Im Schweizer Zertifikate-Markt herrscht nicht vollständige Transparenz, sagt Andreas Müller im Interview mit finews.ch. Seine Plattform will dies garantieren – und greift Marktführer Vontobel an.


Herr Müller, Sie haben strukis.com gegründet, um die Transparenz im Zertifikate-Markt zu erhöhen. Dabei hat die Schweizer Branche der Strukturierten Produkte in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, insbesondere auch um die Preistransparenz zu erhöhen. Wozu braucht es da noch strukis.com?

Transparenz ist in der Finanzbranche zurzeit en vogue. Aus unserer Sicht herrscht aber erst dann Transparenz, wenn ein Kunde schwarz auf weiss sieht, was er einkauft und wofür er genau bezahlt. Dafür stehen wir ein.

Wie tun Sie das genau?

Auf unserer Plattform weiss ein Kunde bis ins Detail, was ihn ein Trade abzüglich unserer fixen Kommission kostet, bevor er effektiv handelt. Damit unterscheiden wir uns.

Der Anstoss, strukis.com zu gründen, kam aus der Branche der unabhängigen Vermögensverwalter.

Richtig, das war insbesondere Giancarlo Guetg von Clarus Capital, der nun auch Hauptaktionär von strukis.com ist. Unabhängige Vermögensverwalter machen aus meiner Beobachtung oft unterschiedliche Erfahrungen mit Brokern von Strukturierten Produkten in Bezug auf Kosten und Kommissionen.

«Ich möchte Vontobel nichts unterstellen»

Vergleiche nach der Zeichnung eines Produkts im Markt zeigen dann oftmals auf, dass es mit der Transparenz der Broker eben doch nicht so weit her ist. Zudem herrscht vielfach die Auffassung, dass bei Anbietern von Broker-Plattformen, die gleichzeitig auch Produkthersteller sind, ein Interessenkonflikt herrscht.

Sie sprechen damit wohl Vontobel und seine Deritrade-Plattform an.

Unter anderem. Ich möchte damit Vontobel nicht unterstellen, dass über Deritrade eigene Produkte «gepusht» werden. Doch stellt sich die Frage, wie gegenüber Kunden neutral dargestellt werden kann, dass die Plattform den Markt absolut transparent wiedergibt. Das war der Auslöser für strukis.com.

Welche Emittenten sind bereits auf Ihrer Plattform?

Derzeit sind es Leonteq, Société Générale, Banque Cantonale Vaudoise und Julius Bär. Eine Zusage haben wir von Morgan Stanley, zwei weitere Anbieter sollen in Kürze folgen.

Und wie ist das Feedback?

Positiv und im Feedback einig, dass Alternativen den Markt beleben.

Also konkurrenzieren Sie Deritrade.

Ja, wir sind wohl ein direkter Konkurrent von Deritrade – jedoch nur in der Vermittlerrolle. Wir bieten Kunden kein Advisory (Beratung) und vertreiben auch keine Produkte aktiv, sondern bieten einzig eine automatisierte Plattform.

«Wir werden die Gebühr nochmals senken und keine Retrozessionen mehr bezahlen»

Insofern spielt es für uns auch keine Rolle, wie hoch das Volumen eines einzelnen Kunden auf unserer Plattform ist. Unser Ziel ist einzig: Wenn ein Kunde Strukturierte Produkte kaufen will, soll er es auf unserer Plattform tun.

Wenn wir bei der Transparenz sind: Wie sieht Ihre Gebührenstruktur aus?

Wir erheben eine fixe Ticket-Gebühr von 300 Franken, wobei das Minimum bei einem Ticket bei 50'000 Franken liegt. Die Gebühr fällt an, wenn ein Trade vollzogen wird. In den kommenden Monaten werden wir die Gebühr nochmals senken und dafür keine Retrozessionen mehr bezahlen.

An die Emittenten?

Nein, an die Kunden. Bislang haben wir nach einer bestimmten Anzahl Trades eines Kunden einen Teil der Ticketgebühr zurückbezahlt. Doch zeigte sich, dass Kunden tiefere und dafür fixe Gebühren bevorzugen.

Strukturierte Produkte stellen in der Anlagewelt eine Nische dar. Sie gehen von einem steigenden Bedarf aus. Worauf stützen Sie diese Prognose ab?

Vermögensverwalter verlieren wegen Negativzinsen auf ihren Cash-Positionen Geld, also besteht ein Anlagebedarf. Der andere Treiber ist der Kunde, dessen Geld bei der Bank ebenfalls kaum mehr Zinsen abwirft. Strukturierte Produkte mit Zinscoupon bieten eine echte Alternative.

«Der Kunde soll unterm Strich mehr erhalten»

Die Statistik zeigt, dass in der Schweiz der Handel mit Strukturierten Produkten enorm zugenommen hat. Derzeit werden monatlich rund 60'000 Produkte gehandelt.

Wenn Sie Transparenz anpreisen, wollen Sie auch günstiger sein als andere Broker-Plattformen?

Unser Ziel ist, dass sowohl Vermögensverwalter als auch deren Kunden unterm Strich mehr erhalten. Wenn dies über einen günstigeren Preis geschieht, ist uns das recht.

Sie sind im Herbst 2018 mit der Plattform live gegangen. Wie entwickelt sich das Volumen?

Derzeit ist es noch tief. Die effektiv vollzogenen Trades bewegen sich noch im einstelligen Bereich. Die Zugriffe kommen hauptsächlich von unseren bereits bestehenden Kunden. Wir sind also noch in einer frühen Aufbauphase, auch was unsere Bekanntheit betrifft.

Als Plattform, die absolute Transparenz verspricht, müssen wir erst Vertrauen aufbauen. Das braucht seine Zeit. Handkehrum haben wir keine grossen Ausgaben mehr, neben der Akquise und der Weiterentwicklung der Plattform fallen nur Server- und Stromkosten an. Das Volumen muss also nicht riesig sein, um die Rentabilität zu erreichen.

Mit steigendem Volumen ergeben sich dann die angestrebten Skaleneffekte?

Das Ziel ist eher, mit steigendem Volumen auf der Plattform die Gebühren für die Kunden weiter zu senken.


Der Ingenieur Andreas Müller ist ein Branchen-Outsider, der mit Supportern die Firma Deltaquest gründete, aus der vergangenes Jahr die Broker-Plattform strukis.com entsprang. Seine Karriere als Entwickler startete er allerdings bei der UBS als Business Analyst, bevor er in die IT-Branche wechselte.