Robert Weeber hatte bei der Credit Suisse eine steile Karriere – und leitet nun die Finanzboutique Tiedemann Constantia. Im Interview mit finews.ch erklärt Weeber, warum er im US-Markt mit einem Vorsprung startet.
Herr Weeber, Sie leiten mit Tiedemann Constantia ein bislang einzigartiges Schweizer Joint-Venture. Denn mit den auf sehr vermögende Privatkunden fokussierten Tiedemann Advisors haben Sie einen renommierten US-Vermögensverwalter als Partner gewonnen. Wie kam es dazu?
Meine Tätigkeit bei der Credit Suisse als Chef für UHNW-Kunden in Grossbritannien führte mich zur Idee, eine eigene Family-Office-Beratungsfirma zu gründen. Daraus entstand im Jahr 2017 Constantia. Wir begannen als reine Berater mit einem möglichst breit gefächerten Angebot, doch das Ziel war immer, auch Vermögensverwaltung anbieten zu können.
Diese Möglichkeit bot sich mit Tiedemann Advisors?
Ja. Ich kannte Gründer Mike Tiedemann schon seit zehn Jahren, aber wir hatten geschäftlich nie miteinander zu tun. Das Ziel von Tiedemann Advisors war, nach Europa zu expandieren, weil ihre amerikanischen Kunden sehr international aufgestellt sind. Einfach gesprochen: Das Kapital dieser Kunden kennt keine nationalen Grenzen mehr und diesem Trend will sich Tiedemann anpassen. Das Problem war: Sie sahen keinen gangbaren Weg, alleine die Expansion nach Europa anzutreten. Mit dieser Ausgangslage begannen unsere Gespräche vor rund zwei Jahren.
Tiedemann Advisors ist eher eine Boutique für Superreiche als ein Vermögensverwalter.
Sie verwalten 21 Milliarden Dollar von etwas über 400 Kunden. Das heisst, die Kundenbasis ist tatsächlich «high end» – ganz ähnlich wie bei Constantia. Tiedemann hat auch ein sehr starkes und etabliertes Angebot im Bereich Impact Investing mit rund 2,4 Milliarden Dollar angelegten Geldern.
«Kunden erhalten Zugang zu Technologie und Experten»
Das passt wiederum gut zu Constantia, da wir dort unsere Stärken erarbeitet haben. Was Tiedemann Advisors zudem hervorhebt, ist die Technologie-Plattform, mit der sie arbeiten und die bei der anspruchsvollen Kundschaft besonders gut ankommt.
Warum?
Addepar, so heisst die Technologie, ist eine Multi-Custody-Lösung. Das heisst, Kunden können beispielsweise Daten ihrer verschieden gemanagten Portfolios aggregieren und diese jederzeit einsehen. Gegründet hat Addepar übrigens Joe Lonsdale, einer der Mitgründer von Palantir. Er baute eine eigene Lösung, weil ihn die üblichen Investment-Management-Anwendungen nicht überzeugten. Für Tiedemann Constantia bedeutet dies, dass Kunden nicht nur Zugang zu der Technologie bekommen, sondern auch die Unterstützung von einem Team von Experten in der Firma erhalten.
Tiedemann bringt 21 Milliarden Dollar verwaltete Vermögen in das Joint-Venture. Wieviel haben Sie gebracht?
Sie dürfen nicht vergessen, dass wir erst seit einigen Monaten auch Vermögensverwalter sind, also noch mitten im Onboarding-Prozess stecken. Wir werden wohl rund 2 Milliarden Kundengelder mit einbringen.
Sie verfügen derzeit über ein Team von sechs Leuten, Tiedemann hat in seinen neun Niederlassungen zwischen New York und San Francisco alleine 21 Investmentexperten, gesamthaft über 145 Angestellte. Und doch ist Tiedemann Advisors Minderheitsaktionär im Joint Venture.
Das ist so, aber bedeutender Minderheitsaktionär. Für uns ist es ein grosser Vertrauensbeweis, für Mike Tiedemann und Tiedemann Advisors aber nicht ungewöhnlich. Er selber ist als Co-Gründer nur Minderheitsaktionär und liebt es, seine Mitarbeiter zu Teilhabern zu machen.
«Der nächste Schritt ist eine Bewilligung der SEC»
Zusammen haben alle Partner rund 500 Millionen Dollar in dem kombiniertem Unternehmen investiert, die wie die übrigen Kundengelder verwaltet werden. Das heisst, unsere Interessen und jene der Kunden liegen auf derselben Linie.
Und Sie erhalten eine einzigartige Möglichkeit, in den US-Markt einzutreten.
Unsere Kernmärkte sind zurzeit Grossbritannien und die Schweiz. Eine weitere Region, wo wir für uns grosses Potenzial sehen, ist der Nahe Osten, insbesondere Kuwait und Katar, wo wir nach Möglichkeit eine Niederlassung planen. Aber ja, der nächste Schritt für Tiedemann Constantia ist auch, eine Bewilligung der SEC zu erhalten. Das Timing für den Schritt ist goldrichtig, wenn man bedenkt, dass die Credit Suisse in Miami wieder Private Banking betreiben und die UBS sich noch stärker auf sehr vermögende und internationale US-Kunden konzentrieren will. Es ist nach wie vor der grösste Wealth-Management-Markt mit der höchsten Anzahl sehr vermögender Privatkunden und Familien. Alleine vergangenes Jahr schufen die USA rund 800'000 neue Millionäre – und es war nicht einmal ein besonders gutes Börsenjahr.
Die meisten Schweizer Banken machen einen grossen Bogen um die USA.
Mein Eindruck ist, dass die Ressentiments und die Furcht vor den USA und Verbindungen mit US-Kunden zu einer in der Schweiz übertriebenen Zurückhaltung geführt haben. Doch es ist klar: Bei aller Attraktivität ist der US-Markt auch höchst kompetitiv. Doch wir verfügen dort nun über einen enorm starken Partner. Tiedemann beschäftigt beispielsweise ein 21-köpfiges Investmentteam – das allein stellt das Angebot so mancher Konkurrenten in den Schatten.
Planen Sie nur organisches Wachstum?
Zunächst besteht unser Ziel darin, aus unserer bisherigen Beratertätigkeit möglichst viele internationale Kunden für die Vermögensverwaltung zu gewinnen. Aber unsere Strategie sieht auch Akquisitionen vor: Beraterteams oder unabhängige Vermögensverwalter, sei es in der Schweiz oder auch in London.
Die Margen mit superreichen Kunden und Family Offices sind bekanntermassen schlechter als im übrigen Vermögensverwaltungsgeschäft. Wie gehen Sie damit um?
Tatsächlich ist unser Business Model vielleicht nicht das Beste: Die Kundenbedürfnisse sind sehr individuell, sodass unser Geschäft schwer skalierbar ist. Ausserdem sind unsere Kunden preissensitiv – und damit haben sie Recht.
«Wir befinden uns in einer interessanten Nische»
Dennoch zeigt das bisherige Echo der Kunden, dass unser internationales Setup und Angebot zeitgemäss ist. Mit unserer Grösse befinden wir uns zudem in einer interessanten Nische: In Anlagebereichen wie Private Equity können wir Investitionen tätigen, welche auf dem Radar der grossen Anbieter nicht auftauchen. Ein weiterer Vorteil sind unsere tiefen und lang anhaltenden Kundenbeziehungen. Bei Tiedemann bleibt ein Kunde im Durchschnitt gut 14 Jahre bei seinem Berater. In gewissen Grossbanken wechselt der Kundenberater im Schnitt alle 18 Monate.
Sie hatten bei der Credit Suisse eine vielversprechende Karriere. Was hat Sie bewogen, diese Perspektive im Alter von 35 Jahren aufzugeben?
Das war ursprünglich auch nicht geplant. Ich hatte das Glück, bei der Credit Suisse sehr früh viel Verantwortung tragen zu können. Im Jahr 2015 absolvierte ich dann ein Executive MBA an der Insead. Viele junge Banker wechselten damals in die Fintech-Startup-Szene. Ich nicht, ich liebte meinen Job. Doch diese Denkweise kann auch zum «Kiss of Death» von jeglichem unternehmerischem Ehrgeiz werden – man arbeitet sich nur noch die Karriereleiter hoch.
Das haben Sie dann abgebrochen.
Ja, ich spürte einen unternehmerischen «Juckreiz» und entschied mich, die CS zu verlassen. Viele meiner Kollegen hielten mich für komplett verrückt – und vielleicht erhalten sie eines Tages recht. Doch ich wusste, dass ich meine vermögenden Kunden aus einer unabhängigen Warte weit besser bedienen können würde und sah die Chance, mich selbstständig zu machen. Sehen Sie: In einer Corporate-Karriere immer mehr Erfolg zu haben bedeutet, dass auch die Opportunitätskosten für den Gang in die Selbständigkeit immer höher steigen. Das Risiko eines solchen Unternehmens ist kleiner als die Unsicherheit, welche der Aufbau und die zukünftigen Entwicklungen mit sich bringen. Diese Unterscheidung zwischen Risiko und Unsicherheit sollte man als Unternehmer immer machen.
Der Südafrikaner Robert Weeber leitet den Vermögensverwalter Tiedemann Constantia, ein Joint-Venture mit dem renommierten US-Wealth-Manager Tiedemann Advisors. Zuvor hat der 37-Jährige den UHNW-Desk der Credit Suisse in Grossbritannien mit rund 7 Milliarden Franken verwalteten Vermögen geleitet. Für Tiedemann Advisors bedeutet das Joint-Venture den Sprung nach Europa. Im Nahen Osten verfügt der US-Advisor bereits über hervorragende Beziehungen.