Zur Steuerhinterziehung ist das Bankkundengeheimnis nicht mehr so leicht missbrauchbar. Doch «gestorben» sei es deswegen noch lange nicht, sagt Christoph Winzeler von der Bankiervereinigung.
Christoph Winzeler ist Leiter Finanzmarktrecht bei der Schweizerischen Bankiervereinigung
Ein deutscher Kollege, der früher wissenschaftlich im Bankenrecht arbeitete und jetzt einen führenden Job in der Privatwirtschaft ausübt, sagte mir kürzlich: «Wissen Sie, es gibt drei Dinge, wo wir Deutschen kein Pardon kennen: Fahrerflucht, Meineid und Steuerhinterziehung. Da sind wir gnadenlos. Im Übrigen unterscheiden wir uns gar nicht so sehr von Euch Schweizerinnen und Schweizern.»
Denke ich zurück an die Kraftworte, mit denen vor einem Jahr die deutsche SPD, allen voran der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, das Steuerabkommen mit der Schweiz bodigte, hat dies wohl Einiges für sich. Was ein ausgewogener Kompromiss hätte sein können, erschien manchen Deutschen unerträglich, weil ihre steuerflüchtigen Landsleute nicht streng genug an die Kasse kamen.
Bussen, die ans gute Tuch gehen
Ein Blick zurück aber zeigt, wie auch die Schweiz von jeher Steuerhinterzieherinnen und -hinterzieher mit hohen Bussen bestraft. Unser Gesetzgeber hat selbstverständlich das Bankkundengeheimnis nicht eingeführt, um ein «Geschäftsmodell Schwarzgeld» zu fördern. Nein, die Hinterziehungsbussen für jene Leute, die erwischt werden, können sehr wohl ans gute Tuch gehen.
Nur die Rollenverteilung ist bei uns eine andere: Für die Steuerehrlichkeit sind an erster Stelle die Steuerpflichtigen selber verantwortlich und nicht ihre Bank. Dabei gibt es immer noch Kundinnen und Kunden, deren Geld unversteuert bei einer Schweizer Bank liegt, weil zum Beispiel ihre Vorfahren in einer Diktatur oder einem Staat mit Hyperinflation den Grossteil ihres Hab und Guts verloren haben. Die Gesetze eines Unrechtsstaats in der Schweiz nicht anzuwenden, ist eine vornehme Tradition, die ich nach wie vor unterschreibe.
Der Vergangenheit Rechnung tragen
Natürlich ist das heute kein Grund, die Steuern im demokratischen Rechtsstaat zu hinterziehen, und es macht ein solches Verhalten auch nicht legal. Aber es öffnet den Blick auf eine Vergangenheit, der Rechnung getragen werden muss.
Unser Anliegen ist es nicht, «Schwarzgeld» zu schützen, sondern den Steuerpflichtigen einen Weg zurück in die Legalität zu ebnen (wie es auch andere Staaten mit ihren Amnestiegesetzen tun). Entsprechend haben es die Schweizer Banken zu ihrer Strategie erklärt, bei der Vermögensverwaltung auf steuerehrliche Kundschaft zu setzen.
Überwachungsexzesse der US-Geheimdienste
In Verfahren wegen Steuerhinterziehung leisten wir heute anderen Ländern Amtshilfe. Wolfgang Schäuble, deutscher Bundesfinanzminister und ein guter Nachbar der Schweiz, hat dies auch so gesehen und gewürdigt, im Unterschied zu etlichen seiner Landsleute.
Bei allem Verständnis für kulturelle Unterschiede, auch zwischen benachbarten Ländern, bitte ich, nicht zu vergessen, dass es im Staat neben Grundpflichten auch Grundrechte gibt. Zu ersteren gehört die Steuerpflicht, zu letzteren der Anspruch auf den Schutz der Privatsphäre. Deren Bedeutung wird uns durch die Überwachungsexzesse der US-Geheimdienste so langsam wieder klar.
Mediale Schwarzmalerei
Das Bankkundengeheimnis wurde nicht zum Zweck seines eigenen Missbrauchs erfunden, sondern zum wohlverstandenen Schutz der Privatsphäre – vor der Neugier zum Beispiel unlauterer Konkurrenten, hemmungsloser Medien oder allzu eifriger Agenten der Steuerfahndung, die sich Beweismaterial auf kriminellem Weg beschaffen.
Entsprechend wandelt sich das Bankkundengeheimnis zwar, und für die Steuerhinterziehung wird es nicht mehr so leicht missbrauchbar sein. Doch abgeschafft oder «gestorben», wie mediale Schwarzmalerei uns gelegentlich weismachen will, ist es deshalb noch lange nicht.