Die Bankenlobby verfügt in der EU über enorme Schlagkraft – für sehr teures Geld, wie neue Zahlen zeigen. Eine Studie befindet, dass sich die Regulierung so tatsächlich hemmen lässt.
Mehr als 700 Organisationen zählen in Brüssel zur Finanzlobby. Dies zeigt eine Erhebung der Organisation Corporate Europe Observatory, einer Denkfabrik mit Sitz in Brüssel, die sich für transparentes Lobbying einsetzt.
Die Organisation hat in der Analyse «The fire power oft he financial lobby» 1'700 Lobbyisten eruiert, die im Auftrag von Banken und Finanzmärkten aktiv sind. Das Corporate Europe Observatory kommt auf 1'250 offiziell erfasste Vertreter und rund 450 nicht registrierte Lobbyisten.
Engagierte Briten und fleissige Deutsche
Ins Auge springt die «geballte Feuerkraft» der Finanzbranche insbesondere beim Vergleich der finanziellen Mittel. Kostenpunkt: 123 Millionen Euro im Jahr, so die Schätzungen. Im Vergleich zu Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Konsumentenschützern oder Gewerkschaften setze die Finanzindustrie 30 Mal mehr Geld und Personal ein, steht im Bericht.
Am aktivsten seien dabei britische Lobbyisten, gefolgt von Organisationen aus Deutschland und Frankreich. Grossbritannien, mit dem grössten Finanzdienstleistungssektor der EU, zählt an der Spitze rund 150 Lobby-Gruppen.
Die Schweiz bildet das Schlusslicht auf der Liste, wie das Diagramm zeigt. Aber auch die hiesigen Finanzhäuser haben bekanntlich eine Lobby-Organisation in Brüssel: Die UBS und die Credit Suisse gründeten letztes Jahr den Swiss Finance Council, eine Institution, welche die Interessen von international tätigen Schweizer Finanzinstituten in Brüssel vertritt.
Wenig Licht im Lobbyisten-Dschungel
Entscheidend sind laut den Studienautoren aber nicht nur die Lobbyisten, sondern auch die Expertengruppen, welche die EU-Institutionen beraten. Diese haben einen grossen Einfluss auf die Entscheidungen in der EU. Und diese Expertengremien seien ebenfalls mehrheitlich mit Vertretern der Industrie, der Finanzwirtschaft oder der grossen Wirtschaftsprüfungsfirmen besetzt. Deren Repräsentanten würden 15 von 17 untersuchten Expertengruppen dominieren.
Wie viele Lobbyisten es insgesamt aber tatsächlich in Brüssel gibt, ist schwer zu beziffern. Nach Schätzungen können es bis zu 20'000 sein. Inzwischen soll es eine wachsende Zahl von EU-Beamten und Mitarbeiter von Abgeordneten geben, die durch die «Drehtür» neue Jobs als Lobbyisten bekommen haben.
Finanzlobby verhindert Regulierung
Um ihre Tätigkeit auszuüben, müssen sich Lobbyisten nicht unbedingt eintragen. Es existiert zwar ein sogenanntes Transparenzregister. Doch die Eintragung darin ist freiwillig. Allein von den 700 Organisationen, die Corporate Europe Observatory gezählt hat, ist knapp zwei Drittel nicht registriert.
«Die Finanzlobby ist ein grosses Hindernis für eine effektive Regulierung», schlussfolgern die Studienverfasser. Das relative Scheitern des Reformprozesses zeige die enorme Kraft der Finanzlobby in den EU-Institutionen, heisst es in einer Pressemitteilung zur Studie. Die Finanzlobby habe die Schlagkraft, um sich den Reformen zu widersetzen. Und diese Macht wurde offenbar in jedem Kampf um Regulierungen seit der Pleite von Lehman Brothers ausgenutzt, sind sich die Studienautoren sicher.
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