Das Debakel um das Signa-Firmengeflecht wirft ein Schlaglicht auf das ausserkantonale Geschäft der Staatsbanken. Dabei sind die Institute längst zu schweizweiten Akteuren aufgestiegen – und haben kräftig an Marktmacht zugelegt, beobachtet finews.ch.
Das Signa-Debakel hat sich als entlarvend für einige Schweizer Banken erwiesen, wie finews.ch kürzlich analysierte. Dem wäre nun hinzuzufügen: besonders entlarvend für einige Kantonalbanken.
Denn angesichts neuer Enthüllungen haben diverse Staatsinstitute dieser Tage darüber informiert, dass sie ein «Immobilienunternehmen, das mehreren Investoren gehört» finanziert hatten. Nach den Medienberichten von Anfang Woche ist klar, dass es sich dabei um Firmen aus dem Signa-Imperium des österreichischen Investors René Benko handelt.
Kontrast springt ins Auge
Gesichert ist seither, dass sich die Aargauische, die Walliser und die Obwaldner Kantonalbanken an einem Konsortialkredit beteiligt haben, mit dem Signa und die thailändische Central Group im Jahr 2020 die Übernahme der Globus-Warenhauskette stemmten. Die Kredite sind allem Anschein auch mit Globus-Liegenschaften besichert.
Die Aargauische Kantonalbank hat dabei 73 Millionen Franken bei Signa-Firmen stehen, die Walliser und Obwaldner Kantonalbanken je 24,3 Millionen Franken.
Sicherheiten ausserhalb des Heimatkantons
Laut Medienberichten haben ausserdem die Graubündner Kantonalbank 60,8 Millionen Euro und die Zürcher Kantonalbank (ZKB) rund 11,1 Millionen Euro gegenüber dem Konglomerat offen. «Gebeichtet» haben die Institute dies bis jetzt noch nicht.
Festhalten lässt sich dazu aber: Alle involvierten Kantonalbanken, mit Ausnahme vielleicht der ZKB, haben Sicherheiten ausserhalb des Heimatkantons für ihre Millionen akzeptiert und mit Firmen aus einem Konglomerat geschäftet, das seine Fühler weltweit ausstreckte.
Der Kontrast zwischen angeblicher Verbundenheit mit der Scholle und weltläufigem Unternehmertum springt da ins Auge.
«Nicht ungewöhnlich»
Beim Verband Schweizerischer Kantonalbanken (VSKB), die als Klammer für die 24 Schweizer Schwesterinstitute funktioniert, sagt ein Sprecher dazu: «Die Kantonalbanken sind bedeutende Akteure des hiesigen Finanzplatzes. Dass sie bei grösseren Ausleihungsvolumen gemeinsam mit anderen Kreditinstituten an Konsortialkrediten teilnehmen, ist nicht ungewöhnlich.» Es liege auch in der Natur der Sache, dass damit verbundene Grundpfandsicherheiten ausserhalb des eng gefassten Stammgebiets lägen.
Weiter gibt der Verbandssprecher zu bedenken, dass die Kantonalbanken in ihrer Geschäftstätigkeit dem Kantonalbankgesetz, den Eigentümerstrategien und allen regulatorischen Vorschriften folgten. Dies beinhalte, dass der wichtigste Teil des Geschäfts auf Kantonsgebiet stattfinde.
Längst passé
Tatsächlich betonten alle Staatsinstitute bei ihrem «Outing», dass sie bei der Hypothekenvergabe das Schwergewicht auf das Stammgebiet legen. So hiess es seitens der Obwaldner Kantonalbank: «Von den belehnten Liegenschaften befinden sich 92 Prozent im Kanton Obwalden und in angrenzenden Kantonen. Die Obwaldner Kantonalbank finanziert keine Liegenschaften ausserhalb der Schweiz.»
Doch dieses Statement beweist eben auch: Dass sich Kantonalbanken, wie es ihr Name suggeriert, auf ihren Heimatkanton beschränken, ist längst passé.
Landesweite Ansprüche
Treffender müssten sich jene Institute also als «Bank für den Kanton und die angrenzenden Kantone» bezeichnen. Doch dies würde wohl jedes Logo sprengen.
Zudem hielte auch eine solche Umbenennung der Realität nicht stand. Seit Jahren ist der Anspruch gerade der grösseren Kantonalbanken schweizweit. Zu denken ist etwa an die Swisscanto-Fondsmarke der Zürcher Kantonalbank, die landesweit agierende Basler-Kantonalbank-Tochter Bank Cler oder die zahlreichen Beteiligungen der Graubündner Kantonalbank in Zürich, so die BZ Bank, die Vermögensverwalter Twelve Capital und Albin Kistler sowie die Bellerive Privatbank.
Kanal ohne Grenzen
Vom digitalen Kanal ganz zu schweigen. So werden die Digitalangebote von Kantonalbanken – Zak, Frankly, Radicant und Bitubi, um nur die Bekanntesten zu nennen – innerhalb der Landesgrenzen vertrieben und richten sich direkt an Kunden, die schon mit anderen Instituten «banken». Das schweizweite Business ist erlaubt und im Fall etwa der Aargauischen Kantonalbank explizit im Gesetz so festgehalten.
Umgekehrt geniesst das Institut, sowie alle andere im Signa-Zusammenhang genannten Staatsbanken, eine volle Garantie vom jeweiligen Eignerkanton, verbunden mit einem Leistungsauftrag für das Stammgebiet.
Das unterscheidet die Kantonalbanken fundamental von der börsenkotierten Bank Valiant, die ebenfalls in verschiedenen Schweizer Regionen aktiv ist, oder der in einer Gruppe verbundenen schweizweit 219 Raiffeisenbanken.
Explizite Staatsgarantie
Dieser Unterschied dürfte künftig wohl noch zu reden geben; spätestens dann, wenn die wettbewerbsrechtlichen Folgen des UBS-Credit-Suisse-Zusammenschlusses wieder aufs Tapet kommen.
Die UBS-Führung argumentiert hier gerne mit der Vormachtstellung der Kantonalbanken, die zusammengenommen der grösste Akteur im Schweizer Inland-Banking darstellen. Und dabei jetzt schon in den meisten Fällen über eine explizite Staatsgarantie verfügen.
Brisante Diskussion wegen neuer UBS
Diese Diskussion ist umso brisanter, als die Marktmacht der Kantonalbanken gegenüber den Grossbanken in den vergangenen Jahren noch zugenommen hat, zumindest im Retailgeschäft.
So stellten Finanzwissenschaftern der Hochschule Luzern unlängst fest, dass die Gruppe der Kantonalbanken über Jahre hinweg von Kundeneinlagen profitiert haben, die bei den Grossbanken abgeflossen sind.
Ein ideales Instrument?
Der Trend hat sich mit der Krise der Credit Suisse (CS) noch akzentuiert. Seit Anfang 2021 hätten die Kantonalbanken einen bemerkenswerten Anstieg von 3,6 Prozentpunkten an Marktanteilen verzeichnen können, stellten die Wissenschafter fest. Von den Gesamtabflüssen der CS seien etwa 82 Prozent zu den Staatsbanken gelenkt worden.
Die Umtriebigkeit der Kantonalbanken dürfte künftig kaum abnehmen, im Gegenteil. Mit dem Ende der CS öffnet sich auch im Firmenkunden-Geschäft eine Lücke, welche die längst schweizweit agierenden Kantonalbanken wenigstens teilweise füllen können.
Konsortialkredite, wie bei Signa, erscheinen dazu als ideales Instrument.