Mit dem Nein zur Senkung des BVG-Umwandlungssatzes hätten die Versicherten dem Pensionskassen-Umfeld die rote Karte gezeigt, sagte Herbert Brändli, CEO der B&B Vorsorge AG, zum Auftakt der Podiumsrunde «Vorsorge im Spannungsfeld zwischen Regulierung Flexibilität» in Bern.
Weder eine Erhöhung der BVG-Beiträge noch eine Kürzung der Leistungen finde gegenwärtig den Zuspruch der Versicherten. Sie erwarten gemäss Herbert Brändli vielmehr, dass die Vorsorgeeinrichtungen nun die Kosten senken, um Beiträge und Leistungen konstant zu halten.
Niedrigere Kosten verlangen jedoch nach mehr Effizienz in Form von höheren Erträgen. Dazu, so forderte Herbert Brändli, müsse der Gesetzgeber das Umfeld und die Rahmenbedingungen so gestalten, dass dies auch möglich sei.
Unverständliche Mechanismen
Kurt Gfeller (oberstes Bild), Vizedirektor des Schweizerischen Gewerbeverbands, sah als Antwort auf die Absage an Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen zudem ein längeres Erwerbsleben, was nach Martin Flügel, Präsident von Travail.Suisse, allerdings einer versteckten Beitragserhöhung gleichkomme.
Claude Chatelain, Wirtschaftsredaktor der Berner Zeitung, führte das Nein des Volkes darauf zurück, dass die Versicherten die Mechanismen der 2. Säule nicht verstehen.
Das Nein habe keine grossen Folgen, da es ja in der Abstimmung lediglich um die Finanzierung des BVG-Obligatoriums gegangen sei, wogegen die Vorsorgeeinrichtungen bei der Festlegung des Umwandlungssatzes im überobligatorischen Teil frei seien und grössere Kassen schon heute tiefere Mischsätze aufweisen.
Lebensversicherer sollen das Feld räumen
Martin Flügel (mittleres Bild) forderte, dass die Lebensversicherer in der 2. Säule das Feld räumen müssen, da sie mit den Sammelstiftungen Geschäft machen und entsprechend hohe Risikobeiträge sowie Kosten aufweisen.
Claude Chatelain teilte diese Ansicht grundsätzlich, gab allerdings zu bedenken, dass offensichtlich dennoch ein Bedürfnis für dieses Angebot bestehe, wenn man sehe, wie viele Arbeitgeber Sammelstiftungen angeschlossen seien.
Auf die Frage, ob sich die 2. Säule angesichts der wachsenden Zahl an Beratern zum Selbstbedienungsladen entwickle, meinte Kurt Gfeller, dass gute Experten den Vorsorgeeinrichtungen auch helfen, Kosten zu sparen, wie sich dies am Beispiel der Auffangseinrichtung gezeigt habe.
Preis des Milizsystems
Claude Chatelain ergänzte, dass die Vielzahl an Beratern auch der Preis des Milizsystems sei. Nachdem es in den Stiftungsräten Parität zu gewährleisten gelte und somit die Vorsorgeeinrichtungen von Laien geführt werden, werden die Ansprüche niedriger gehalten und man verstecke sich vermehrt hinter den Beratern, führte auch Herbert Brändli in seinem Eingangsvotum an.
Das Hauptproblem sieht Claude Chatelain (unterstes Bild) allerdings in der Überregulierung und plädierte für eine Vereinfachung der Gesetzgebung, sonst nütze alle Transparenz nichts.
Martin Flügel befürwortete Einfachheit ebenfalls. Allerdings dürfe man darüber nicht vergessen, dass es um viel Geld gehe und Einfachheit nicht zulasten der Sicherheit gehen dürfe.
Die Komplexität sei zu einem guten Teil auch auf die Individualisierung der Gesellschaft zurückzuführen. So würden häufigere Stellenwechsel und die höhere Scheidungsrate nach neuen Lösungen verlangen.
Warnung vor weniger Verantwortung
Aber auch Unternehmensfusionen machen die Vorsorge komplexer. Insofern stelle sich die Frage, ob Vorsorgeeinrichtungen noch betriebliche Organisationen sein sollen und ob es nicht weniger Pensionskassen brauche.
Kurt Gfeller warnte allerdings davor, dass sich Arbeitgeber so weniger mit den Arbeitnehmern verbunden fühlen und weniger Verantwortung übernehmen würden, vor allem bei Sanierungen von Vorsorgeeinrichtungen.
Keine Super-AHV
Einer Abschaffung der 2. Säule und der Schaffung einer Super-AHV, wie sie manche Stimmen fordern, erteilten die Podiumsteilnehmer eine Absage. Das 3-Säulen-System habe nach wie vor seine Berechtigung, betonte Martin Flügel. Umfassende Änderungen seien nicht im Sinne der Arbeitnehmer und liessen sich auch von der AHV nicht bewältigen.
Claude Chatelain könnte sich allerdings eine Stärkung der AHV vorstellen, zumal diese ja gesetzlich die Existenz der Versicherten gewährleisten sollte, während die BVG ergänzend die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung sichern solle. So werden heute die AHV-Ergänzungsleistungen, die ursprünglich zur Finanzierung der Alterspflege gedacht waren, mehrheitlich für die Existenzsicherung eingesetzt.
Flexibilität der Vorsorge erhöhen
Eine deutlichere Abgrenzung zwischen Altersvorsorge und Pflegethematik haben vor einigen Jahren auch schon Professor Ernst A. Brugger und René L. Frey im Rahmen des Projekts «Nachhaltige Altersvorsorge Schweiz» (NAVOS) gefordert.
Kurt Gfeller gab zu Bedenken, dass sich eine Stärkung der AHV nicht finanzieren liesse, da keine Umverteilung aus der 2. Säule möglich sei, respektive es sehr lange dauern würde, bis eine stärkere Finanzierung der AHV möglich wäre.
Nach seinem Wunsch für die Zukunft der Vorsorge befragt, äusserte Martin Flügel, dass die Vorsorge auch in Zukunft den Lebensabend garantiere müsse. Dazu müsse die Flexibilität erhöht werden, um veränderten Bedürfnissen und Lebensumständen Rechnung zu tragen.
Vorsorge vereinfachen
Kurt Gfeller wünschte sich, dass die Wirtschaft und die Finanzmärkte gut laufen, dann gebe es auch in der Altersvorsorge weniger Probleme. Ausserdem müsse eine Lösung für das Rentenalter gefunden werden. Claude Chatelain plädierte für eine Vereinfachung der Vorsorge, um das Verständnis der Versicherten zu erhöhen.