Das Thema Nachhaltigkeit und «Sustainable Finance» mag vom Coronavirus etwas verdrängt worden sein, schreibt Simon Tribelhorn auf finews.ch. Doch gerade die Fortschritte in Europa setzen derzeit neue Standards.

Das Coronavirus beherrscht seit Wochen die Schlagzeilen. Drastische Notmassnahmen werden ergriffen und ein Ende ist nicht abzusehen. Im Gegensatz dazu sind Greta und der Klimawandel von der Frontseite verschwunden. Klimaskeptiker mögen gar hoffen, dass in der Klimafrage zurückbuchstabiert wird.

Doch wer so denkt, tappt in die Aufmerksamkeitsfalle. Nur weil etwas nicht mehr die Schlagzeilen beherrscht, ist es noch lange nicht mehr relevant. Das Coronavirus verlangt kurz- bis mittelfristig unsere volle Aufmerksamkeit. Langfristig aber ist der Kampf gegen den Klimawandel wesentlich für die Zukunft unserer Kinder und Grosskinder.

Etwas Gutes kann man der aktuellen Gesundheitskrise abgewinnen. Die Welt ist zusammengerückt. Es ziehen alle am gleichen Strick oder sollten es noch tun, denn jeder weiss, dass der Virus nur gemeinsam besiegt werden kann. 

Spirit der Transformation

Und genau diesen Spirit müssen wir auch bei der Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit an den Tag legen. Es braucht alle dazu – Länder, Unternehmen und jeden Einzelnen. Das Klimaabkommen von Paris von 2015 war ein erster Schritt. Weitere sind gekommen. Taktgeber sind für einmal nicht die USA, sondern Europa.

Ursula von der Leyen, die neue EU-Kommissionspräsidentin, hat mit ihrem «Green Deal» einen ambitiösen Plan vorgelegt. Der Begriff vom «Mann auf dem Mond-Moment» macht die Runde und zeigt eindrücklich die Bedeutung und Dringlichkeit. Doch nicht Worte lösen die Probleme, sondern Taten.

Taxonomie sorgt für notwendige Transparenz

So hat die von der EU eingesetzte Expertengruppe vor wenigen Wochen ihren Abschlussbericht für eine einheitliche Taxonomie präsentiert. Damit möchte die EU klare Leitplanken setzen und vergleichbar definieren, wie gross der Einfluss von einzelnen Anlagen auf das Klima ist. Diese Taxonomie sorgt für die dringend nötige Transparenz. Dadurch soll das so genannte «Greenwashing» verunmöglicht werden und sich die Spreu vom Weizen trennen.

Was ist davon aus Sicht des Bankenverbandes zu halten? Für den Bankenplatz ist «Sustainable Finance» seit langem ein wichtiger Pfeiler seiner Strategie. Das wird auch in Zukunft der Fall sein. Denn die Finanzindustrie ist für die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit entscheidend.

Sehr komplexes Regelwerk

Wir begrüssen daher die Initiative der EU für einen einheitlichen Taxonomie-Standard. Eine Regelung ist absolut zentral für die grosse Verbreitung wirklich nachhaltiger Anlagen. Das Ganze wurde sehr seriös angegangen. Die Richtung stimmt. Das Regelwerk ist nach erster Sichtung umfassend und dadurch auch sehr komplex. Nun sind Realitätssinn und Pragmatismus bei der Umsetzung gefragt. Nur so können die vielen PS auch auf den Boden gebracht werden.

Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass sich die vorliegende Taxonomie beim Begriff Nachhaltigkeit momentan noch auf die Klimafragen konzentriert. Gerade der Ansatz von Liechtenstein ist umfassender. Wir richten uns an den 17 Strategischen Entwicklungszielen der UNO aus und denken damit Nachhaltigkeit breiter. Es ist aber trotzdem richtig, dass zuerst mit dem dringendsten Thema, dem Klimawandel, begonnen wurde.

Europa als Standardsetter

Es ist komplex genug. Und Geschwindigkeit ist in dieser Frage essentiell. Für uns bleibt aber wichtig, dass man rasch weiterdenkt und die gemachten Erfahrungen laufend berücksichtigt. Die Taxonomie sollte lieber früher als später auf weitere Bereiche ausgedehnt werden.

Eine nachhaltige Wirtschaft ist essentiell und gleichzeitig auch lohnend für die einzelne Unternehmung. So schätzt die EU die jährliche Investitionslücke zur Erreichung der Pariser Klimaziele auf 175 bis 290 Milliarden Euro. Bei der Digitalisierung haben die Giganten aus den USA oder China Europa weitgehend abgehängt. In Fragen der Nachhaltigkeit ist das Spiel noch im Gange. Europa hat sehr gute Karten und ist zurzeit weltweit führend.

Chance für einen globalen Standard

Gelingt es, nachhaltige Prinzipien im grössten Wirtschaftsraum der Erde zu definieren und umzusetzen, bietet sich eine grosse Chance einen globalen Standard zu setzen. Nicht nur das Weltklima, sondern auch die Wirtschaft von Europa würden enorm davon profitieren. Gleiches gilt für Liechtenstein. Die gute Ausgangslage muss weiter ausgebaut werden.

Schön ist, dass – wie jüngst die VP Bank – immer mehr Banken Nachhaltigkeit zu einem ganz wichtigen Pfeiler ihrer Strategie definieren. Dies zeigt, dass es richtig war, als Verband das Thema schon sehr früh aktiv voranzutreiben. Seit 2011 befindet es sich ganz oben auf der Agenda. Und dort – so viel sei verraten - wird es auch in der zurzeit angepassten Strategie des Bankenplatzes für 2025 ganz sicher bleiben.


Simon Tribelhorn ist seit 2010 Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbands (LBV). Nach seinem Studium an der Hochschule St. Gallen war der Jurist sechs Jahre in der Bankbranche tätig, zuletzt vier Jahre als Rechtskonsulent im Bereich Legal/Compliance beim Verband der Raiffeisenbanken in St. Gallen. Er ist seit Februar 2006 ist er für den LBV tätig.