der «Fall Marcos» im Frühling 1986 war sicher ein Wendepunkt. Erstmals sperrte der Bundesrat Gelder per Notrecht, als ein Vertrauter des gestürzten philippinischen Präsidenten einen dreistelligen Millionenbetrag bei einer hiesigen Grossbank abheben wollte.
Was in aller Eile am Rande eines Staatsbesuchs im Berner Rathaus geschah und vom Finanzplatz zunächst heftig kritisiert wurde, machte in der Folge Schule. Inzwischen verfügt die Schweiz über ein ausgebautes Abwehrsystem gegen den Zufluss von Potentatengeldern. Und die Finanzbranche beteuert, nicht auf solche Vermögen angewiesen zu sein.
Die Schweiz wird bis heute weltweit mit zahlreichen Mythen rund um das Thema Potentatengelder und Geldwäscherei assoziiert. Zu recht oder zu unrecht?
Die Zeiten, als Machthaber aus Afrika mit Koffern voller Geld an der Zürcher Bahnhofstrasse Station machten, sind sicher vorbei. Als weltweit führender Finanzplatz in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung ist die Schweiz aber nach wie vor mit dem Zufluss dubioser Gelder konfrontiert.
«Ich bin eher der Auffassung, dass zu grosse Nähe zwischen Banken und Behörden schädlich ist»
Ein Jahrzehnt nach dem Ende des steuerlichen Bankgeheimnisses für Ausländer geht es weniger um Mythen als um harten Konkurrenzkampf. Das Beispiel der Bank BSI zeigt, dass auch hierzulande an einst angesehenen Adressen nicht immer mit lauteren Methoden geschäftet wird.
Vom Umgang mit Potentatengeldern hängt zu einem grossen Grad auch die Reputation eines Finanzplatzes ab. Schneidet sich die Schweiz nicht ins eigene Fleisch, wenn sie – böse gesagt – allzu transparent ist?
In der kurzen Frist mag dies ein Hemmschuh sein. Längerfristig kann sich die Schweiz bei der Einhaltung internationaler Standards aber keinen Kantengang leisten. Das sture Festhalten am Steuerbankgeheimnis hat unter dem Strich wohl mehr gekostet als genutzt.
Oder anders formuliert: Hat London nicht einen viel diskreteren Umgang mit Fluchtgeldern und illegalen Praktiken – was dem dortigen Finanzplatz umso mehr zugute kommt?
London, beziehungsweise «U.K.» hat – oder hatte bis zum Brexit – auf internationaler Ebene ein anderes Gewicht als die Schweiz. Interessant wird es sein, zu beobachten, wie weit es sich Grossbritannien künftig leisten kann, den Finanzplatz mit regulatorischem Laissez-faire zu fördern.
Das Verhältnis zwischen Bundesbern und den bedeutenden Schweizer Banken entwickelte sich immer sehr ambivalent – je nach politischer oder wirtschaftlicher Situation war entweder die eine Gruppe oder die andere im Vorteil. Hat man so eine Chance verpasst? Hätte es mehr Zusammenarbeit gebraucht?
Ich bin eher der Auffassung, dass zu grosse Nähe zwischen Banken und Behörden schädlich ist. Ein starker Finanzplatz braucht keine staatliche Industriepolitik. Aus Sicht der Behörden besteht die Gefahr des sogenannten Regulatory Capture, also dass die Beaufsichtigten die Hand der Aufseher führen.
«Ein weisser Fleck sind vielmehr die Offshore-Gesellschaften und deren Beater in der Schweiz»
Aufhorchen liess Ende 2019 auch der Erlass einer neuen Verordnung zum Finanzmarktaufsichtsgesetz durch den Bundesrat, mit der die Regierung die Finanzmarktaufsicht Finma enger an die Kandare nahm.
Wie stark ist die Schweiz heute noch eine brauchbare Adresse für dubiose Gelder im Vergleich zu anderen Finanzzentren?
Wohl nicht mehr die erste Adresse. Die grossen Geldwäscherei-Affären der jüngsten Zeit zeigen aber, dass die Schweiz von kriminellen Transaktionen nicht verschont bleibt.
Was müsste die Schweiz noch unternehmen, um ihren Ruf als Drehscheibe für illegale Gelder ablegen zu können?
Solange die Schweiz in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung einen Spitzenplatz einnimmt, bleiben die Missbrauchsrisiken bestehen. Wichtig für die Reputation und damit auch für die Prävention ist, dass Fehlentwicklungen von der Aufsicht und der Justiz konsequent geahndet werden. Die jüngsten Vorkommnisse in der Strafjustiz stimmen in dieser Hinsicht wenig zuversichtlich.
Haben Sie das Gefühl, dass bei den Banken selber ein Umdenken in Sachen Umgang mit Potentatengelder stattgefunden hat?
Das Problem liegt meines Erachtens nicht in erster Linie bei den Banken. Ein weisser Fleck sind vielmehr die Offshore-Gesellschaften in Steuerparadiesen und deren Berater und Verwalter in der Schweiz.
«Die Euphorie der Behörden für die Crypto- und Fintech-Branche betrachte ich mit Skepsis»
Die Lobby der Anwälte im Parlament ist daran, die jüngste Revision des Geldwäscherei-Gesetzes derart zu verwässern, dass sich die Schweiz auf neuen internationalen Druck gefasst machen muss.
Wird die weiter fortschreitende Digitalisierung dazu beitragen, dass kriminelle Gelder besser oder schlechter transferiert und ins Finanzsystem eingeschleust werden können?
Da traue ich mir keine Prognose zu. Allerdings betrachte ich die Euphorie auch auf Behördenseite gegenüber der Crypto- und Fintech-Branche mit einer gewissen Skepsis.
Haben Sie bereits ein neues Buchprojekt? Falls nicht, welches Thema würde Sie am meisten reizen?
Nein. Lücken gibt es meiner Meinung nach immer noch bei der historischen Aufarbeitung des Bankgeheimnisses. Zum Beispiel gibt es bisher keine Kosten-Nutzen-Rechnung zum Bankgeheimnis. Ich vermute wie erwähnt, der Sonderfall Schweiz bei der finanziellen Privatsphäre war insgesamt ein Verlustgeschäft.
Balz Bruppacher hat 1976 sein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen mit dem Lizenziat abgeschlossen. Nach einem Volontariat und einer Korrespondententätigkeit bei der Nachrichtenagentur DDP war er 1981 am Aufbau des Schweizer Dienstes der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) beteiligt. Von Ende 1983 bis Januar 2010 leitete er diesen Dienst als Chefredaktor in Bern. Danach war er im Mandatsverhältnis für verschiedene Zeitungen der NZZ-Gruppe sowie als MAZ-Dozent tätig. Im Jahr 1991 wurde er für eine Artikelserie zum Thema Geldwäscherei mit dem Schweizer Journalistenpreis der Mustermesse Basel ausgezeichnet. Sein Buch «Die Schatzkammer der Diktatoren» (Bild links) ist in diesem Frühjahr im NZZ Libro Verlag erschienen.