Diesen Sommer fuhr UBS-Chef Sergio Ermotti der SIX an den Karren. Sie brauche ein neues Geschäftsmodell, forderte er. Jetzt handelt die Börsenbetreiberin – und begräbt die Grossmachtsfantasien von einst.
Es war einer jener Temperamentausbrüche, für die der Tessiner an der Spitze der grössten Schweizer Bank berüchtigt ist. «Ich glaube nicht, dass das heutige Geschäftsmodell der SIX langfristig nachhaltig ist», polterte UBS-CEO Sergio Ermotti letzten Juni in der Schweizer Tageszeitung «Blick». Die Schweizer Börsenbetreiberin, forderte der UBS-Chef, müsse über die Bücher. Und drohte: «Wenn wir mit den Dienstleistungen nicht zufrieden sind, suchen wir nach Alternativen.»
Diese Worte musste die SIX ernst nehmen. Der Konzern gehört zu rund 30 Prozent den beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse (CS). Den Rest halten Retail-, Privat- und Auslandsinstitute. Die Machtverhältnisse spiegeln sich im Verwaltungsrat. Der ehemalige CS-Banker Romeo Lacher amtete seit Herbst 2016 als Präsident. Vizepräsidentin ist die UBS-Managerin Sabine Keller-Busse.
Bei der Konsolidierung aussen vor
Wie sich nun zeigt, gingen jene Strategen mit Hochdruck über die Bücher. Am Freitag präsentierte sich die SIX mit neuem Chef sowie mit neuen Strukturen, wie finews.ch berichtete. Und hat damit die hochtrabenden Fantasien von einst endgültig begraben.
Rückblende. Auf der Höhe der Finanzkrise im Jahr 2008 fusionierten die drei Schweizer Finanzinfrastrukturfirmen SWX, SIS und Telekurs zur SIX Gruppe. Mit der damals topmodernen Silo-Struktur und stark erweitertem Angebot fühlte sich der neue Konzern fit genug, um beim Wettlauf der Börsen um internationale Grösse mitzutun.
Indes, bei der Konsolidierung blieb die SIX aussen vor. Während den (später geplatzten) Fusionsverhandlungen zwischen Londoner und Deutscher Börse begnügten sich die Schweizer 2011 damit, ihren Anteil an der europäsischen Derivatebörse Eurex für 800 Millionen Franken zu verkaufen. Seither wartet sie auf Gelegenheiten, das viele Geld einzusetzen. Doch die Börsen-Grossübernahme materialisierte sich nie.
Ironie des Schicksals
Stattdessen nahmen die Zusammenführung der drei Unternehmenskulturen, der Spardruck und die Regulierung den Konzern intern stark in Anspruch. Gekauft hat die SIX am Ende einen österreichischen und einen Luxemburger Zahlungsdienstleister.
Vergangenen Juni sinnierte Noch-CEO Urs Rüegsegger, eine Übernahme der europäischen Börse Euronext hätte wohl Sinn gemacht. Ironie des Schicksals: Der neue Chef der Schweizer Börsenbetreiberin, Jos Dijsselhof (Bild unten), war zuletzt operationeller Leiter der Euronext in Amsterdam.
Der Niederländer, der als «Change-Manager» in der SIX-Mitteilung vom Freitag reichlich Vorschusslorbeeren erhielt, hat jetzt den Auftrag, das Unternehmen schnellstmöglich auf den Boden der Tatsachen zu holen.
Einfach günstig
Dijsselhof wird demnach eine SIX führen, die schlanker organisiert ist und sich stärker auf Infrastrukturdienstleistungen für ihre Aktionäre und den Finanzplatz in den Bereichen Wertschriftengeschäft, Zahlungsverkehr und Finanzinformationen fokussiert. «Durch die geschärfte Strategie und Anpassungen in der Organisation werden Synergie- und Effizienzeffekte geschaffen, die sich positiv auf attraktive Angebote für Kunden und Aktionäre von SIX auswirken sollen», so die Mitteilung.
Anders gesagt: Die Banken, die gleichzeitig Eigner der Gruppe sind, sollen bei der SIX ein Angebot finden, dass besser auf ihre jeweiligen Wünsche abgestimmt ist. Und am Ende auch günstiger.
Die SIX, vom Konsolidierer zum Kaufhaus, in dem jedes Geldhaus nach Belieben «shoppen» geht? Tatsächlich findet sich in der neuen Struktur mit den vier Fokus-Sparten für die meisten Banken etwas. Im Wertschriftengeschäft etwa werden sämtliche Dienstleistungen rund um den Handel von Wertpapieren aus einer Hand angeboten. Diese «Swiss Value Chain» nützt besonders den Grossbanken.
Sollbruchstelle im Kartengeschäft
Mit der Neuordnung des Zahlungsverkehrs samt Kompetenzzentrum für Betrieb, Entwicklung und Innovation kommt die SIX wiederum den Bedürfnissen im Retailbanking entgegen. Der Aufbau einer gruppenweiten Innovationseinheit schliesslich dürfte allen Eignerinstituten gut gefallen.
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